Soul Kitchen: Ich hab‘ Bandscheibe – und auch sonst Stress.

Es ist Sommer. Urlaubszeit. Und Gelegenheit mal im Archiv zu kramen. Den Auftakt macht eine lose Reihe deutscher Filme, die vor allem einen gewissen Wohlfühl-Faktor haben. 2009 kam Regisseur Fatih Akin mit einer hinreißenden lockeren Kneipenstory um die Ecke: Soul Kitchen. Hier die Filmbesprechung, die ich seinerzeit zum Kinostart verfasste: Es ist hierzulande schon ein mittelschweres Filmereignis, wenn Ausnahmeregisseur Fatih Akin einen neuen Film macht. Zumal die beiden Dramen „Gegen die Wand“ und „Auf der anderen Seite“ international so unglaublich abgefeiert wurden. Doch der Filmemacher will sich nicht ausschließlich auf der ernsten Seite des Lebens verorten lassen und „Soul Kitchen“ ist rockt das Haus.

Der Wirt Zinos (Adam Bousdoukos) betreibt eine eher heruntergekommenen Gastronomie im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg. Der Laden hält sich eher schlecht als recht, doch die Stammgäste sind mit der aus Tiefkühlpizzen und Fertiggerichten bestehenden Karte zufrieden. Und so läuft alles einigermaßen, bis Zinos Freundin Nadine (Pheline Roggan) einen Job als Aulandskorrespondentin annimmt und sich auf den Weg nach Shanghai macht. Zino überlegt ernsthaft, den Laden zu verkaufen und mit Nadine nach Asien zu gehen.

Ausgerechnet jetzt bekommt Zinos‘ Bruder Ilias (Moritz Bleibtreu) Freigang vom Knast, wenn er einen Job nachweisen kann, und das Soul Kitchen hat pro Forma einen neuen Kellner. Dann verhebt sich der Wirt an einem Kühlschrank und muss wohl oder übel einen Aushilfskoch einstellen. Der hat als Gourmet und Meister seines Fachs allerdings durchaus eigene Vorstellungen und modelt erst einmal die ganze Karte um.

Liebe geht durch den Magen

Und während Zinos verzweifelt versucht irgendwie doch nach Shanghai zu kommen, entwickelt sich das „Soul Kitchen“ nach Anlaufschwierigkeiten zum hippen Szenetipp. Doch der Erfolg wird von mehreren Seiten torpediert. Das Finanzamt klopft ziemlich deutlich an und ein alter Schulfreund (Wotan Wilke Möhring), der unter die Immobilienspekulanten gegangen ist, will den Laden kaufen. Zinos wird das alles zuviel. Zu allem Überfluss läuft die Fernbeziehung mit Nadine auch nicht gerade toll.

Regisseur Fatih Akin selbst nennt „Soul Kitchen“ liebevoll einen Heimatfilm. Angesichts des authentischen Lokalkolorits und der vielen Hamburger Schauspieler ist das auch angebracht. Dass dabei auch unfotogene Gegenden in Ottensen und der Arbeiterstadtteil Wilhelmsburg in den Mittelpunkt rücken, ist der Mental Map der Drehbuchautoren Akin und Bousdoukos geschuldet. Es geht hier auch um ein Lebensgefühl, das den modernen Heimatbegriff sinnvoll erweitert, ja ersetzt. Angesichts der bevorstehenden Internationalen Bauausstellung (IBA), die 2013 in Wilhelmsburg stattfinden wird, zeigt sich Akin damit auch auf der Höhe der Zeit.

„Soul Kitchen“ ist natürlich auch eine Hommage an Akins Geburtsstadt Hamburg. Aber vor allem der Ausdruck eines bestimmten Lifestyles, einer bestimmten Szene, die sich in ähnlicher Form auch in anderen Metropolen finden ließe. Der Film unterscheidet sich zwar in seiner Leichtigkeit von den bisherigen Akin-Filmen, doch in seiner Bildsprache und den Figuren zeigt sich die Handschrift des Filmemachers mehr als deutlich und fügt sich nahtlos an dessen bisherigen Filme.

So gelingt Akin und seinem perfekten Schauspieler-Ensemble auch scheinbar mühelos eine bodenständige, beizeiten derbe Komödie, die gekonnt zwischen „Scheiß drauf“ und dem Willen zum guten, zum besseren Leben pendelt. „Soul Kitchen“ hat genügend Ernsthaftigkeit um richtig lustig zu sein und nu‘ is‘ auch genug geschwafelt: Selber sehen.

Film-Wertung: 7.5 out of 10 stars (7,5 / 10)

Soul Kitchen
Genre: Komödie,
Länge: 99 Minuten, D, 2009
Regie: Fatih Akin
Darsteller: Adam Bousdoukos, Pheline Roggan, Moritz Bleibtreu
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Alive, Pandora Film
Kinostart:
DVD- & BD-VÖ: 20.02.2011