Happy Valley – In einer kleinen Stadt: Wolken ziehen vorüber

Der Titel der hochgelobten und mehrfach ausgezeichneten BBC-Krimi-Serie „Happy Valley“ mag leicht zynisch anmuten, angesichts der ungeschönten Geschichte um eine Kleinstadtpolizistin und eine verhängnisvolle Entführung, denn in dem Örtchen in Yorkshire geht es alles andere als idyllisch zu. Jake Buggs Hit „Troubled Town“, das musikalische Titelthema der Serie, trifft es da schon eher. Ärger, Stress und Alltagswahnsinn wohin man blickt – und eine großartige Serie.

Die geschiedene Polizistin Catherine Cawood (Sarah Lancashire) leitet die Einsatzstelle des kleinen Fleckchens Sowerby Bridge in der Nähe von Halifax und Huddersfield. Und die Großstädte in der Nachbarschaft strahlen ihre Probleme auch in das kleine Örtchen ab. Vor allem die Drogenproblematik nimmt immer unkontrollierbarere Ausmaße an. So muss Catherine dann auch erst einmal einen zugedröhnten Junkie davon abhalten, sich auf einen Spielplatz selbst abzufackeln.

Aber eigentlich hat Catherin ganz andere Probleme, denn Tommy Lee Royce (James Norton) ist nach acht Jahren wieder aus dem Gefängnis entlassen worden und Catherine ist sicher, dass er wieder in der Gegend ist. Obwohl Royce wegen Drogenbesitz eingefahren war, hat er die Tochter der Polizistin vergewaltigt und diese hat sich nach der Geburt eines Sohnes das Leben genommen. Nun zieht Großmutter Catherine den jungen Ryan auf und darüber ist ihre Ehe mit dem Lokalreporter Richard (Derek Riddle) zerbrochen. Auch Catherines Erwachsener Sohn hat den Kontakt abgebrochen und so lebt Catherine mit ihrer Schwester Claire (Sioban Finneran) zusammen. Die Polizistin sinnt zwar nicht auf Rache, geht aber davon aus, dass Royce ein notorischer Straftäter ist und beobachtet werden sollte.

Tommy Lee Royce hat derweil Arbeit bei dem Bauunternehmer und Campingplatzbetreiber Ashley Cowgill gefunden, der auch dick im Drogengeschäft ist. Einer seiner Mieter, ein kleiner Lohnbuchhalter, hat ihn auf die Idee gebracht, die Tochter eines angesehenen Geschäftsmannes zu entführen und so schnelles Geld zu machen. Anfangs läuft die Sache für die Entführer auch rund  aber dann stellen sich Komplikationen ein. Royce missbraucht die Entführte, sein Kumpel bekommt Gewissensbisse und dann ist da auch noch diese Polizistin, die Royce sucht und ohne es zu wissen, die entführte Ann (Charlie Murphy) in Gefahr bringt.

Von der Grundkonstellation Kleinstadt-Polizistin und unfähige Entführer, mag die BBC-Serie „Happy Valley“ an „Fargo“ erinnern, die Oscar-prämierte Krimi-Farce der Coen-Bruder, der auch Vorbild für die gleichnamige US-amerikanische Serie ist, die seit Herbst 2014 mit großem Erfolg lauft. Aber damit ist schon nach der ersten der sechs Folgen endgültig Schluss. In „Happy Valley“ machen die Briten ernst und die Geschichte Drehbuchautorin Sally Wainwright lässt  jedes Körnchen Humor vermissen und breitet ein ungeschöntes, spannendes Drama aus, das sich gewaschen hat und ein ums andere Mal nur schwer zu ertragen ist.

Im Mittelpunkt stehen dabei patente, handfeste Frauencharaktere, die die Anforderungen des Lebens und Problemen des Alltag zu schultern wissen, egal was komme. Allen voran die anfangs etwas rigoros wirkende Catherine Cawood, die von Sarah Lancashire grandios dargestellt wird. Das ganze wird zudem sehr spannend erzählt, indem gleich zu Beginn der Serie klar gemacht wird, dass in diesem „fröhlichen Tal“ so ziemlich alles mit allem zusammenhängt, die Handlungsstränge allerdings sehr lange parallel aufgebaut werden und der Zuschauer so immer mehr weiß als die Akteure in „Happy Valey“.  Erst durch einen dramatischen (und überraschenden) Zwischenfall kommt die Polizei der Entführung langsam auf die Spur und die Spirale der Gewalt wird unerbittlich angezogen.

Zwar bildet der lodernde Konflikt zwischen der Polizistin und dem notorischen Gewaltverbrecher das klassische Krimi-Zentrum der Serie, aber auf dieser Basis werden auch die gesellschaftlichen Probleme und die kleinstädtischen Strukturen sichtbar, die von den menschlichen Nöten und Abgründen noch befeuert werden. Am Ende weicht die Krimispannung dann einem Psychothriller, der nuanciert und mit dramaturgischer Tiefe das verkaterte Erwachen der kleinen Stadt und die holprige und schwierige Wiederaufnahme des Alltags in die Gänge bringt. Auch das ist sehr gelungen und macht die große Stärke der Serie aus.

„Happy Valley“ ist ganz großes Kino, sowohl die kriminalistische Spannung als auch die dramaturgischer Tiefe sind außergewöhnlich und nervenaufreibend  packend. „Happy Valley“ ist von erstaunlicher erzählerischer und atmosphärischer Dichte. Kein Wunder, dass an der zweiten Staffel schon gearbeitet wird.

Serien-Wertung: 9 out of 10 stars (9 / 10)

Happy Valley –  In einer kleinen Stadt Staffel 1
OT: Happy Valley
Genre: Serie, Krimi, Drama
Länge: ca. 300 Min. (6 x 50 Min.)
Idee & Drehbuch: Sally Wainwright
Regisseure: Euros Lyn, Sally Wainwright, Tim Fywell
Darsteller: Sarah Lancashire, Siobhan Finneran, Charlie Murphy, James Norton
FSK: ab 16 Jahren
Vertrieb: Polyband / BBC
DVD-& BD-VÖ:    22.10.2015

BBC-Homepage zu Happy Valley