Seit Hape Kerkelings „Ich bin dann mal weg“, dem „erfolgreichstem deutschsprachigen Sachbuch aller Zeiten“, muss man hierzulande niemandem mehr erklären, was der Jakobsweg ist. In der Tragikomödie „Dein Weg“ macht sich ein Amerikaner auf dem Marsch nach Santiago de Compostela; nicht ganz beabsichtigt und aus traurigem Anlass, aber herzergreifend und witzig zugleich. Aus dem Archiv eine gewandertes Road Movie von 2012.
Der amerikanische Augenarzt Tom Avery (Martin Sheen) erhält die Nachricht von Tod seines Sohnes Daniel (Emilio Estevez) per Telefon. Daniel ist am ersten Tag seiner Pilgerreise auf den Camino de Santiago (Jakobsweg) verunglückt. Tom reist umgehend nach Übersee, um die Leiche seines Sohnes zurück nach Hause zu geleiten.
Doch als der trauernde Vater abends im Hotelzimmer Daniels Hinterlassenschaft, seinen Wanderrucksack, betrachtet, fasst er einen anderen Entschluss: Kurzerhand lässt er Daniels Überreste einäschern und macht sich mit dessen Ausrüstung auf den Pilgerweg nach Santiago de Compostella. Davon kann ihn auch der örtliche Polizeichef nicht abbringen.
Im Laufe seiner Wanderung macht Tom an etlichen Stellen halt, um ein wenig von Daniels Asche auf dem Weg zu verstreuen. Doch der trauernde alte Mann bleibt nicht lange allein: zunächst schließt sich ihm der Holländer Joost (Yorick van Wageningen) an, der die Pilgerreise unternimmt, um ein bisschen abzuspecken und der unaufhörlich plappert. Einige Tage später trifft Tom auf Sarah (Deborah Kerr Unger), eine Kanadierin, die behauptet, auf dem Weg das Rauchen aufhören zu wollen. Und schließlich trifft das Trio noch auf den irischen Schriftsteller Jack (James Nesbitt), der an einer Schreibblockade leidet. Obwohl Tom die Gesellschaft überhaupt nicht recht ist, wird er die Mitpilger doch nicht wieder los.
Mehr Road-Movie als in „Dein Weg“ geht eigentlich nicht. Und wie immer, wenn Menschen unterwegs sind, zeigt sich, dass nicht das anvisierte Ziel die Faszination einer Reise ausmacht, sondern die Reise selbst. Mit dem spirituellen Überbau des historischen Pilgerweges hat Tom herzlich wenig am Hut, als er kurzentschlossen aufbricht. Er tut es, um seinem Sohn, von dem er sich entfremdet hatte, einen letzten Dienst zu erweisen und um seine Trauer über den Verlust des einzigen Sohnes zu verarbeiten. Auch die Wandergenossen, die sich Tom anschließen, haben mit Religion oder Spiritualität – in welchem Sinn auch immer – kaum etwas zu schaffen, ihre Motive, sich auf die Pilgerreise zu begeben, scheinen so weltlich wie es nur geht.
Emilio Estevez gelingt mit „Dein Weg“ in mehrerer Hinsicht ein sehr persönlicher Film: Zum einen dreht er zusammen mit seinem Vater Marin Sheen, zum anderen ist „Dein Weg“ auch eine Hommage an Estevez‘ spanischen Großvater. Der Regisseur und Drehbuchautor übernimmt auch im Film die kurzen Auftritte des Sohnes. Zu dem Film inspiriert haben neben Martin Sheens Herzenswunsch den Camino einmal zu gehen auch die Erlebnisse des amerikanischen Autors Jack Hit, der in seinem Buch „Off the Road: A Modern-Day Walk Down The Pilgrim’s Route“ seine Erlebnisse und Begegnungen auf dem Camino schilderte (Das Buch ist nicht auf Deutsch erhältlich).
Vom Aufbau her ist „Dein Weg“ gute alte Road-Movie-Schule, die Mischung zwischen Trauer und Freude, Tragik und Komik, Landschaft und Menschen ist nahezu perfekt und sorgt dafür, dass man die Wanderung auch als Zuschauer gerne antritt. Doch es ist vor allem die überzeugende, schnörkellose und detaillierte Zeichnung der Charaktere, die „Dein Weg“ zu einem herausragenden Filmerlebnis macht. Der Pilgerweg als Weg aus der Trauer, als Aussöhnung mit dem eigenen Schicksal. Und am Ende kommt die Botschaft an, über alle religiösen Differenzen hinweg.
Das Road Movie „Dein Weg“ begleitet einen trauernden Vater auf einer spontanen Pilgerreise entlang des Jakobswegs. Das ist mit einigem Humor und Herzenswärme auch ein Weg zurück ins Leben. Eine absolute Empfehlung.
Film-Wertung: (8 / 10)
Dein Weg
OT: The Way
Genre: Drama, Komödie,
Länge: 123 Minuten, USA/E , 2010
Regie: emilio estevez
Darsteller:innen: Martin sheen, Deborah Unger, James Nesbitt
FSK: ohne Altersbeschränkung, Beiprogramm ab 12 Jahren
Vertrieb: Koch Media,
Kinostart: 21.06.2012
DVD-& BD-VÖ: 09.11.2012