Der geheime Garten: Grün ist die Hoffnung

Die Neuverfilmung des Jugendbuchklassikers „The Secret Garden“ von Francis Hodgson Burnett setzt auf einen magischen Realismus und erzählt die weltbekannte Geschichte der Mary Lennox mit modernen Stilmitteln des Kinos, bleibt der Vorlage aber treu. Trotz der Altersfreigabe ist die Verfilmung für ganz junge Zuschauer:innen allerdings nicht unbedingt geeignet. Das Jugendbuch wird schließlich auch erst ab 10 empfohlen. Studiocanal veröffentlicht den bildstarken Film nun als DVD und Blu-ray für das klassische Home-Entertainment.

Als ihre Eltern während einer Cholera-Epidemie sterben, muss die Zehnjährige Mary Lennox (Dixie Egerickx) zu ihrem einzigen Verwandten ziehen. Das Kind wird aus der indischen Kolonie nach England verschifft, wo es in die Obhut des unbekannten, angeheirateten Onkels Archibald Craven (Colin Firth) übergeben wird.

Bereits die Schiffsreise und das Kinderheim waren für Mary große Herausforderungen, doch die strenge Miss Medlock (Julie Walters) und auch der Hausherr, in dessen Obhut Mary übergeben wird, können mit dem fantasievollen Kind wenig anfangen. Mary soll in dem altehrwürdigen Anwesen Misselthwaite in ihrem Zimmer bleiben und sich ruhig verhalten. Doch schon bald erkundet das neugierige Kind eigenmächtig das Schloss und die Umgebung.

Das Haus erscheint zunächst so düster und gruselig wie die nebelverhangene Moorlandschaft Yorkshires; ganz anders als das lichtdurchflutete Indien. Dann trifft Mary den seltsamen Jungen Dickon (Amir Wilson), stößt im Anwesen auf ihren bettlägerigen Cousin Colin (Edan Heyhurst) und entdeckt einen geheimen Garten. Mit dem verwunschenen Ort ist auch die tragische Geschichte um Colins Mutter verbunden.

„The Secret Garden“ von Francis Hodgson Burnett zählt zu den großen Klassikern der Jugendliteratur im anglo-amerikanischen Raum. Daher ist auch die Anzahl der Adaptionen ziemlich beeindruckend. In jungster Zeit wurde „Der Geheime Garten“ sogar als Musical inszeniert. Die letzte beachtliche Kino-Verfilmung stammt von Regisseurin Agnieszka Holland aus dem Jahr 1993. Doch wie auch bei „Little Woman“ (aktuell von Greta Gerwig verfilmt) scheint jede Generation das Recht auf eine eigene, zeitgemäße Interpretation der wirkmächtigen und beliebten Geschichte zu haben.

Regisseur Marc Munden, der bislang vor allem durch Serien auf sich aufmerksam machte („Utopia“), kann sich auf das werkgetreue Drehbuch von Autor Jack Thorne verlassen, mit dem der Regisseur bereits bei „Das Ende einer Legende“ zusammenarbeitete. Hinzu kommen die zur Fantastik neigende Produktion der Macher von „Harry Potter“ und „Paddington“, deren visuelle Handschrift durchaus wiedererkennbar ist. Eventuell wird Mary Lennox‘ Geschichte so leichter von einer neuen Publikumsgeneration angenommen.

Denn die Geschichte ist nicht ohne Tragik. So wie auch Francis Hodgson Burnettes anderer Jugendbuch-Klassiker „Der Kleine Lord“. Was hierzulande regelmäßig über die Bildschirme flimmert hat in der Geschichte selbst durchaus Parallelen mit „Der geheime Garten“. Vor allem das Herausgerissen werden aus der gewohnten Lebensumgebung und die Aussicht, es mit einem granteligen, alten und misanthropen Vormund zu tun zu bekommen.

Ich gestehe, die anfängliche Düsternis in Mundens „Der geheime Garten“ hat mich irritiert und ließ mich kurz an Terry Gilliams Drama „Tideland“ denken, das nun wahrlich nicht für junge Zuschauer gedacht ist. Aber die Jugendfreigabe ab 6 Jahren ist aufgrund der vergebenen Altersklassen vertretbar, vor allem, weil tatsächlich nichts Verstörendes gezeigt wird. Auf erwachsene Zuschauer mag das umso irritierender wirken, von Kindern wird soetwas wahrscheinlich schlicht übersehen. Ab 10 Jahren können junge Zuschauer:innen – wie eingangs erwähnt – mit der Geschichte sicherlich umgehen.

Je weiter der Film fortschreitet, desto klarer wird auch, dass die Darstellung der Stimmungen absichtlich so realistisch und auch etwas sperrig angelegt ist, um sich von der oft beschönigenden und märchenhaften Abenteuer-Erzählweise früherer Verfilmungen abzuheben. Das ist nicht nur eine visuelle und dramaturgische Entscheidung, sondern spiegelt sicher auch den Zeitgeist heutiger Lebensweise wieder.

Ein bisschen geht dabei allerdings auch das Eskapistische verloren, das ja auch zum Lern- und Verarbeitungsprozess gehört. Das wird nun wiederum durch die opulenten mit CGI-verstärkten Bilder kompensiert, was ebenfalls den visuellen Zeitgeist wiederspiegelt, der sich nicht immer darum schert, was hinter den Bildern liegt. Ob Colin Firth als granteliger Vormund tatsächlich so derart weltvergessen und grau in seiner Trauer gefangen, nicht etwas sehr übertrieben rüberkommt, mögen andere beurteilen. Auf jeden Fall müssen sich die Zuschauer den Zugang in Marys Welt auch ein bisschen verdienen.

Es ist den Machern gelungen, durch ihre eigentlich vorlagentreue Verfilmung eine recht eigenwillige Filmvariante herbeizuzaubern. Trotz gemischter Kritiken, die „Der geheime Garten“ provoziert hat, ist Marc Munden bildstarke Variante sehenswert ausgefallen und wüsste in diesen pandemischen Zeiten auch bildstark die Leinwand zu füllen. Doch auch auf dem heimischen Bildschirm entwickelt „Der geheime Garten“ eine – manchmal etwas krude – Faszination.

Film-Wertung: 6.5 out of 10 stars (6,5 / 10)

Der geheime Garten
OT: The Secret Garden
Genre: Jugendfilm, Drama,
Länge: 99 Minuten, GB, 2019
Regie: Marc Munden
Romanvorlage: „Der geheimen Garten“ von Francis Hodgson Burnett, 1911
Darsteller:innen: Dixie Egerickx, Amir Wilson, Colin Firth, Julie Walters
FSK: ab 6 Jahren
Vertrieb: Studiocanal
Kinostart: 20.10.2020
VOD: 11.02.2021
DVD-& BD: 25.02.2021

Der geheime Garten (Buch) bei wikipedia

Filmseite „Der geheime Garten“ bei Studiocanal