Freakonomics: Das Märchen vom Homo Oeconomicus

Wissenschaft, vor allem Wirtschafts-Wissenschaften, als unterhaltsames Filmerlebnis haben sich die Macher von „Freakonomics“ 2010 auf die Fahnen geschrieben. Jahre bevor Regisseur Adam McKay mit „The Big Short“ (2015) die Finanzkrise von 2008 auseinandergerupft hat. In meiner losen Reihe mit Perspektiven und Denkangeboten zur Pandemie, habe ich diese Rezension aus dem Archiv geholt. Die Bestsellerverfilmung „Freakonomics“ ist ein feines Beispiel dafür wie unterhaltsam und fotogen man Wissenschaft ins Bild setzten kann. Dabei wird alles aufgefahren, was die Trickkiste der Dokumentarfilmer so hergibt. Mit viel Humor und einem Augenzwinkern unterhält „Freakonomics“ über weite Strecken gut, wenn auch inhaltlich nicht immer souverän.

Der Wirtschaftswissenschaftler Steven Lewitt und der Journalist Stephen Duffner haben 2009 ein populäres Sachbuch veröffentlicht, das Ursache und Wirkung wirtschaftlichen Handels besser verständlich machen soll: „Freakonomics – Überraschende Antworten auf alltägliche Lebensfragen“ lautet der deutsche Titel des Überraschungserfolges, das in 35 Sprachen übersetzt wurde und sich millionenfach verkauft hat.

Inzwischen gibt es auch weitere Bücher der Autoren. Dokumentarfilmer Eugene Jarecki setzt das Sachbuch mit einigen Co-Regisseuren filmisch um. Das Ergebnis ist ein im Wesentlichen unterhaltsamer und kurzweiliger Episodenfilm, der allerdings auch einige Schwächen hat.

Der große Reiz an der Idee zu „Freakonomics“ dürfte darauf zurückzuführen sein, dass die Autoren gesellschaftliche Phänomene untersuchen und dann eine oder mehrere Ursachen dafür präsentieren, die nicht gerade naheliegend sind und zumeist einen witzigen Aha-Effekt auslösen. Dabei geht es durchaus locker und populärwissenschaftlich zur Sache. Filmmacher Eugene Jarecki transportiert bei seinem Filmprojekt dieselbe Leichtigkeit. Der Film ist in Episoden unterteilt, die sich aus den Kapiteln im Buch ergeben, und diese werden jeweils mit Interviews der Autoren, einleitenden und überleitenden, häufig animierten Sequenzen verknüpft.

Nicht nur weil die Themen so unterschiedlich und vielfältig sind, hat Jarecki („Why We Fight“) noch andere Oscar-nominierte und -prämierte Dokumentarfilmer ins Projekt eingebunden. Morgan Spurlock („Supersize Me“) beschäftigt sich mit dem Effekt der Namensgebung auf das Leben von Kindern. Alex Gibney („Taxi to the Dark Side“) inszeniert das Betrugssystem beim japanischen Sumoringen. Eugene Jarecki selbst sorgt für die Zwischenspiele und für die Episode über die absinkende Kriminalitätsrate in den USA der 1990er Jahre. Rachel Gradi und Heidi Ewing zu guter letzt verbildlichen, ob sich Bestechung auch als positiver Anreiz benutzen lässt – anhand von Neuntklässlern, die ihre Noten verbessern sollen.

Das alles ist mit viel Witz und gelungenen abwechslungsreichen Bilder inszeniert und verdeutlicht dabei fünf essentielle Grundideen des Wirtschaftswissenschaftlers Steven Lewitt, die das gewohnte Denken vom Homo Oeconomicus auf den Kopf stellen. Doch der Unterhaltungswert des Films wird etwas getrübt. Der aufmerksame Zuschauer wird schnell feststellen, dass Lewitts Analysen und Fallbeispiele im Grunde genommen Zahlenjonglage mit Statistik sind, die dann auf soziologische Phänomene angewandt wird. Nicht jede Korrelation der Werte ist auch nachvollziehbar.

Schade auch, dass die Filmversion ausgerechnet die beiden politisch brisantesten Kapitel des Buches nicht umgesetzt hat: Den Mechanismus der Informationskontrolle bei Klu-Klux-Klan und Immobilienmaklern (womit wir elegant einen Bogen zu „The Big Short“ geschlagen hätten) und die Ökonomie des Drogenhandels. Vielleicht ist das der spezifisch Amerikanischen Fragestellung geschuldet, aber vor allem dem familiengerechten Unterhaltungswert des Filmes. Eine Altersfreigabe für ein jüngeres Publikum hätte es in den USA mit diesen beiden Kapiteln sicherlich nicht gegeben.

Zuschauer können sich einfach von der lebendigen Kurzweiligkeit der angewandten Wissenschaft unterhalten lassen, dann macht „Freakonomics“ über weite Strecken auch viel Spaß, vor allem Morgan Spurlocks Kapitel über die Namensgebung. Oder auch etwas kritischer Betrachten, was einem da angeboten wird: Das ist weniger Wissenschaft denn Popkultur. Nachdenken und Nachfragen ist also angesagt. Die Anregung zu selber denken ist den auch der wichtigste Impuls von Film und Buch. Das übrigens auch noch erfolgreiche Fortschreibungen und einen Blog hervorgebracht hat

Film-Wertung: 6 out of 10 stars (6 / 10)

Freakonomics
OT: Freakonomics
Genre: Doku, Wissenschaft
Länge: 93 Minuten, USA, 2010
Regie: Eugene Jarecki
Mitwirkende: Morgan Spurlock, Alex Gibney, Bill Gates
FSK: ab 6 Jahren
Vertrieb: Kinostar, Lighthouse Home Entertainment
Kinostart: 24.10.2013
DVD-VÖ: 21.02.2014

Freakonomics bei Magnolia Pictures (englisch)