Die Batman-Geschichte „Batmans Grab“ erstreckt sich über 12 US-Ausgaben und ist dann abgeschlossen. Wie so viele herausragende Geschichten um den Detektiv im Fledermauskostüm, ist auch diese losgelöst aus der Serien-Chronologie – oder besser gesagt zeitlos. Als Kreativ-Team hat DC zwei Meister ihres Faches an den Start geholt. Autor Warren Ellis und Zeichner Bryan Hitch entführen Batman auf eine abgründige Reise in die Seelen von Verbrechensopfern und auf die Spur einer vermeintlichen Geheimorganisation. Der erste Teil von „Batmans Grab“ ist extrem vielversprechend.
Alfred Pennyworth, seines Zeichens Butler der Familie Wayne und derzeitiger Mitstreiter Batmans, hat den Blues. Er macht sich Sorgen um das letzte noch lebende Mitglied der einstmals bekannten Gothamer Familie. Bruce Wayne ist derweil fast obsessiv jede Nacht unterwegs, um Verbrecher zu jagen.
Momentan arbeitet Batman mit einer neuen psychologischen Methode: ähnlich einem Profiler versetzt er sich in die Gedankenwelt der jeweils Beteiligten. Nur wählt Batman nicht die Täterperspektive, sondern jene der Opfer. Bei einem Notruf, dem von der Polizei aufgrund von Überlastung nicht nachgegangen wurde, stößt Batman auf einen Mörder, der noch am Tatort ist.
Vieles an dem Fall wirkt seltsam und unstimmig und so forschen Bruce Wayne und Alfred Pennyworth weiter, während Commissioner Jim Gordon einen rätselhaft zu Tode gekommenen stellvertretende Staatsanwalt untersucht. Batman wird einbezogen und stößt auf die Spur eines Doktor Hellfern, der scheinbar Designerdrogen verkauft oder gar herstellt.
Wenn Superstars am Werke sind, liegt die Messlatte immer überirdisch hoch, die Erwartungshaltung an etwas Außergewöhnliches ist sehr schnell geweckt. Obwohl „Batmans Grab Band 1“ diese Hürden großteils spielend überwindet, sollten sich Leser:innen am besten tunlichst von solcher Betrachtungsweise lösen. Denn: Ein guter Thiller und ein guter Superhelden-Comic sind unabhängig von klangvollen Namen. Wenn die Geschichte clever und stark ist, wenn Zeichnungen und Farbgebung in sich stimmig und atmosphärisch sind, dass ist es ein gutes Comic. Und nicht, weil Ellis und Hitch auf dem Cover stehen.
Das vorweggeschickt, nimmt sich Autor Ellis („Supergod“) die Zeit, die es braucht, um eine Geschichte aufzubauen. Die Charaktere sind zwar bekannt, müssen aber auch hier neu und unabhängig als handelnde Personen etabliert werden, bevor sich eine Geschichte entfalten kann.
Ellis ist ein souveräner Erzähler, der „Batmans Gab“ eher als einen Orientierungslauf anlegt, denn als Mittelstrecke auf bekanntem Stadionterrain. Es gibt Umwege, Hindernisse und nach US-Ausgabe 6, also dem Ende des ersten Panini-Sammelbandes, sind Leser:innen nicht viel klüger, worauf das Ganze hinauslaufen könnte. Das ist toll und packend erzählt, denn sonst wären wir nicht so lange dabei geblieben und würden nicht auf die weiteren Episoden warten.
Das Artwork in „Batmans Grab“ kann sich ebenfalls sehen lassen. Zeichner Bryan Hitch („Age of Ultron“) ist ein sehr variabler Künstler, der doch immer wieder Unverwechselbares und Großartiges schafft. Seine Szenarien, Totalen, Hintergrunde und Stadtlandschaften sind furios komponiert und in diesem Fall von Kolorist Alex Sinclair auch kongenial koloriert. Als Beispiel sein nur einmal die Seite genannt, in der Jim Gordon das Bat-Signal an den verregneten Himmel Gothams strahlt.
Außerdem hat Bryan Hitch einen eigenen Stil, seine Action- und Kampf-Sequenzen auszuführen. Er braucht kaum Soundeffekte und kommt quasi ohne Speedlines aus, also jene gezeichneten Striche, die die Bewegungen der Figuren begleiten. Das führt dazu, dass jedes Panel wie eine Momentaufnahme wirkt, der Film wirkt wie mit der Pausentaste angehalten und dann wieder gestartet. Stop-Motion nur mit den Stop-Momenten. Das mag sich abstrus anhören, aber es ist ein gravierender Unterschied in der Action-Wahrnehmung. Bei Bryan Hitch setzt sich die Kampf-Dynamik aus dem Ablauf der Einzelbilder zusammen. So arbeiten einige große Comic-Zeichner, etwa Steve Dillon („Hellblazer“) oder Dave Gibbons („Watchmen“) und als Leser:in muss mensch sich erst daran gewöhnen, bevor die sich die ganze Schönheit der Methode zeigt. Also, bislang ist „Batmans Grab“ ein Genuss auf ganzer Linie.
Nach der Hälfte einer Geschichte kann man eigentlich noch kein Fazit ziehen, aber „Batmans Grab“ lässt sich sehr vielschichtig, spannend und actionlastig an. Da sind viele Aspekte an der Story und an Batman, die dem Mitternachts-Detektiv tatsächlich neue Seiten abgewinnen können und sich zeitlos in die Batman Mythologie fügen. Ich bleibe gespannt und vergebe eine Zwischenwertung.
Comic-Wertung: (9 / 10)
Batmans Grab Band 1 (von 2)
OT: The Batmans Grave 1-6, DC Comics, 2020
Genre: Comic, Superhelden, Thriller
Autor Warren Ellis
Zeichner: Bryan Hitch
Farben: Alex Sinclair
Übersetzung: Christian Heiss
ISBN: 9783741620157
Verlag: Panini Comics, Softcover, 164 Seiten
VÖ: 28.09.2020