Gleich zu Beginn der Doku „Unser Boden, unser Erbe“ bringt Sterneköchin und Umweltaktivistin Sarah Wiener das Problem auf den Punkt: „Boden ist nicht sexy“. Dabei ist äußerste Haut der Erdoberfläche unser aller Lebensgrundlage. Aufklärung über das Thema hat Marc Uhligs Dokumentarfilm, den W-Film nun in die Kinos bringt. Auch wenn es an der einen oder anderen Ecke mal hapert: Ein empfehlenswerter Film.
Die Doku „Unser Boden, unser Erbe“ folgt vor allem dem Landwirt Achim Heitmann bei der Bewirtschaftung seines Demeter-Bio-Hofes. Gezeigt wird wie der Anbau von Gemüse und Getreide betrieben wird und der Landwirt, der in zweiter Generation bio-Bauer ist, lässt die Zuschauer:innen teilhaben an seiner Wirtschaftsweise, seiner Philosophie und seinem Weltverständnis.
Da Heitmann ein ebenso charmanter und beredter wie entspannter und achtsamer Zeitgenosse ist, fällt auch die Doku unterhaltsam aus. Schlicht weil man dem Protagonisten gerne durch sein Leben und seine Arbeit folgt.
Daneben kommen etliche Experten zu Wort, die sich mit dem Thema Boden auf unterschiedlichste Weise befasst haben und befassen. Doch Marc Uhligs Film ist weit davon entfernt ausschließlich redende Köpfe in Interviews vorzuführen. Leider verzichtet der Film auch auf Einblendungen von Diagrammen, Schaubildern, Tabellen und Animationen, die den Fakten zum Thema Boden etwas mehr Substanz und Dauerhaftigkeit verliehen hätten. Wahrscheinlich liegt dem eine bewusste Regieentscheidung zugrunde, um den Flow nicht zu stören und kein weiteres Fortbildungsformat vorzulegen.
»Ich wundere mich, dass der Mensch in der Stadt so wenig Existenzängste hat. Er ist ja absolut abhängig davon, dass auf dem Land etwas wächst.“ (Achim Heitmann, Demeter Landwirt)
Allerdings hätte es an der einen oder anderen Stelle nicht geschadet, ein Schema des Bodenaufbaus zu zeigen, oder jemanden das mit dem Spaten ausgestochene Bodenprofil detailliert beschreiben zu lassen. So bleibt die Information, dass Boden quasi die oberen bestenfalls 30 Zentimeter Erdauflage sind, in denen Organismen unter Einfluss von Licht und Wasser organische Substanz verarbeiten und in Humus umwandeln, doch eher allgemein. Nu je, die Bodenkunde ist ein eigenes Studienfach, das der Geowissenschaften zugeordnet ist, das passt selbstredend nicht alles in eine 80minütigen Film.
Der Boden also ist in Gefahr. Der Aufbau von Humus dauert seine Zeit. Boden entsteht über mehrere Jahrtausende und wird in der heutigen Landwirtschaft eher mit wachsendem Tempo verbraucht, als geschätzt oder als wichtige Resource bewahrt. Eine zeitlang geht so eine Bewirtschaftungsweise gut, weil Mineraldünger die Nährstoffarmut ausgelaugter Böden ausgleichen können. Geradezu erschütternd und ebenso offensichtlich ist dabei die Analyse, die Ernst Ulrich von Weizsäcker (international renommierter Umweltwissenschaftler, ehemaliger Präsident des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie) vorstellt:
„Wir müssen unterscheiden zwischen der leeren und der vollen Welt. Dann müssen wir diagnostizieren, dass alle Religionen, alle ökonomischen Doktrinen alle philosophischen Konstrukte die wir haben, in der leeren Welt entstanden sind. Also steckt die Welt in einer tiefen philosophischen Krise.“ (Ernst Ulrich von Weizsäcker)
Doch es geht nicht nur um diese Bodenverarmung. Es geht auch darum, dass Boden als Krume, als obere Erdschicht viel mehr kann, wenn er denn intakt ist. ein gesunder, locker krumiger Boden kann derartig viel Wasser speichern, dass Starkregenereignisse aufgefangen werden und nicht zu oberflächlichem Abfluss führen. Zudem speichert und bindet intakter Boden Kohlendioxid. Das trägt zu Klimaschonung bei und zwar deutlich effektiver als das Wälder tun könnten.
Doch stattdessen wird mit dem Boden verfahren, als liefere er nur die Anbau-Fläche. Weltweit und mit der sich ausweitenden Trockenheit in unseren Breitengeraden ist Bodenerosion, also der Abtrag der Krume ein großes Problem, nicht nur weil die Erde auslaugt und der Anbau immer aufwändiger wird, sondern auch weil es regelrechte Sandstürme gibt und die Prozesse des Bodenabtrags sich selbst immer weiter verstärken. Experten habenberechnet, dass der Boden die Menschheit nur noch maximal 100 Jahre ernähren kann.
»Dem Produkt sieht man nicht an, ob der Bauer seinen Humus aufgebaut hat oder nicht.“ (Urs Sperling, Demeter Landwirt)
Gegenmaßnahmen sind bekannt. Wie Humus aufgebaut wird weiß man ebenso wie in der guten gärtnerischen Praxis und in der Permakultur bekannt ist, dass Boden möglichst bedeckt sein sollte. In Hinblick und Ausblick auf mögliche und nötige andere Wege im Umgang mit der Resource Boden hält sich „Unser Boden, unser Erbe“ eher zurück, als dass hier Wege in die Zukunft aufgezeigt werden. Abgesehen von der biologisch dynamischen Landwirtschaft, von der schon länger bekannt ist, dass sie umweltschonender agiert. Also, weiterdenken ist nicht nur gestattet, sondern dringlich notwendig.
Im Grunde ist jedes Thematisieren der Umwelt- und Nachhaltigkeitsproblematik ein Gewinn für die Sache, eine Chance, sich mit der Zukunft unserer Spezies und unseres Planeten auseinanderzusetzen und so vielleicht das dringend notwendige Umdenken in vielen Bereichen voranzutreiben. Das gibt bei brutstatt.de immer einen Bonuspunkt.
„Unser Boden, unser Erbe“ stellt die Frage wie beziehungsweise wovon wir in Zukunft leben wollen? Für alle, die sich mit Gartenbau, Landwirtschaft oder verwandten Thema schon mal beschäftigt haben, hätte es sicher etwas mehr Information sein können. Als Einstieg in ein vermeintlich ödes, graues Thema ist „Unser Boden, unser Erbe“ auch Dank seiner Protagonisten eine überraschend lebendige Angelegenheit geworden.
Film-Wertung: (7 / 10)
Unser Boden, unser Erbe
OT: Unser Boden unser Erbe
Genre: Doku,
Länge: 82 Minuten, D, 2020
Regie: Marc Uhlig
Mitwirkende: Sarah Wiener, Ernst Ulrich von Weizäcker,
FSK: ohne Altersbeschränkung,
Vertrieb: W-Film
Kinostart: 08.10.2020