Jessica Jones: Blind Spot – Im Visier

Lange keine Superhelden mehr am Start gehabt. Andererseits ist Marvels „Jessica Jones“ inzwischen ja auch Ex-Superheldin und im Erwerbsleben Privatdetektivin. Nun ist bei Panini Comics eine neue knackige Miniserie über die toughe Lady erschienen, in der ein alter Fall neue Aufmerksamkeit einfordert. Das beeinflusst auch Jessicas Privatleben. Autorin Kelly Thompson erzahlt eine lesenswerte „Crime Noir“-Geschichte.

„Blind Spot – Im Visier“ beginnt mittendrin: Jessica Jones ist in einem knappen Latex-Superhelden-Outfit an einen Stuhl gefesselt unterhält sich mit ihrem unbekannten Gegenüber. In Rückblenden hangelt sich die Geschichte dann bis zur erzählerischen Gegenwart und darüber hinaus zur actiongeladenen Auflösung. Dabei gibt es ein paar Superhelden-Gastauftritte und am Ende ist dann alles ein großer Kindergeburtstag.

Worum geht es eigentlich? In ihrem Alias Detektei-Büro findet die Privatdetektivin Jessica Jones eine weibliche Leiche. Kurz darauf ist auch die Polizei vor Ort und nimmt die Detektivin fest. So richtig glaubt ihr niemand, dass sie nicht für die Leiche verantwortlich ist, aber Matt Murdock ist ein pfiffiger Anwalt und haut Jessica raus, damit die selbst ermitteln kann.

Die Leiche ist eine junge Frau, die vor ein paar Jahren verschwunden war, weil ihr besitzergreifender Freund sie bedroht hat. Jessica hat den Fall damals zwar begonnen, aber irgendwie aus den Augen verloren und nicht weiter untersucht. Nun aber ermittelt sie wieder und trifft auf dem Weg sowohl ihre Konkurrentin Misty Knight als auch die harte Elsa Boodstone, die eigentlich Besseres zu tun hat, als mit Jessica abzuhängen.

Ich musst mich wie auch bei Kelly Thompsons Neustart von „Captain Marvel“ erst mal in das Storytelling und die Dialoge einfuchsen, um zu erkennen, dass sich hinter den knackigen Sprüchen nicht nur Attitüde breitmacht, sondern die eigenständige, toughe und emanzipierte Art der Heldinnen auch zur Geltung kommt. Hier scheint eine neue Generation von Autorinnen an Start zu sein und das ist gut so.

Die Geschichte selbst ist klassisches Crime Noir mit Marvel-typischen Superhelden-Elementen. Das macht auch mit den privaten Verwicklungen über weite Strecken Spaß und ist leidlich spannend. Irgendwie hat’s dann aber nicht für die ganze Strecke von sechs US-Heften gereicht, so dass das letzte Kapitel ein bisschen drangehängt wirkt, was auch am unterschiedlichen Zeichen- und Farb-Team liegt.

Wo ich gerade dabei bin: Das Artwork von Mattia De Iulis in den ersten 5 US-Heften der Story kann sich sehen lassen auch wenn der Stil nicht zu meinen Favoriten gehört. Irgendwie erinnert mich das auch an den „Runaways“-Megaband. Die Charaktere sind arm an Schraffuren und stattdessen mit farbigen Schattierungen plastisch gemacht. Die Hintergründe sind weitgehend monochrom flächig und wirken etwas flach, immer wieder allerdings aufgepeppt von einigen detailreicheren Backdrops und ausgearbeiteten Bilddetails, die story-relevant sind. Die grafischen Action-Momente muten entsprechend CGI-artig an und die Soundeffekte trichtern sich ihren Weg durch die Panels.

Insgesamt ist die „Jessica Jones“ Mini-Serie spannend und wahrscheinlich auch nahe an der Netflix Serienverfilmung (wie ich häufiger gelesen habe). An die großen Abenteuer in den Panini Megabänden von Brian M. Bendis, der Jessica Jones quasi erfunden hat, kommt „Im Visier – Blind Spot“ nicht heran, gute Thriller-Unterhaltung ist die Serie aber allemal.

Comic-Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

Jessica Jones: Blind Spot – Im Visier
OT: Jones: Blind Spot 1- 6, Marvel Comics, 2020
Autorin: Kelley Thompson
Zeichner: Mattia De Iulis (1-5), Marcio Takara (6)
Farben: Mattia De Iulis (1-5), Rachel Rosenberg (6)
Übersetzung: Bernd Kronsbein
Verlag: Panini Comics, Softcover, 140 Seiten
VÖ: 04.08.2020

Jessica Jones: „Blind Spot – Im Visier“ bei Panini Comics