[Der Kinobetrieb in Deutschland läuft langsam und mit Auflagen wieder an; und doch ist vieles anders als vor der Corona-Pandemie. Ob die Kinos eures Vertrauens tatsächlich wieder bespielt werden, und ob die Filme auch bundesweit zum offiziellen Veröffentlichungstermin starten, lässt sich momentan nicht gewiss sagen. Sommer 2020] Es kann ziemlich schnell gehen, dass ein Mensch von seiner Umwelt für bekloppt gehalten wird. In Jeremy Gardeners Indie-Romanze mit Horror-Einschlag „After Midnight“ kriegt der Held, seit seine Freundin verschwunden ist, allnächtlich Besuch von einem Monster. Oder doch nicht?
Bevor es gleich an die Filmvorstellung geht, an dieser Stelle noch zwei Vorbemerkungen: zum Ersten ist der Film bereits auf DVD und VoD erschienen, weil der Verleih Dropout-Cinema die Termine während der Corona-Pandemie nicht mehr verschieben konnte. Die VÖ-Daten unten haben also ihre Richtigkeit.
Zweitens und wesentlich wichtiger: „After Midnight“ ist eine unabhängige Produktion, die mit sehr kleinem Budget auskommt. Manche nennen das als Genrebezeichnung „Mumblecore“, aber was soll so eine Schublade schon aussagen. Es bedeutet aber, es werden bewusst Abstriche bei der filmischen Umsetzung gemacht. Die Filmschaffenden kreieren ihre Vision mir geringen Mitteln. Ich persönlich mag das und es gibt quasi schon Extrapunkte, aber Zuschauer:innen müssen sich schon von der gewohnten Hochglanz-Optik herkömmlichen Filmschaffens lösen können, um Spaß an solcher Art von Film zu haben. Ansonsten lieber gleich zu Hause bleiben.
„You say i only hear what i want to…
Hank (Jeremy Gardener) lebt in auf einem alten, heruntergekommenen Landgut in den Südstaaten. Er träumt davon mit seiner großen Liebe Abby (Brea Grant) das Weingut wieder flott zu machen. Doch dann ist Abby eines Morgen einfach abgehauen und hat nur einen knappe Notiz am Kühlschrank zurückgelassen. Hank bleibt allerdings nicht lange allein: Kurz nach Abbys Verschwinden taucht jede Nacht ein Monster auf, dass zu Hank ins Haus will. Der wehrhafte Kerl begutachtet die Kratzspuren an der Haustür, verbarrikadiert sich nachts mit Flinte hinter der Eingangstür und geht auf Monsterjagd.
Hank meldet das unbekannte Wesen sogar bei seinem Polizistenkumpel. Doch wer glaubt schon einem überspannten Kerl, der offensichtlich unter Liebeskummer leidet. Sogar Jugendfreund Wade (Henry Zebrowski) geht eher aus Mitleid mit auf Monsterjagd. Doch dessen dumme Sprüche und schräge Theorien machen die Sache für Hank auch nicht besser.
Bereits mit seinen beiden vorangegangenen Filmen „Ben & Mickey versus The Dead (OT: Battery, 2012) und „Tex Montana will Survive“ (2015), den er wie „After Midnight“ mit Co-Regisseur Christian Stella realisierte, hat Jeremy Gardener seine eigenwillige Mischung aus Drama und Horror etabliert. Auch in „After Midnight“ geht es weniger um schockierende Horror-Effekte als um eine romantische Trauer, die thematisiert und scheinbar personalisiert wird.
...and you say i talk so all the time so“ (Lisa Loeb, „Stay (i missed you)“)
Für jeden außer Hank selbst ist offensichtlich, dass der Verlassene mit dem vermeintlichen Monster das Ende der Beziehung kompensiert. Dafür findet der mit geringem Budget produzierte Film einige starke und eindringliche Bilder und Situationen. Doch auch die nächtlichen Visionen, Halluzinationen oder Erscheinungen von Hank sind jeweils mit starkem Psychothriller-Moment inszeniert, so dass sich eine gewisse Grundspannung durch den Film zieht, die jederzeit auch ins Psychotische umschlagen kann.
Ein wenig erinnert „After Midnight“ mich in dieser Hinsicht an die Außenseiterstimmung von Jeremy Saulniers Thriller „Blue Ruin“ (2013), der auch mit knappem Budget und wenig Produktionsmitteln eine starke Atmosphäre zu erzeugen wusste.
An sich ist die Handlung in „After Midnight“ so schlicht wie es für einen Genrebeitrag notwendig ist. Durch die non-lineare Erzählung, in der Erinnerungsfragmente die Hintergrundgeschichte erst nach und nach mit Inhalt füllen, entsteht jedoch eine mysteriöse Komplexität zwischen Realität und Wahn, die von dem bärtigen, durchdringen schauenden Jeremy Gardener hervorragend ausgedrückt wird.
Das eigentlich Wunderbare an „After Midnight“ ist allerdings wie erdig und abgehalftert realistisch die ländlichen USA und die eigenwilligen Typen in diesem Streifen rüberkommen. ein film, in dem kaum etwas größer als das Leben ist, wie man das sonst aus polierten Kinoproduktionen kennt. Und selbstredend ist hier wenig so wie es scheint oder gezeigt wird. Aber Karaoke geht immer.
Film–Wertung: (7 / 10)
After Midnight
OT: After Midnight
Genre: Romanze, Horror,
Länge: 83 Minuten, USA, 2020,
Regie: Jeremy Gardener,
Darsteller: Jeremy Gardener, Brea Grant, Henry Zebrowski
FSK: ab 16 Jahren
Vertrieb: Drop-out Cinema
Kinostart: 16.07.2020
DVD- & BD-VÖ: 30.05.2020