The Magic Order 1: Kaputter Familienzauber

Magisches und Übersinnliches sind spätestens seit dem horrenden Erfolg von „Harry Potter“ salonfähig. Nun hat Comic-Superstar Mark Millar eine magische Mini-Serie vorgelegt, die weit mehr ist als eine erwachsene Version des Harry Potter Themas. In „The Magic Order“ geht es einer Zauberer-Familie an den Kragen. Als erster Netflix-Comic überhaupt fand „The Magic Order“ in den USA reißenden Absatz. Nun veröffentlicht Panini den Titel auch auf Deutsch.

Dass wir hier nicht von abgeschmackter Bühnenzauberei und Taschenspieler-Tricks reden, versteht sich wohl von selbst? Nein, Magie ist in „The Magic Order“ etwas ganz Reales, eine Kraft, ein ganzes Universum, das unter beziehungsweise hinter unserer sichtbaren Welt liegt. Warum wir Normalos davon nichts mitbekommen? Weil es einen Geheimorden gibt, der die Welt vor der bösen und zerstörerischen Magie beschützt und zwar mit guter Magie.

Zugfälligerweise besteht dieser magische Orden ausschließlich aus Mitgliedern der Familie Moonstone. Wer weiß wie Mondstein-Kristalle funkeln, wenn man sie intensiv betrachtet, den wird es nicht wundern, dass auch in dieser Familie Risse, Kratzer und Brücke zu finden sind. So wurde etwa die ambitionierte Madame Albany aus dem Orden und dem Familienverband ausgestoßen, obwohl sie selbst sich als rechtmäßige Erbin der Ordensführung empfindet. Stattdessen ist Cousin Leonard Moonstone am Drücker.

Doch der kommt nun in die Jahre und die Nachfolge ist unter seinen drei Kindern noch nicht so richtig geklärt. Der Stammhalter und mächtigste Zauberer wäre zwar Gabriel, der Älteste, aber der hat der Magie abgeschworen, seit sie für einen tragischen Zwischenfall verantwortlich war. Gabriel will mit seiner Familie nichts mehr zu tun haben.

Nun wäre da noch Reagan, der nicht sonderlich begabt, aber loyal ist und Cordelia, die leicht durchgeknallt wirkt, aber magisch Einiges auf den Kasten hat. Leider scheint sie weder berechenbar noch verantwortungsbewusst. Wer sonst würde sich auf einem Kindergeburtstag so daneben benehmen, dass sie verhaftet wird?

Weil Ärger sich selten ankündigt, taucht ausgerechnet nun, als Leonard Moonstone über seine Rente nachdenkt, ein mysteriöser Killer-Magier auf und dezimiert den Moonstone-Clan. Tja, wer hätte da nicht als erstes die eifersüchtige Albany in Verdacht. Aber wo kommt bloß dieser mächtige und brutale Killer her?

„The Magic Order“ ist nun also der erste Comic, den Millar für Netflix entwickelt hat, und für den Sender ist dies der erste Comic, den Netflix veröffentlicht. Wie bereits in den letzen Veröffentlichungen für Millarworld („Empress“, „Kick-Ass: Frauenpower“, „Reborn“), entwickelt Mark Millar seine Geschichten über einen Bogen von sechs US-Heften, was dann jeweils zu abgeschlossenen Abenteuern führt, die zwar eigenständig sind, aber auch das Gefühl vermitteln, Millar könnte bei Erfolg jederzeit weitererzählen. Darin macht „The Magic Order“ trotz eines furiosen Finales keinen Unterschied.

Ich werde mich an dieser Stelle nicht über den Netflix-Millarworld-Deal auslassen, der es dem ohnehin schon erfolgreichen Comic-Autor ermöglicht für den Pay-TV- und Streaming-Sender Netflix Stoffe zu entwickeln und umzusetzen. Egal, ob als Comic, Serie oder Film Millar darf sich nun austoben und hat nicht nur großartige Illustratoren an der Seite, sondern auch ein ganzes Team im Rücken, das bei der Entwicklung zur Verfügung steht. Hört sich fast an wie Disneys wunderbarer Filmkosmos im Marvel Cinematic Universe. Mark Millar und Netflix sei es gegönnt und wir hoffen auf erfolgreiche und lesenswerte Zusammenarbeit.

Die Geschichte in „The Magic Order“ ist solide aufgebaut, beginnt mit einem düsteren Shockmoment und entwickelt sich anschließend mit der von Millar perfektionierten Mischung aus Spannung und Coolness, aus politischer Inkorrektheit und Heile-Welt-Schilderung. Es ist wirklich erstaunlich, wie es Millar immer wieder gelingt, allen Zielgruppen etwas Zucker zuzuwerfen und sich dabei auch noch erstaunlich originell aus Popkultur und Literatur zu bedienen, um etwas Typisches zu erschaffen. Nicht umsonst wirbt der Panini Shop mit dem Slogan: „Kick-Ass-Fantasy zwischen „Der Pate“, „Die Sopranos“ und „Harry Potter“!“

Mit Zeichner Olivier Coipel und den begnadeten Koloristen Dave Stewart sind Millar zwei echte Könner an die Seite gestellt. Das Artwork ist großartig und abwechslungsreich. Die Hintergründe und Farbschemata sind zum niederknien düster, nur um dann im richtigen Moment farbig zu explodieren. Vor allem die Action ist wahnwitzig und sehr dynamisch umgesetzt. Das liegt auch am grafischen Erzählen, das in seiner Abfolge und seinen Mitteln sehr filmisch angelegt ist und ganz nahe am Mystery-Thriller-Genre gehalten. Das ist gefällig und unterhaltsam, souverän und kantig genug, um nicht zu glatt und mainstreamig rüberzukommen.

Zugegeben, ich habe einige Anläufe gebraucht, um „The Magic Order“ überhaupt anzufangen. Der Storyauftakt war mir zu Effekt heischend und wirkte zu gewollt. Ungefähr so, als wolle ein Horrorfilm unbedingt eine Alterseinstufung für Erwachsenen, die den Film dann erst für die Teenies interessant macht. Aber anders als zweitklassige Horror-Filme ist „The Magic Order“ einfach stark und immer wieder überraschend.

Comic-Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

The Magic Order 1
OT: The Magic Order 1-6, Netflix, 2018
Genre: Comic, Thriller, Mystery
Autor: Mark Millar
Zeichner: Olivier Coipel
Farben: Dave Stewart
Übersetzung: Bernd Kronsbein
Verlag: Panini Comics, Softcover, 180 Seiten 180
VÖ: 28.05.2019

The Magic Order bei Panini Comics