Serien sind das neue Kino; das zumindest wird schon seit längerem behauptet. Das ZDF produziert seit Jahren regelmäßig „Event-Mehrteiler“, die im Grunde genommen als Mini-Serien funktionieren und zur besten Sendezeit in mehreren spielfilmlangen Fortsetzungen einen epischen Erzählbogen ausbreiten. Das Prinzip gilt genauso für das hochgelobte „Unsere Mütter, unsere Väter“ wie für die Unterhaltungsformate „Hotel Adlon“ oder „Kuhdamm 96“. Die Bestseller-Verfilmung „Bella Germania“ nach dem Roman von Daniel Speck erzählt über drei Generationen eine Familiengeschichte zwischen Wirtschaftswunder und Gastarbeiteralltag. In dem familienfreundlichen Dreiteiler geht es mit ganz viel Gefühl, Drama und Herzschmerz zu.
Nach einer völlig verkorksten Modenschau der jungen Modedesignerin Julia (Natalia Belitski) taucht ein älterer Mann bei ihr auf und behauptet, er wäre ihr Großvater. Die junge Frau kennt ihre Familie väterlicherseits nur aus Erzählungen ihrer Mutter Tanja (Andrea Sawatzki). Die engagierte Journalistin behauptet weiterhin hartnäckig, Julias Vater, Sproß einer italienischen Gastarbeiterfamilie, habe sich vom Acker gemacht, als Julia ein kleines Kind war und würde nicht mehr leben. Julia hakt nach und glaubt dem gerade kennengelernten vermeintlichen Großvater. So macht sich die Münchnerin auf die Suche nach ihrem Vater und taucht tief ein in ihre Familiengeschichte.
Die beginnt damit, dass in den 1950er Jahren der deutsche Ingenieur Alexander Schlewitz (Christoph Letkowski) von München nach Italien geschickt wird, um ein kleines, erschwingliches Automobil für den deutschen Markt zu lizensieren. In der italienischen Automobil-Firma spricht nur die junge Sekretärin Giulietta (Silvia Busuioc) ein wenig deutsch. Der Ingenieur verliebt sich in die Sekretärin, doch die ist bereits verlobt. Von Alexander geschwängert, heiratet Julia pflichtbewusst ihren Verlobten Enzo.
Während Alexander wieder nach München geht, wächst Giuliettas Sohn Vincenzo in Italien auf. Giuliettas Bruder geht etwas später als einer der ersten italienischen Gastarbeiter in das Wirtschaftswunder-Land Deutschland und Jahre danach folgt ihm auch Giuliettas Familie. Vincenzo wächst heran, wird zu einem rebellischen jungen Mann (Kostja Ullmann) und lernt die junge linke Aktivistin Tanja (Maren Lohse), Julias Mutter, kennen. In Rückblenden und Episoden erzählt, erfährt Julia immer mehr über die Familie ihres Vaters und die tragische Liebe zwischen Giulietta und Alexander.
Der Schriftsteller Daniel Speck hat mit seinem Roman „Bella Germania“ eine äußerst populäre Familiengeschichte geschrieben, die von den spießigen 1950ern an am Beispiel von Julias Familiengeschichte wichtige Stationen der deutschen Nachkriegsentwicklung aufgreift und erzählt. Daniel Speck gilt auch als offizieller Drehbuchautor der ZDF-Verfilmung. Als Reaktion auf einen Besprechung bei Zeit-Online, erwähnt der Autor jedoch, dass sein Drehbuch nachträglich überarbeitet wurde und das ZDF bestätigt, dass es bei umfangreichen Mehrteilern üblich sei, diese von „Script-Doktoren“ noch in Form bringen zu lassen.
Es mag also bei „Bella Germania“ durchaus Diskrepanzen zwischen Roman und TV-Verfilmung „nach Motiven aus dem Roman“ geben. Erwähnenswert ist das deshalb, weil gerade das erste Kennenlernen von Alexander und Giulietta – Mitte der 1950er Jahre – nur so vor Klischees, Pauschalisierungen und gruseligen Rollenbildern aus der Mottenkiste strotzt. Der deutsche Ingenieur muss den Italienern erst einmal demonstrieren, wie ihr Auto einen Elchtest übersteht. Zur Belohnung gibt es ein familiäres Spaghetti-Essen im Sonnenschein der Teststrecke. Jahre später bedankt sich Alexander im Gegenzug bei Giuliettas Bruder mit einem „Toast Hawaii“.
Die junge Sekretärin Giulietta will eigentlich höher hinaus und entwirft in ihrer Freizeit Mode. Den familiären, erzkatholischen Zwängen kann sie jedoch nicht entkommen. Obwohl das Feuer der Leidenschaft seine Spuren hinterlassen hat und der deutsche Ingenieur durchaus Ehrenmann ist und heiratswillig, entscheidet sich die Umworbene aus Pflichtgefühl für den vorgesehenen italienischen Ehemann. Und das Drama nimmt seinen Lauf.
Auch in späteren Situationen liegt die Familienchronik „Bella Germania“ nahe am Klischee, aber längst nicht mehr so drastisch und so überheblich deutsch wie das von vielen Menschen in den EU-Partnerländern ja auch gerne in den letzten Jahren immer wieder empfunden wird. Einige dramaturgische Entscheidungen in dem 270minütigen Familienepos „Bella Germania“ wirken ein wenig altbacken, wie etwa die bebildernde Untermalung der Heimatbriefe des Gastarbeiters oder auch die flapsig, naive Aktivistenszene zu Beginn der 1970er Jahre, die definitiv auf die Anfänge der RAF anspielt. Insgesamt ist es durchaus legitim diese Aspekte dem Primat der Unterhaltung unterzuordnen. Herausragende Serienunterhaltung wird so allerdings nicht produziert. Da braucht es mehr Ecken und Kanten.
Die Bestseller-Verfilmung „Bella Germania“ ist ein familienfreundliches Format, das vor allem unterhalten will. Dabei werden leider gerade zu Beginn, wenn es um die Wirtschaftswunderjahre geht, erstaunlich viele Klischees verbraten, die es den Zuschauern schwer machen, dem Familienschicksal zu folgen. Das mag vorrangig der TV-Inszenierung und nicht der Geschichte geschuldet sein. Später geht das Sendeprinzip auf, es wird etwas lebhafter in der Familienchronik und Herzeleid und Tragik wissen eher zu überzeugen. Romantische Verwirrungen gibt es auf jeden Fall zur Genüge.
Serien-Wertung: (5 / 10)
Bella Germania
Genre: TV-Serie, Drama, Familie
Länge: 270 Minuten, (3 x 90), D, 2019
Regie: Georg Schnitzler
Romanvorlage: Daniel Speck „Bella Germania“
Darsteller: Natalia Belitski, Marleen Lohse, Kostja Ullmann, Christoph Letkowski, Silvia Busuioc,
FSK: ab 6 Jahren
Vertrieb: Edel: Motion, ZDF-Enterprises
DVD-VÖ: 05.04.2019