Sorry, der „Thanos“-Megaband 1 „Tödliche Titan“ hat schon zwei Monate auf dem Buckel, bevor ich dazu komme, den wirklich lesenswerten Marvel-Serienhit vorzustellen. Anfang April hat Panini Comics den ersten Jahrgang der neuen „Thanos“-Solo-Serie veröffentlicht, der von Jeff Lemire geschrieben wurde und in den USA bei den Lesern ziemlich gut angekommen ist. Absolut berechtigt, wie ich nach eigener In Augenscheinnahme sagen kann.
Zugegeben, nach dem letzten „Avengers“-Blockbuster „Infinity War“ und dem damit verbundenen Thanos-Hype auf dem superhelden-Sektor war ich mehr als skeptisch, ob die neue Serie was werden konnte. Jeff Lemire zählt seit „Essex County“ und „Sweet Tooth“ zu meine absoluten Lieblingsautoren, aber seit er für die großen Comic-Verlage DC und Marvel jeweils exklusiv schreibt, ist nicht jeder Titel den Lemire in die Finger bekommt auch wirklich gelungen. Während ich an „Superagent Frankenstein“ echt Spaß hatte, wollten mir „John Constantine“ und auch „Animal Man“ nicht wirklich gefallen. Bei Marvel ging es dann mit der Übernahme der „Hawkeye“-Serie sehr gefällig weiter, aber der „Moon Knight“-Run von Herrn Lemire war doch sehr speziell ausgefallen, und nicht allen Storywendungen mochte ich aufmerksam und gebannt folgen. Aber nun zurück zu „Thanos“ dem kosmischen Bösewicht.
Kurz zur Klärung der Eckdaten. Thanos ist ein Titan (angelehnt an die griechische Mythologie), der wie sein Bruder Eros vom Planeten Titan stammt (im Marvel Universum). Seien Heimatplaneten hat der 1973 von Jim Starlin kreierte Thanos schlicht platt gemacht, um das Gleichgewicht im Universum wieder herzustellen. Anschließend in den 1990ern (und damit relevant für die Filmhistorie im Marvel Cinematic Universe –MCU –wollte Thanos die Hälfte des Universums seiner großen Liebe Lady Death aka Mistress Death opfern (das kann man in „The Infinity Gaumtlet“ nachlesen.
Autor Jim Starlin und Zeichner Ron Lim haben in den 1990ern noch zwei weitere Infinity-Geschichten geschrieben („Infinity War“ & „Infinity Crusade“) und dann erst einmal Pause gemacht, bis das lila Felsengesicht im Abspann eines Avengers-Films auftauchte und man in den USA weiter (auch bei Panini veröffentlichte „Thanos“-Abenteuer auf die hungrige Leser-und Zuschauerschaft loslassen konnte. Erwähnen will ich an dieser Stelle auch die erste Thanos-Soloserie, die in den USA im Jahr 2004 herauskam und über zwölf US-Ausgaben lief. Außerdem hat Jason Aaron vor ein paar Jahren noch einmal die Origin-Story von Thanos als Mini-Serie aufgeschrieben.
Nach diesem ganzen Nerdwissen wird eventuell klar, warum meine Vorfreude auf den „Thanos“ Megaband 1 nicht so ganz ungetrübt ist, zumal der galaktische Kollege quasi allmächtig ist. Aber dann holt Jeff Lemire doch eine Wendung aus der Trickkiste, die seinerzeit auch schon Garth Ennis dazu benutzte, den „Hellblazer“ John Constantine wiederzubeleben: er lässt ihn sterben.
Nun, zumindest ist Thanos sterbenskrank und zufälliger Weise bekommt sein Sohn Thane davon Kunde und hält dies nun für seine Chance, den Platz des Vaters einzunehmen. Dazu braucht er ein Team, mit dem es ihm gelingen kann, in Thanos Nähe zu kommen. Die Weltraumpiratin Nebula ist ebenso schnell überredet Thanos ans Leder zu gehen, wie der mächtige Krieger Tryco Slatterus, der zugegebenermaßen etwas an Selbstüberschätzung leidet, aber mit Thane zusammen im Knast saß. Dann wäre da noch Thanos Bruder Eros alias Starfox, der sich der riskanten Unternehmung anschließt.
Thanos selbst weiß derweil noch nichts von dem drohenden Thronsturz, denn er ist vollauf damit beschäftigt, seine Macht im Schwarzen Quadranten wieder herzustellen. Dort hatte sein ehemaliger General Corvus Gleive die Herrschaft in dem Glauben übernommen, dass Thanos sich vom Acker gemacht hätte. Weit gefehlt.
Damit wären die Eckpfeiler der Geschichte umrissen, die Star-Autor Jeff Lemire in den ersten 12 US-Ausgaben der Thanos-Serie (Volume 2) zu erzählen gewillt ist. Inzwischen hat Lemire die Serie nach dem Abschluss seines großartigen Storybogens zwar verlassen, aber mit dem Kreativteam Cates Und Shaw läuft die Serie erfolgreich weiter. Lemire zeigt in der Thanos Story sein ganzes Können und holt aus dem epischen und kosmischen Setting einiges heraus, was man vorher nicht unbedingt erwartet hatte. Dazu gehören auch Marvel-Charaktere aus der zweiten Reihe und wirklich überraschende Wendungen. Dabei bleibt die ziemlich düstere Serie in gewisser Weise auch der philosophischen Ausrichtung von Jim Starlin treu, der auch immer wieder die Grenzen des Seins hinterfragte. Genauso besinnt sich Lemire auf die Ursprünge von Thanos aus aus der freudschen Psychologie, wo das Gegensatzpaar Eros und Thanatos – quasi Sex und Todestrieb – die beiden Antriebsfedern des Lebens bilden.
Das Artwork in dem „Thanos“ Megaband 1 weiß insgesamt zu gefallen und ist in zwei Hälften gesplittet, die jeweils von einem Zeichner und Koloristen-Team gestaltet werden. Dabei kommt Zeichner Mike Deodorato („Batman Niemandsland“) und Kolorist Frank Martin („East of West“) das Privileg zu, die ersten fünf US-Ausgaben zu gestalten. Was dort an Düsternis, Action, kosmischer Inszenierung und vor allem offenem Panneling und atmosphärischer Farbgebung aufgefahren wird, ist wahrlich stark und atmosphärisch dicht. Die Orange-Töne kontrastieren die Dunkelheit der Geschichte und die Schraffuren sorgen für eine unglaubliche Dynamik in den Zeichnungen. Abgerundet wird das Ganze, das beizeiten an selige Frank Frazetta Artworks erinnert, mit tollen Urknall-Szenen.
Für die restlichen sieben US-Ausgaben, die in dem Megaband enthalten sind, übernehmen Zeichner Germán Peralta („Moon Knight“) und die Koloristin Rachelle Rosenberg („Spider-Woman“). Auch deren Artwork kann sich sehen lassen und überzeugt mit stimmiger Atmosphäre und einer gewissen Düsternis, der allerdings das Hypnotische abhanden gekommen ist. Insgesamt wird die „Thanos“ Serie dadurch etwas mehr mainstream-kompatibel und geht optisch eher in Richtung Space-Opera. Der Qualität und der Spannung tut das aber keinen Abbruch.
Der „Thanos“-Mgaband 1: „Tödlicher Titan“ zeigt den kosmischen Bösewicht aus dem letzten Avengers-Film „Infinity War“ am Abgrund. Autor Jeff Lemire gelingt es mit zwei großartigen Artwork-Teams eine ebenso packende wie überraschende Geschichte zu erzählen, die alles hat, was man von einem düstern Weltraum–Abenteuer erwarten darf. Vorsicht Suchtgefahr.
Comic-Wertung: (9 / 10)
Thanos Megaband 1: Tödlicher Titan
OT: Thanos (Volume 2) 1-12, Marvel Comics,2017,
Autor: Jeff Lemire
Zeichner: Mike Deodato Jr., Germán Peralta
Farben: Frank Martin, Rachelle Rosenberg
Übersetzung: Alexander Rösch
Verlag: Panini Comics, Softcover, 268 Seiten
VÖ: 03.04.2018