Wer sich über die Weihnachtsfeiertage gerne ein bisschen Martial Arts und auch Filmkunst zu Gemüte führt, ist mit Wong Kar Weis „The Grandmaster“ ziemlich gut bedient. Man müsste sich das bildgewaltige Epos von Chinas Regie-Altmeister Wong Kar Wei zwar wegen der sehr poetisch choreographierten Bilder eigentlich auf großer Leinwand anschauen, aber der Film wirkt auch auf einem kleinen Bildschirm. Der Regisseur von „My Blueberry Nights“ und „In the Mood for Love“ legt eine sehenswerte filmische Biografie von Martial Arts Meister Ip Man und einen gelungenen, gestylten Kung Fu Film vor.
Wäre er nicht der Meister von Kampflegende Bruce Lee gewesen, so würde man den posthum zum Großmeister der Kampfkünste gewürdigten Ip Man (oder auch Yip Man geschrieben) heute kaum noch kennen. Wer auf reine Martial Arts Action steht, sollte sich lieber Wilson Yips „Ip Man“ anschauen, das dem Meister der Kampfkunst ein eher krawalliges Epos auf den Leib schreibt. Wong Kar Wei hingegen erzählt in rund zwei Stunden mit durchweg imposanten Bildern die Lebensgeschichte des Ip Man.
Das Storytelling wirkt durchweg ein wenig bieder und kann nicht immer überzeugen, weil die herausgestellten Episoden und Ereignisse immer auch von der Erzählstimme des Kämpfers aus dem Off begleitet und mit Zwischentiteln werden die Szenenwechsel eingeläutet werden. Doch das Fragmentarische bleibt nicht aus, wenn man im Filmkonzept eine Lebensspanne vom mehreren Jahrzehnten ausleuchtet.
Der Ip Man
Nun aber zur Handlung: Ip Man (Tony Leung) kann sich wegen seiner wohlhabenden Herkunft ganz seinem Hobby dem Kung Fu widmen. Bis zu seinem vierzigsten Lebensjahr muss er sich nicht um seinen Broterwerb kümmern. Obwohl in Fushan, im Süden Chinas in den 1930ern etliche rivalisierende Kampfsportschulen um die Gunst der Schüler werben, lehrt Ip Man selbst nicht.
Doch die Rivalität mit der Kampfkunst des Nordens und dem abtretenden Großmeister Gong Yutian (QingXiang Wang) gebietet es, das die Stadt Fushan dann einen Kämpfer auswählt, die Wahl fällt auf Ip Man. Dessen Tochter Gong er (Zhiang Zhi) und dessen Ziehsohn Ma Shang (Thiang Jin) haben jeweils eine Kampfkunstschule geerbt. Da mutet Ip Mans recht simpler Stil Wing Chun leicht zu besiegen an. Doch es ist nicht die Schule, die den Kämpfer ausmacht, sondern dessen Fertigkeit.
Als die Japaner 1938 China besetzten, gehen die Kampfkünste beinahe verloren. Die Menschen leben in bitterer Not und haben anderes im Sinn. Später nach Ende des Zweiten Weltkrieges begibt sich Ip Man nach Hongkong und wird dort Wing Chun Lehrer.
Kung Fu als Philosophie und Kunstform
Anders als die Wilson Yip’s Filmtrilogie „Ip Man“ will Filmmmacher Wong Kar Wei mit seinem Zeitenportrait die Traditionen verdeutlichen. Während die Ära der 1930er und die Besatzung Fushans durch die Japaner dem Film von 2008 im Wesentlichen dazu dient, Ip Man eine Martial Arts Projektionsfläche zu schaffen und den Kampfmeister als Volkshelden zu stilisieren, inszeniert Wong Kar Wei den Kampf als imposantes Ballett: hochgradig stilisiert und bis ins Detail auschoreografiert. Kung Fu als Philosophie und Kunstform.
Die Bildgewalt und die opulente Ausstattung des Films macht erzählerische Unzulänglichkeiten dann auch mehr als wieder wett. Es gelingt „The Grandmaster“ ein zugleich authentisches wie auch poetisch überformtes Bild der Leidenschaft für das Kung Fu zu malen. Mit breitem Pinselstrich und gestützt auf jahrlange Recherche erwacht „The Grandmaster“ zum Leben.
„The Grandmaster“ ist also eher ein Martial Arts Film für jene, die im Kampfsport an der Poetik der Bewegung und der Philosophie interessiert sind. Das ähnelt auch der spektakulären Fantastik chinesischer Blockbuster wie „Hero“ oder „Tiger and Dragon“. Und so kann man „The Grandmaster“ im Oevre von Filmmacher Wong Kar Wei auch beinahe als wohlkomponiertes „Alterswerk“ verstehen.
Film-Wertung: (7 / 10)
The Grandmaster
OT: Yi dai zong shi
Genre: Action, Drama, Biografie
Länge: 123 Minuten, China, Hongkong 2012
Regie: Wong Kar Wai
Darsteller: Tony Leung Chiu Wai, Ziyi Zhang, Chen Chang, Cung Le, Hye-kyo Song, Siu-Lung Leung, Julian Cheung, Benshan Zhao, Qingxiang Wang
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Wild Bunch, Universum
Kinostart: 27.06.2013
DVD- & BDVÖ: 29.11.2013