Der mehrfach international ausgezeichnete israelische Dokumentarfilmer Tomer Heymann zeichnet die Stationen und die Karriere des israelischen Tänzers und Choreographen Ohad Naharin alias „Mr. Gaga“ nach. Nach dem sehenswerten dokumentarischen Portait des Choreographen Martin Schläpfer von Anette von Wangenheim, ist dies bereits das zweite filmische Tanzschmankerl des Jahres. Beide sind Stars ihrer Zunft und gelten als Erneuerer und wichtiger Impulsgeber des Tanzes.
Der 1952 geborenen Ohad Naharin wuchs in den ersten Jahren seines Lebens in einem Kibbutz auf, was seine Persönlichkeit nach eigener Aussage nachhaltig geprägt hat. Erst nach seiner Militärzeit und im Alter von 22 Jahren kommt Naharin zum professionellen Tanz. Doch aufgrund seiner ungewöhnlichen Bewegungen wird er schnell zu einem wichtigen Bestandteil der Batsheva Dance Company. Er folgt einer amerikanischen Choreografin nach New York, versucht sich dort als Tänzer und lernt seine spätere Frau kennen, die zu der Zeit schon ein Ballettstar ist.
Der unbekannte Israeli, der von sich selbst sagt, er habe das klassische Ballett nie wirklich gelernt, konnte es nur sehr gut imitieren, probiert aus, lernt, entwickelt sich. Immer wieder kommt es in den New Yorker Jahren zu kleinen, aber innovativen Tanzaufführungen, die Naharin mir unterschiedlichen Tänzerinnen und Tänzern choreographiert. Schließlich hafindet er eine eigene Formensprache.
Aber erst als der Israeli als künstlerischer Leiter der Batsheva Dance Company in seine Heimat zurückkehrt, wird er zu einer Berühmtheit der Ballett-und Tanzszene. Körperliche Probleme zwingen Naharin, die eigene Tanzkarriere an den Nagel zu hängen. Aber als Choreograph bereichert er das Ballett um moderne Sounds und neue Bewegungen. In dem Zusammenhang wird auch das bewegungstherapeutische Konzept „Gaga“ wichtig. Und die neuen Choreografien führen langsam aber stetig zu einer massiven Verjüngung des Ballettpublikums.
Heute gilt Ohad Naharin als einer der einflussreichsten Tanzschaffenden und einer der bedeutendsten zeitgenössischen Choreographen der Welt. Dazu hat seine Methode Gaga weltweit als Bewegungstherapie und Tanzsprache Beachtung erlangt. Bei Gaga geht es grob vereinfacht gesagt, darum die eigene Körpererfahrung in Bewegung und Energie umzusetzen und so eine Rückkoppelung zu Physis und Emotionen zu erzeugen.
Dokumentarfilmer Tomer Heymann zeichnet die Stationen und die Karriere von „Mr. Gaga“ eher konventionell nach. Während die Interviewsequenzen und Kommentare von Ohad Naharin sämtlich aus dem Off zu hören sind, gruppiert der Film das Archivmaterial mehr oder weniger in chronologischer Reihenfolge. Nicht immer sind die Bildqualitäten des bis zu vierzig Jahren alten Materials wirklich hochauflösend anzuschauen, aber inhaltlich sind die Einblicke in die privaten Momente und vor allem in die Tanzaufnahmen aus der New Yorker Zeit absolut beachtlich und tänzerisch sehr beeindruckend.
Es gibt nicht viele gelungene Tanzfilme und Wim Wenders „Pina“ zählt nicht nur wegen der 3D-Aufnahmen und der künstlerischen Annäherung nach wie vor zu den Highlights des dokumentarischen Tanzfilms. „Mr. Gaga wählt einen konventionelleren, biografischen Ansatz. Das ist – wie anfangs erwähnt -in der Herangehensweise ähnlich wie Anette von Wangenheims Film-Porträt von Martin Schläpfer, das unter dem Titel „Feuer bewahren, nicht Asche anbeten“ im Februar in die Kinos kam. Nur setzt Tomer Heymann eben auf Kosten der Hochglanz-Tanzaufnahmen eher auf historisches Archivmaterial.
Wer sich für modernen Tanz und Ballett interessiert,wird faszinert sein. Darüber hinaus ist „Mr. Gaga“ ein empfehlenswertes Filmportrait. Der Tänzer und Choreograph Ohad Naharin ist auch eine ebenso schillernde wie charismatische interessante Persönlichkeit und die Doku vermittelt auch ein Gefühl für die Veränderungen des Zeitgeistes der letzten Jahrzehnte.
Film-Wertung: (7 / 10)
Mr. Gaga
OT: Mr. Gaga
Genre: Dokumentarfilm, Tanz, biographie
Länge: 103 Minuten, ISR, 2015
Regie: Tomer Heymann
Mitwirkende: Ohad Naharin, Batsheva Dance Company, Natalie Portman
FSK: ohne Altersbeschränkung
Vertrieb: Farbfilm
Kinostart: 12.05.2016
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