Hardcore: Ego-Shooter-Kino

Hardcore_06-vorschauMal ganz ehrlich und vorneweg: Mit Computerspielen habe ich nicht viel am Hut. Was nicht auf grundsätzliche Abneigung zurückzuführen ist, sondern vor allem auf akuten Zeitmangel. Ich sitze sowieso schon zu lange vor Rechnern oder Leinwänden herum. Die Faszination kann ich aber nachvollziehen. Jetzt kommt mit „Hardcore“ ein Action-Thriller in die Kinos, der ausschließlich aus First-Person-Shooter-Perspektive gedreht ist. Ein erstaunliches und auch ziemlich hektisches Unterfangen, das wie der Titel schon sagt nur für hartgesottene Zuschauer zu empfehlen ist.

In der Games-Szene gehören First-Person-Shooter zu den etablierten und nach wie vor beliebten Genres. Und wo viele Verfilmungen von Computer-Spielen versuchen eben diese perspektivische Einschränkung für die Leinwand aufzubrechen, geht „Hardcore“ genau den anderen Weg und ist ein derbes Actionspektakel, das ausschließlich aus der First Person perspektive gedreht ist, ohne allerdingsauf einem Spiel zu basieren. Wer sich auf „Hardcore“ einlässt, braucht gute Nerven und eine gehörige Portion Gelassenheit, was übertriebene Gewaltdarstellung angeht.

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Der Held des Films, Henry, wacht auf einem OP-Tisch auf, kann  nicht sprechen, hat keine Erinnerung und wird gerade von der feschen Laborassistentin Estelle (Haley Bennett) cyborgmäßig optimiert. Aber noch während Estelles Ausführungen, was mit Henry passiert ist taucht der durchgeknallter Akan (Danila Kozulovsky) mit einer schwerbewaffneten Begleittruppe auf und will Henry ans Leder. Henry entkommt und muss sich dann durch eine russische Metropole kämpfen und ballern. Dabei bekommt er Unterstützung von Jimmy (Sharlto Copley), der erklärt, er würde gegen Akan arbeiten und gibt dem Flüchtling Hilfestellung und Tipps. Jimmy taucht dann auch im Filmverlauf in diversen Personifizierungen auf.

„Hardcore“ wirbt zwar damit, der erste seiner Art zu sein, aber der deutsche Horrorfilm „FPS- First Person Shooter“ von Andreas Tom hat das Ego-shooter-Konzept bereits 2014 mit wenig Erfolg und mäßigen Kritiken durchexerziert. Jetzt sorgt Regisseur Ilya Naishuller mit Produzenten Timur Bekmambetov („Wanted“, „Wächter der Nacht“) und prominent unterstütztem Crowdfunding dafür, dass „Hardcore“ sich sogar zum Kultfilm zu entwickeln.

Die atemlose, hektische Flucht entspricht dramaturgisch so ziemlich einem Game mit diversen Leveln und ist mit leicht bekleidete Damen und haufenweise übersteigerter Gewalt angereichert wie es für das First Person Shooter scheinbar üblich ist.  Dazu ein Score aus hämmerndem Heavy Metal, russischen Tekkno und hysterischem Protopunk. Als Sahnehäubchen erklingt  Queens Hymne „Don’t Stop Me Now“, während sich Henry den Weg aus dem Bordell ballert. Insgesamt stresst die wackelige Optik dann aber doch ein wenig.

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Sharlto Copley („District 9“, „Elysium“) hat sichtlich Spaß daran, in dieser durchgeknallten Tour de Force als Sidekick des Protagonisten in diverse Rollen zu schlüpfen und pimpt „Hardcore“ so auch zu einer gewissen darstellerischen Wertigkeit. Dagegen bleibt  der megablondierte wahnsinnige Filmbösewicht beinahe blass in seiner überspitzten Bösartigkeit.

Mangende Konsequenz kann an den Filmmachern nicht vorwerfen: „Hardcore“ ist nichts für schwache Gemüter, in gewisser Weise aber auch eine Art Gewaltporno, die aus der Point of View-Perspektive genüsslich Kopfschüsse und das Aufbrechen von erstaunlich blutigen Cyborg-Körpern zelebriert. Das muss man nicht gut finden und diese Art der Gewaltdarstellung ist durchaus fragwürdig, aber eben auch ein Stilmittel wie es „Crank“ oder „The Raid“ und verwandte Actionkracher zelebrieren. , die erstaunlich erfolgreich waren, ebenfalls bis über  die Grenzen des guten Geschmacks ausloten.

Wer es etwas derber mag und im Punkto Action voll auf die Zwölf bekommen will, ist bei „Hardcore“ richtig. First-Person-Shooter können auch auf der Leinwand funktionieren und für Adrenalinüberproduktion sorgen.

Film-Wertung:8 out of 10 stars (8 / 10)

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OT: Hardcore Henry
Genre: Action, Thriller, Sci-fi
Länge: 92 Minuten,  Rus USA 2015
Regie:  Ilya Naishuller
Darsteller: Haley Bennett, Tim Roth, Sharlto Copley, Cyrus Arnold,
FSK: keine Jugendfreigabe
Vertrieb: Capelight Pictures
Kinostart: 14.04.2016