East of West 3: Es gibt kein Wir

Auf den furiosen Serienauftakt dieses wunderbaren Epos hatte ich seinerzeit mit Enthusiasmus hingewiesen. Der hält ungebrochen an. Nun ist der dritte Sammelband von „East of West“ bei Panini erschienen und zeigt das kreative Comic-Triumvirat Jonathan Hickman, Nick Dragotta und Frank Martin noch immer auf der Höhe seines wahnwitzigen Endzeit-Abenteuers. Muss die Welt tatsächlich zerstört werden, nur weil die Prophezeiung es sagt? Oder hat da wieder ein Prophet etwas falsch verstanden?Im Jahr 2064 erwachen die apokalyptischen Reiter erneut, aber der Tod fehlt in dieser Runde. Die anderen drei, Sieg, Krieg und Hunger, plagen sich mit ihren infantilen körperlichen Reinkarnationen und damit, die Auserwählten bei der Stange halten müssen, um den Untergang der Welt und damit die Prophezeiung voranzutreiben. Eigentlich waren das einmal, entsprechend der Machtgebiete auf dem nordamerikanischen Kontinent, sieben, aber ihre Zahl nimmt rasch ab.

„Der Katalysator des Handelns ist das Ziel. Es ist das andere Ende der Kugel.““

Denn der Tod hat nicht seine große tot geglaubte Liebe, die Tochter Xiaolan aus dem Hause Mao, befreit, und erfahren, dass ihr gemeinsames Kind ebenfalls noch am Leben ist. Sohnemann wird von den Untergangsgläubigen allerdings als Inkarnation des Tieres der Apokalypse angesehen und in einem unterirdischen Hochsicherheitstrakt gehalten. Und während sich Tod mit seinen beiden magisch begabten Mitstreitern Crow und Wolf auf die Suche nach dem Nachwuchs begibt, zettelt die rachelustige Gattin einen Krieg an.

Nachdem es Autor Jonathan Hickman in den ersten zehn Kapiteln vor allem darum ging, seine Charaktere und Handlungsstränge aufzustellen, und die Handlung deshalb relativ gemächlich vorangetragen wurde, wird es nun Zeit, es ordentlich krachen zu lassen und Hickman zieht die Erzählschraube deutlich an: Unruhe hat die Bevölkerung der Union erfasst und es kommt zu Aufständen, die Erwählten sind sich uneinig, die verbliebenen apokalyptischen Reiter zweifeln mal eben an der Prophezeiung und Tod stößt bei der Suche nach seinem Sohn auf mystische Welten und unerwartete Mitstreiter, die allerdings ihr eigenes Süppchen kochen.

„Wir könnten euch sagen, dass ihr beten sollt, aber das würde nichts nützen.“

Im dritten Sammelband gibt es deutlich mehr Action als bisher in „East of West“, auch wenn sich der geneigte Leser bislang kaum beschweren konnte. Das führt einerseits dazu, dass die Horror-Elemente des apokalyptischen Westerns stärker zum Vorschein kommen und andererseits dazu, dass die Story immer wieder auf überraschende Wendungen zurückgreifen kann.

Zeichner Nik Dragotta und Kolorist Frank Martin meistern aber auch die Actionsequenzen mit Bravour und sorgen nach wie vor für den unverwechselbaren, höchst eigenen Stil, der „East of West“ von Beginn an ausgezeichnet hat. Die zukünftigen Welten werden so detailreich und lebendig auf die Seiten gebannt, dass man immer wieder vergisst, dass des Todes Reittier kein Pferd ist. Vollkommen organisch treten in dieser wundersamen, düsteren Welt indianische Totemtiere und tentakelbehaftete Höllenwesen, niedliche Künstliche Intelligenzen und hochentwickelte, technisierte Gesellschaften auf den Plan und passen ebenso wunderbar zueinander wie fernöstliche Schwerter und Wild-West-Ballermänner.

Wer die Serie bislang verfolgt hat, findet auch immer deutlicher einige der Einflüsse, die die Faszination der Story ausmachen. So blitzt gelegentlich Erinnerung an Katsuhiro Ottomos legendären Manga „Akira“ auf, sowohl was Storyelemente angeht, als auch an die optische und farbliche Umsetzung, die gelegentlich an die Animationsverfilmung von 1988 erinnert. Beileibe nicht die schlechteste Inspirationsquelle, wenn man eine kryptische, komplexe apokalyptische Story zu erzählen hat.

„Ihr bekommt nur das, was ihr verdient.“

Apropos erzählen: Gestartet ist „East of West“ bei Image Comics in monatlichem Rhythmus. Aber nach Ausgabe 14 scheinen Hickman und Co mit der Fortschreibung der Story nicht mehr hinterherzukommen und haben sich auf einen zweimonatigen verlegt, den die Kreativen auch halbwegs hinbekommen. Mitte Juli 2015 erscheint in den USA der 20. Band der Serie. Da sowohl Hickman als auch Dragotta ihre Homepages nicht sonderlich regelmäßig pflegen, wird man sich wohl einfach gedulden müssen, wohin die Reise noch führt und wann sich ein Ende anbahnt. Infos dazu gibt es offiziell nicht.

Ich wiederhole mich gerne: East of West“ bliebt ein Meilenstein des wilden Genre-Crossover und die Mischung aus Sci-fi, Westen, Horror und (post-) apokalyptischer Dystopie macht einfach Spaß. Intelligente und coole Dialoge, tolles Artwork und viel viel Witz. Mehr Rock’n’Roll geht nicht.

Comic-Wertung: 10 out of 10 stars (10 / 10)

East of West 3
OT: East of West 11-15, Image Comics, 2014
Autor: Jonathan Hickman
Zeichner: Nick Dragotta
Farben: Frank Martin
Übersetzung: Bernd Kronsbein
Verlag: Panini Comics, Softcover, 148 Seiten
VÖ: 16.06.2015

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East of West bei Panini