Sin Titulo: Von Träumen und Krisen

SINTITULO_Hardcover-vorschauWebaffine Menschen bräuchten sich die grandios düstere Graphic Novel von Cameron Stewart gar nicht erst zuzulegen. Denn „Sin Titulo“ erschien seit 2007 als Webcomic und wurde dafür auch 2010 mit dem Eisner-Award ausgezeichnet. Für alle die doch lieber in Seiten blättern oder gerne Trophäen im Schrank sammeln, ist „Sin Titulo“ als Hardcover erschienen. 

Als Alex Mackay seinen Großvater im Pflegeheim besuchen will, erfährt er, dass dieser schon vor einiger Zeit verstorben ist. Verstört wühlt er in den Habseligkeiten des Toten und stößt auf das Foto einer mysteriösen Frau, die den Großvater besucht haben muss. Doch als sich Alex geplagt von schlechtem Gewissen aufmacht, die Frau zu finden, entgleitet ihm sein Alltag und er verliert sich in der Suche wie in einem Maelstrom. Seine Freundin verlässt ihn, aus dem Job fliegt er raus und die Spur der mysteriösen Schönen führt zu seltsamen Orten und verwirrenden Erlebnissen.

Der kanadische Comickünstler Cameron Scott ist seit Jahren im Comicbusiness und hat für die Großen Verlage gezeichnet. Irgendwann 2007 kam ihm die Idee eine eigene Geschichte zu illustrieren. Klappt nach eigener Aussage im Vorwort der deutschen Ausgabe nicht so besonders. Aber die kreative Krise hatte doch ihr gutes, denn Stewart startete sein Webcomic „Sin Titulo“, den er über Jahre immer wieder fortsetzt, und der im Oktober 2012 endlich beendet war. Dark Horse Comics hatte sich schon die Rechte für eine amerikanische Hardcoverausgabe gesichert und Panini hat den Titel jüngst auf Deutsch herausgebracht.

Ausgehend von autobiografischen Eckpunkten lässt Stewart seinem Mystery-Thriller sich zu entwickeln: was zunächst wie eine persönliche Sinnkrise des Protagonisten beginnt, entwickelt sich im Verlauf zu einer spannenden Schnitzeljagd, die immer weiter in surreale und phantastische Aspekte abdriftet. Das hat zu Recht Vergleiche zu Romanen von Haruki Murakami oder Filmen von David Lynch assoziiert. Dennoch ist „Sin Titulo“ dabei auch ganz eigen und entwickelt seien authentische Magie. Und nach einer abenteuerlichen Odyssee kriegt die Geschichte auch einen  feinen passenden Schluss hin.

Die Optik der Graphic Novel hält sich dabei formal streng in das Seitenformat von acht Panels pro Seite, die jeweils die Online-Fortschreibung darstellten. Anfangs gab es etwa jede Woche eine neue Seite. Innerhalb der Panels geht es weniger um Action, als darum eine stimmige Geschichte wirkungsvoll zu erzählen. Stewart setzt dabei auf ein Schwarz-Weiß-Optik, die mit Sepia-einfärbung arbeitet und so schon gleich den mysteriösen Touch alter, verbleichender Fotos bekommt. Das funktioniert  im wirkungsvollen Zusammenspiel mit den Schattierungen ganz ausgezeichnet.

Wer psychologische Mystery-Thriller mag, wird mit „Sin Titulo“ bestens unterhalten.  Die stimmungsvolle Optik und eine kunstfertige, magisch-realistische Erzählung ergeben eine großartige Graphic Novel.

Comic-Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

SINTITULO_Hardcover_886Sin Titulo
OT: Sin Titulo
Autor & Zeichner: Cameron Stewart
Übersetzung: Monja Reichert
Verlag: Panini-Comics, Hardcover, 172 Seiten
VÖ: 17.06.2014

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