Der amerikanische Autor Truman Capote war eine schillernde Figur. Der moderne Meister der Kurzgeschichte und der Autor von „Frühstück bei Tiffany“ verstarb 1984. Doch sein Werk, vor allem der Tatsachenroman „Kaltblütig“, der einen brutalen Mord an einer Familie schildert, bleibt noch immer einflussreich. Die sehr lesenswerte Graphic Novel „Capote in Kansas“ gibt Einblicke in die Recherchen und das Innenleben Capotes, der all seine Kreativität in dieses Projekt steckte.
Zu Beginn der 1960er Jahre fällt das literarische Talent Truman Capote eher durch sein Partyleben in New York auf als durch brillante Veröffentlichungen. Sein Bestseller „Frühstück bei Tiffany“ soll erst noch verfilmt werden und Capote sucht ein neues Projekt. Seine Jugendfreundin Harper Lee begleitet ihn bei den Recherchen zu einem brutalen Mehrfachmord in der ländlichen Kleinstadt Holcomb in Kansas. Der extrovertierte Homosexuelle will hier so gar nicht her passen und doch ist er fasziniert von den Ereignissen. Erst allmählich öffnen sich die Türen für Capotes Recherchen.
Außerdem bekommt er Zugang zu den beiden Tätern, die im Gefängnis der Stadt auf ihren Prozess warten. Dick Hickock, der Capote vor allem fasziniert, und Perry Smith brachen in die abgelegene Farm der Clutters ein, raubten sie aus und brachten die ganze Familie kaltblütig um. Doch das ist noch nicht Capotes ganze Inspiration: Nancy, die Tochter der Clutters erscheint ihm immer wieder. Und der Polizist Dewey unterstützt Capote, wo er nur kann.
Ande Parks stammt aus dem ländlichen Mittelwesten der USA und seine Faszination für Capotes Tatsachenroman, der quasi als Vorläufer eines neuen Journalismus gilt, hängt ganz sicher auch mit dieser Sozialisation zusammen. Der erzählerische Trick, Nancys Geist auftreten zu lassen, gibt der Graphic Novel eine besondere Note, die keineswegs als Geistergeschichte gedacht ist, sondern vielmehr dazu dient, die Gedanken Capotes und seine mögliche Herangehensweise an das literarische Thema zu veranschaulichen.
Kongenial umgesetzt wird die sorgfältig erzählte Geschichte von Chris Samnee, der hier aus seiner bekannten Superheldenarbeit ausbrechen kann und zeigt, dass er auch anspruchsvollere Themen bebildern kann. Nuancierte Mimik der Charaktere und ein sehr gelungenes Spiel mit der graphischen Wirkung von Licht und Schatten fügen sich nahtlos zu einem rundherum gelungenen Genuss zusammen.
„Capote in Kansas“ hat schon einige Jahre auf dem Buckel: Entstanden ist die Graphic Novel bereits 2005 und wurde auch schon veröffentlicht. Nun hat Oni Press 2013 eine Neuauflage gestartet, die mit einem lesenswerten und informativen Anhang von Ande Parks versehen ist. Es gibt „entfernte Szenen“, Skizzen, einen Abschnitt über Nancys Geist und ein Nachwort des Autors. Diese Neuauflage liegt der Panini-Ausgabe zugrunde und so erschient „Capote in Kansas“ hierzulande erstmals in übersetzter Fassung.
Das ist vielleicht auch gar nicht so schlecht, denn mit dem Veröffentlichungstermin 2006 schlidderte Ande Parks genau in die beiden hochgelobten Hollywood-Adaptionen zu „Capote“. In dem gleichnamigen Film überzeugt Philip Seymour Hoffman als Autor und wurde mit einem Oscar geehrt. Die kurz darauf folgende, starbesetzte Verfilmung „Infamous“ (deutsch: „Kaltes Blood – Auf den Spuren von Truman Capote“) kommt dem Thema der Graphic Novel da schon sehr speziell nahe und schon diese Verfilmung mit Toby Jones, Sigourney Weaver, Gwyneth Paltrow und Sandra Bullock wurde vom Publikum trotz überragender Kritiken eher vernachlässigt.
Bleibt zu hoffen, dass „Capote in Kansas“ das Interesse an diesem großartigen Schriftsteller und dem noch immer verstörenden Roman „Kaltblütig“ (OT: In Cold Blood“) wieder entfachen kann. „Capote in Kansas“ ist nicht nur für Literaturinteressierte lesenswert. Ande Parks Graphic Novel ist wunderbar erzählt und von Chris Samnee kongenial umgesetzt.
Comic-Wertung: (8 / 10)
Capote in Kansas
OT: Capote in Kansas, Oni Press, 2005, 2013
Genre: Graphic Novel, Literatur, Krimi
Autor: Ande Parks
Zeichner: Chris Samnee
Übersetzung: Monja Reichert
Verlag: Panini Comics, Hardcover, 164 Seiten
VÖ: 20.05.2014
Zum Weiterstöbern:
Capote in Kansas bei Panini
Capote in Kansas Leseprobe bei Mycomics
Truman Capote bei Wikipedia
Homepage von Andre Parks
Homepage von Chris Samnee