Sorry Leute, so richtig taufrisch ist dieser großartige Daredevil-Band von Kevin Smith und Joe Quesada nicht mehr auf dem Markt. Panini hat die lässige und kultige Story schon Anfang des Jahres veröffentlicht, aber in der anhaltenden Deadpool-Mania bin ich nicht dazu gekommen, „In den Armen des Teufels“ vorzustellen. Dabei startet der Mann ohne Furcht gerade selbst in Serie bei Netflix ordentlich durch und geht in die zweite Staffel. Also jetzt, etwas verspätet, aber immer noch begeistert: Von Findelkindern und Prophezeiungen.
Matt Murdock findet zum Glauben wie so viele Männer das tun: Ihre Liebste verlässt sie. Konfrontiert mit den Trümmern der eigenen Existenz bietet die Hinwendung zum Metaphysischen einen Trost. Karen Page ist für immer gegangen und die Selbstzweifel des Anwalts machen auch vor seinem Alter Ego Daredevil nicht Halt. Ausgerechnet in dieser Phase taucht eine junge Mutter in der Anwaltskanzlei von Matt und Foggy auf und lässt ihren Säugling da, wie Gott ihr das befohlen hat, damit Daredevil ihn beschützt.
Die Frage ist nicht nur, woher die junge Frau, die kurz darauf spurlos verschwindet, weiß, dass Murdock auch als Superheld unterwegs ist, sondern auch, was Daredevil jetzt mit dem Kind anstellen soll? Denn kurz darauf taucht der distinguierte ältere Gentleman Nicolas Macabes auf und behauptet, das Kind sei der Antichrist und musste auf der Stelle getötet werden. Matt Murdock ist verwirrt und entwickelt auch nicht wirklich Vaterqualitäten. Black Widow bietet ihre Hilfe an und wird auch gleich als Baby-Sitter missbraucht, während Daredevil versucht, herauszufinden, was es mit dem Kind auf sich hat, und wer hinter dieser ganzen Sache steckt.
Ende der Neunziger Jahre, 1998 um genau zu sein, beauftragte der Marvel-Verlag, der finanziell deutlich angeschlagen war, Joe Quesada damit, einige Superhelden mit einem neueren, etwas erwachseneren Ansatz wieder zu alter Popularität zu verhelfen und Marvel Knights wurde aus der Wiege gehoben. Für Daredevil begann damit auch eine neue Zeitrechnung und die fortlaufende Heftnummerierung wurde rebootet, weshalb die US-Hefte des Storybogens „In den Armen des Teufels“ (OT: Guardian Devil“) von Kevin Smith auch die Nummern 1 bis 8 haben.
Die neuen Interpretationen der alten Recken hatte Erfolg und Joe Quesada wurde bei Marvel Chefredakteur, was er bis 2011 auch blieb und damit nach Marvel-Gründer Stan Lee der am längsten amtierende Chefredakteur. Ein kleiner Coup des neuen Daredevil-Zeichners und kreativen Verantwortlichen Quesada war es den Filmregisseur und bekennenden Comic-Nerd Kevin Smith als Autor zu verpflichten.
Kevin Smith hatte sich mit der Indie-Komödie „Clerks“ zwar schon einen Namen gemacht und gerade mit „Chasing Amy“ einen Film über Comics veröffentlicht, aber der ganz große Durchbruch war ihm noch nicht gelungen. Insofern war das Angebot eine Comic-Story zu verfassen ebenso riskant wie verlockend. Aber das Ganze hat hingehauen und neben dem großen Erfolg von „In den Armen des Teufels“, der heute zu den Daredevil-Comicklassikern zählt, arbeitete Kevin Smith quasi parallel auch noch an dem großen Wurf als Regisseur und Filmschaffender.
1999 kam „Dogma“ auf die Leinwand und beschäftigte sich Thematisch ebenfalls mit Glaubensfragen. Ben Affleck und Matt Damon waren als verstoßene Engel auf Erden unterwegs, weil Gott im Koma liegt und das kosmische Machtgefüge aus den Fugen gerät. Wer Garth Ennis großartige Comic-Serie „Preacher“ kennt, kann auch den Einfluss auf Kevin Smith Arbeiten bei Daredevil und „Dogma“ erkennen.
Aber zurück zu „In den Armen des Teufels“. Obwohl als Auftakt, als Reboot angelegt, geht es in der Geschichte gleich ums Ganze und der Superheld steht vor einer Existenzfrage. Gerade das machte auch Frank Millers Daredevil Stories, im Speziellen „Der Mann ohne Furcht“ und „Auferstehung“, die beide auch bei Panini auf Deutsch erschienen sind, so großartig und bei den Fans so beliebt. Kevin Smith‘ Storybogen reiht sich da nahtlos ein.
Doch die Bildergeschichten bestehen ja nicht nur aus Handlung und literarischen Charakterstudien, sondern auch und gerade aus Bildern. Joe Quesada legt bei „Daredevil“ selbst Hand an und schafft mit seinem dynamischen, sehr physischen Stil ein großartiges Artwork. Dazu gesellt sich eine sehr variabel ausgeführte Seitengestaltung und eine extrem dynamisches Panelling und vor allem ein grandioser Umgang mit Licht und Schatten, für den selbstredend auch die Tusche von Jimmy Palmiotti und die Farbgebung Richard Isanove und Co mitverantwortlich sind.
Das alles führt dazu, dass „In den Armen des Teufels“ eine Daredevil-Story ist, die Maßstäbe setzt und dem Beschützer von Hell‘s Kitchen zur Hochform verhilft. Nicht umsonst ist der Titel, der bereits 1999 in den USA nochmals als zusammengestellte Graphic Novel herauskam, auch in die offizielle Marvel-Klassikersammlung aufgenommen worden, die hierzulande als Kooperation von Panini und Hachette in einer gesonderten Hardcover-Reihe erscheint. Als Band 49 der Hachette Marvel Collection war „In den Armen des Teufels“ bereits im März 2015 auf dem Markt.
Kevin Smith und Joe Quesadas Daredevil-Reboot „in den Armen des Teufels“ ist ein Klassiker, der auch heute noch Spaß macht und zu fesseln weiß. Daredevil-Fans und solche die es werden wollen, kommen an der Story kaum vorbei.
Comic-Wertung: (9 / 10)
Daredvevil: In den Armen des Teufels
OT: Daredevil 1-8, Daredevil ½, Marvel Comics 1998
Genre: Superhelden, Comic,
Autor: Kevin Smith
Zeichner: Joe Quesada, John Romita Sr
Farben: Dan Kemp, Richard Isanove, et al.
Übersetzung: Robert Syska
Verlag: Panini-Comics, Softcover, 228 Seiten
VÖ: 26.01.2016