Spieler Eins: Die Kneipe am Rande der Apokalypse

1071_01_SU_Coupland_SpielerEins.inddAls erstes fiel mir zu Douglas Couplands neuem Roman „Spieler Eins – Roman in fünf Stunden“ der Song „Outside This Bar“ von American Music Club ein, dessen Refrain mit der Frage beginnt, wie man da draußen überhaupt überleben kann. In einer abgeranzten Bar am Flughafen von  Toronto treffen sich vier Fremde und draußen geht die Welt buchstäblich unter. Diese kleine literarische Apokalypse ist ein feines Buch.

Barkeeper Rick ist seit einiger Zeit trockener Alkoholiker und will nun richtig durchstarten, indem er ein Karrierepacket bei einem TV-Motivationstrainer bestellt hat. Der will im Lauf des Tages auch vorbeikommen und zumindest schon mal die Gebühren einkassieren. Die geschiedene Karen hat sich im Internet auf Partnersuche gemacht und heute ist in Ricks Bar der Tag, an dem sie ihre Online-Bekanntschaft endlich kennenlernt. Der Pastor Luke hadert gerade mit seinem Glauben und ist mit der Spendenkasse durchgebrannt. Und die attraktive aber sozial gestörte Rachel ist auf der Suche nach einem Paarungspartner, um ihrem Vater endlich zu beweisen, dass sie doch normal ist.

Dann taucht Karens Date auf, der Ölpreis steigt in absurde Höhen – sagen zumindest die Nachrichten und irgendwo in der Nähe explodiert ein Tank, der giftiges Gas enthält, das nun in Richtung der Bar schwebt. Zu allem Überfluss steht draußen auf dem Dach auch noch ein Heckenschütze, der Karens Date abknallt, als der versucht, sich draußen einen Überblick zu verschaffen. Das passt so perfekt zu dem Refrain des oben genannten Songs, dass dieser glatt als Inspiration hergehalten haben könnte: „And outside this bar there’s no one alive, Outside this bar how does anyone survive, Together you and me, You know we’ve gotta destroy this world, C’mon darling we’ve gotta destroy this world.”

Douglas Coupland hat seinen Roman nicht zufällig als Echtzeitszenario ausgelegt, und entfacht in fünf Stunden ein Panorama von menschlichen Befindlichkeiten in den vermeintlich letzten Stunden des Lebens. Dabei bleibt der Roman in seinem Aufbau streng und in jeder Stunde kommen die einzelnen Figuren aus ihrer Perspektive ans Erzählen, während der äußere Zeitablauf und die Ereignisse für alle die selben sind. Außerdem gibt es noch den „Spieler Eins“, der eigentlich Rachels Avator im Online-Rollenspiel ist, hier aber auch eine Erzählfunktion übernimmt und auch immer einen Ausblick auf die kommende Stunde gibt.

Douglas Coupland ist ein grandioser Sezierer der Psychologie des modernen Menschen und seit seinem grandiosen Debut, dem Generationsportrait der Slacker-Kultur („Generation X“, 1991) macht sich der kanadische Autor immer wieder daran, das heutige Leben auseinanderzurupfen und auf seine (irgendwie nicht vorhandene) Substanz untersuchen. Auch in „Spieler Eins“ gelingt das großartig. Das Ensemble der Figuren und die zugespitzte äußere Handlung wird zum Spielfeld bittersüßer Schilderung unserer Gegenwart. Das ist ebenso clever wie als Roman grandios komponiert.

Nach ein Wort zur Struktur von „Spieler Eins“: In Kanada gibt es seit 1961 eine von CBS gesponserte Vorlesungsreihe, die auch im Radio übertragen wird. Diese ist nach Vincent Massey, einem ehemaligen Generalgouverneur von Kanada benannt. Die Massey Lectures geben jedes Jahr einer herausragenden Persönlichkeit die Möglichkeit, in fünf einstündigen Vorlesungen über ein kulturelles, politisches oder philosophisches Thema zu referieren. Zu den Referenten gehörten unter anderem Willi Brandt, Martin Luther King, Doris Lessing und 2010 auch Douglas Coupland. Seine später als Roman „Spieler Eins“ veröffentlichte Vorlesung ist speziell für diese fünfteilige Vorlesungsreihe konzipiert. Ergänzt wird „Spieler Eins“ als Roman allerdings von einem nicht absolut notwendigen Glossar.

Fazit: Der „Endzeit in Echtzeit-Roman“ „Spieler Eins“ von Douglas Coupland ist ebenso kurzweilig wie klug, ebenso absurd wie lebensnah und ebenso oberflächlich wie tiefgründig. Ein literarisches Kleinod, das hoffentlich genug Leser findet, damit auch der Rest von Douglas Couplands Werk  endlich mal in deutscher Übersetzung erscheinen kann.

Roman-Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

1071_01_SU_Coupland_SpielerEins.inddDouglas Coupland: Spieler Eins – Roman in 5 Stunden
OT: Player One. What is to Become of Us. A Novel in 5 Hours.
Genre: Roman, Gesellschaftsstudie
Autor: Douglas Coupland
Übersetzung: Clara Drechsler
Verlag: Tropen Verlag, gebunden 246 Seiten.
VÖ: 24.10.2013

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