Harri Stojka ist einer der wichtigsten österreichischen Jazz –Musiker. Der Gitarrist und Roma setzt sich aktiv mit seinem musikalischen Erbe auseinander. Vor ein paar Jahren führte das zu einer Reise nach Indien, um die Wurzeln der Gypsy-Musik zu erforschen. Begleitet wird das musikalische Abenteuer von Filmmacher Klaus Hundsbichler. Der Dokumentarfilm kommt nun auch in Deutschland in die Kinos.
Zusammen mit dem Violinisten Mosa Sisic macht sich Harri Stojka von Wien aus auf nach Indien. Von dort aus soll sich einst die Sinti- und Roma-Kultur verbreitet haben. Grund für diese musikalische Reise ist einerseits, die eigenen musikalischen Wurzeln besser zu verstehen, andererseits, neue Einflüsse zu finden, um den Sound des Gypsy-Jazz etwas weiter zu fassen.
Stojka lädt einige der Musiker aus Indien nach Wien ein, um dort mit ihnen zusammen zu spielen und eine Art Gypsy-World-Musik zu performen. Die Proben und auch die Auftritte, sowie die spontanen Ständchen in Biergärten und anderen öffentlichen Plätzen sind dabei genauso ein wichtiger Teil des Films wie die musikalischen Zwischenspiele in Indien. Es gibt also viel Musik zu erleben in „Gypsy Spirit“.
Aus dem Off kommentiert der Musiker Stojka seine Begegnungen mit den indischen Musikern, die auch immer wieder in gemeinsame Jamsessions münden. Dabei stellt sich heraus, dass es zwar eine gemeinsame kulturelle Vergangenheit gibt, aber die musikalische Entwicklung sich weit auseinander dividiert hat. Indische Musik funktioniert auf der Basis einer Tonalität, die sich grundsätzlich von der europäischen unterscheidet. Dennoch finden die Musiker immer wieder zusammen, mal mehr mal weniger gut.
Regisseur Klaus Hundsbichler ist ein alter Hase im Dokumentarfilm und dreht seit 1978 immer wieder Filme mit musikalischem Inhalt. „Gypsy Spirit“ kommt also ziemlich schnörkellos zum Wesentlichen, der Musik selbst. Und die Suche der Musiker nach einer gemeinsamen Sprache gestaltet sich höchst spannend, zumindest, wenn man jazzigen und folkloristischen Improvisationen etwas abgewinnen kann.
In zweierlei Hinsicht schwächelt „Gypsy Spirit“ allerdings ein wenig: es gibt kaum Hintergrundinfos zur Kultur- und Musik der Sinti und Roma und der Off-Kommentar von Gitarrist Harri Stojka ist nicht gerade mitreißend geschrieben und kommt nicht immer begeisternd rüber. Dafür gibt es einiges an nonchalantem Wiener Humor und vor allem ganz viel Musik. Warum der mehrfach ausgezeichnete Film, der in Österreich schon vor drei Jahren erschien, auch im TV lief und als DVD erhältlich ist, erst jetzt in die Kinos kommt, bleibt allerdings ein kleines Rätsel.
Ein Nebenschauplatz bei der Auseinandersetzung mit der Kultur und Musik der Sinti und Roma tut sich in linguistischer Hinsicht auf: Der deutsche Begriff „Zigeuner“ ist inzwischen weitgehend aus dem Sprachgebrauch verbannt, da er meist abwertend benutzt wurde und eine Diskriminierung der Volksgruppen der Sinti und Roma beinhaltet. Dennoch kann es irgendwie nicht der Weisheit letzter Schluss sein, in musikalischen Zusammenhängen, die die Traditionen beider Volksgruppen betrachten, schlicht auf den englischen Ausdruck „Gypsy“, der ja nichts anders meint als Zigeuner, auszuweichen. Als Genrebezeichnung des „Gypsy-Jazz“ ist das zwar gebräuchlich aber irgendwie zumindest unelegant.
Fazit: „die musikalische Reise „Gypsy Spirit“ wird Freunde des folkloristischen Jazz und der Weltmusik ansprechen. Die grandiosen und mitreißenden musikalischen Darbietungen machen die filmischen Unzulänglichkeiten und einige Längen nebensächlich.
Film-Wertung: (6 / 10)
Gypsy Spirit – Eine Reise zu den Wurzeln der Gypsy Musik
Genre: Dokumentarfilm, Musik,
Länge: 91 Minuten, A, 2010
Regie: Klaus Hundsbichler
Mitwirkende: Harri Stojka, Mosa Sisic
Vertrieb: Barnsteiner
VÖ: 14.11.2013