Als Mastermind James Murphy im Februar 2011 verkündete, dass sich seine Band LCD Soundsystem auflöst, hat mich das schon frustriert. Nach nur vier großartigen Alben sollte nun Schluss sein? Der Mann ist intelligent und wird wissen, was er tut. Immerhin hat er mit „Losing my Edge“ einen der klügsten Texte übers Älterwerden und die heimliche Hymne einer Generation geschrieben. Glücklicher Weise startet nun die Dokumentation „Shut UP And Play Your Hits“ in den Kinos. Der Untertitel sagt eigentlich alles: The final days of LCD Soundsystem. Weit mehr als nur ein Konzertfilm zum abgefeierten Goodbye-Konzert im Madison Square Garden zu New York.
Es beginnt mit Lärm, der sich erst setzten muss und dem Blick auf ein leere Bühne in einer verlassenen Konzerthalle. Dann erhebt sich aus dem ungeordneten Noise ein Song und der Soundcheck ist in vollem Gange. Vorbereitungen für das definitiv letzte Konzert der New Yorker Band LCD Soundsystem, einer der intensivsten Live Acts der Welt. 20.000 Leute werden erwartet und die Show ist schon lange ausverkauft. Auch James Murphy, der Sänger und Kopf der Band ist mitten in den Vorbereitungen seines Abschieds. LCD Soundsystem haben es mit nur vier Alben geschafft, unter der schlaffen Genrebezeichnung Electronica einen Mikrokosmos aus großartiger, intelligenter Musik zu erschaffen und eingefahrene Hörgewohnheiten tanzbar zu untergraben. Dann, wie aus dem Nichts, die Entscheidung, die Band aufzulösen und sich in Zukunft mit andern Dingen zu beschäftigen.
Die beiden britischen Filmmacher Dylan Southern und Will Lovelace haben bereits mit ihrem Debut „No distance left to run“ über die Britpopper Blur einen sehenswerte Musikdoku vorgelegt und hatten eigentlich andere Projekte im Sinn, als sie James Murphy trafen und von der Auflösung der Band hörten. Es ist die große Qualität von „Shut Up And Play The Hits“, dass er nicht nur ein Konzertfilm ist, sondern auch einen Mann portraitiert, der sich bewusst entschieden hat, etwas extrem Erfolgreiches zu beenden und etwas Neues anzufangen, ohne zu wissen, was das genau sein wird. Ebenso wie LCD Soundsystem scheinbar aus dem Nichts auftauchten, wobei Murphy als DJ schon längst eine New Yorker Szenegröße war, ist der geplante Abgang auf dem Hohepunkt des Erfolges eine nicht nur im Musikbusiness erstaunliche Entscheidung. Den tatsächlichen Umbruch begleitet die Doku.
Als erzählerischer roter Faden dient dabei ein Interview, das der Spin-Journalist Chuck Klosterman mit James Murphy führt. Dieses Gespräch ist von erstaunlichem Unterhaltungswert und eine beinahe philosophische Diskussion über das Leben an sich und verleiht dem ohnehin faszinierenden Dokumentarfilm eine weitere Dimension. Nach seinen von der Nchwelt vielleicht so betrachteten größten „Fehler“ gefragt, also nach dem, was von LCD Soundsystem bei allem Lob als tragische Verfehlung bleiben wird, antwortet Murphy, dass mal ein Konzert ausfiel, als der Flugverkehr wegen des Vulkanausbruchs eingestellt werden musste. Erst beim Nachfassen Klostermans spricht Murphy die beachtlichen Worte: Das Aufhören.
Natürlich gibt es auch Konzerteindrücke und das glücklicher Weise nicht zu knapp. Zwar ist auch angekündigt, einen Mitschnitt dieser begnadeten finalen Show zu veröffentlichen, aber „Shut Up“ wäre nicht, was es ist, wenn die wunderbaren und mit Gästen gespickten Performances fehlen würden. So kriegen auch alle, die nicht dabei sein konnten einen neidvollen Eindruck dessen, was sie verpasst haben, oder aber sie freuen sich einfach an dem gnadenlos geilen Gig.
Fazit: Die Musikdoku „Shut Up And Play the Hits“ ist nicht nur ein wunderbarer Abgesang auf eine der besten und innovativsten Bands unserer Tage, LCD Soundsystem, sondern durch die gelungenen Vermischung von mitreißendem Konzertmitschnitt, intelligentem Interview und sehr nahem persönlichem Portrait einer der besten Dokumentarfilme des Jahres. Es stellt sich schon die Frage, wer nun für den Soundtrack zu unseren Leben sorgen soll.
Film-Wertung: (9 / 10)
“Shut Up And Play The Hits” – The Final Days of LCD Soundsystem
OT: Shut Up And Play The Hits
Genre: Musikfilm, Dokumentarfilm
Länge: 109 Minuten, USA / GB 2012
Regie: Dylan Southern, Will Lovelace
Mitwirkende: James Murphy, LCD Soundsystem, Chuck Klosterman,
FSK: ohne Altersbeschränkung
Vertrieb: Neue Visionen / Good Movies
Kinostart: 06.12.2012
DVD-VÖ: 07.06.2013
Weiterführende Links:
Offizielle Film-Homepage
Offizielle LCD Soundsystem Homepage