Hausarrest hört sich erstmal harmlos an, nach kindlicher Bestrafung, die einen an das eigene Zimmer fesselt. Ganz so angenehm ist die eindeutige Beschneidung der Bewegungsfreiheit allerdings nicht und es stellt sich schon die Frage, wie man die Situation dennoch nutzen kann. Als der Starregisseur Roman Polanski im Herbst 2009 von den Schweizer Behörden festgesetzt wurde, war die Situation lange unklar. Polanski blieb bis Juli 2010 unter Hausarrest in Gstaadt. Sein Freund Andrew Braunsberg nutzt die Gelegenheit, um in einer Reihe von Gesprächen das Leben des Regisseurs Revue passieren zu lassen. Herausgekommen ist ein kleiner aufschlussreicher Film.
Eigentlich wollte der Festivalvermeider Roman Polanski in Zürich einen Filmpreis für sein Lebenswerk entgegennehmen, als ihn die Schweizer Behörden 2009 aufgrund eines anhängigen Gerichtsverfahrens in den USA festsetzten. Im Juli 2010 entschieden sich die Behörden dann dem Auslieferungsantrag der USA nicht stattzugeben und den Regisseur wieder frei zu lassen. In der Lebensgeschichte des Roman Polanski, die Gegenstand der Gespräche ist, kommt auch dieses Gerichtsverfahren aus den 1970er Jahren zur Sprache.
Andrew Braunsberg, Filmproduzent („Macbeth“)und langjähriger Freund Polanskis hat in „A Film Memoir“ nicht den Anspruch inquisitorische Interviews zu führen, sondern den Regisseur eine Gelegenheit zu geben seine bewegte und oftmals tragische Lebensgeschichte zu erzählen. Und Polanski („Der Pianist“, Rosemary’s Baby“, „Der Gott des Gemetzels“) nutzt die Möglichkeit und präsentiert sich aus interessanter, demütiger und kluger Gesprächspartner. Braunsberg fungiert dabei eher als Stichwortgeber und spürt den Spuren der Biographie im Filmischen Werk nach. Das wird jeweils mit Archivmaterial veranschaulicht.
Obwohl die Dokumentarfilmerin Marina Zenovich schon eine Doku über Roman Polanski (und sein Gerichtsverfahren) gedreht hat („Roman Polanski: Wanted and Desired“) und sich diesem Gegenstand auch in einer Fortsetzung, die demnächst erscheint, noch einmal nähert („Roman Polanski: Odd Men out“) hat „A Film Memoir“ durchaus seine Berechtigung und seinen Charme: Polanski ist ein eloquenter Redner und es berührt auf sehr persönliche Weise, wenn man den Regisseur selbst über sich reden hört.
Filmisch wurde „Roman Polanski: A Film Memoir“ von Regisseur Laurent Bouzerau inszeniert, der auf Hintergrund-Dokus und Making-ofs im Filmbusiness spezialisiert ist und weit über 200 solcher Arbeiten gedreht hat. Mit der Schlichtheit einer Digitalkamera beobachtet er das Gespräch zweier Freunde schnörkellos und direkt, ohne überhaupt zu versuchen, mit technischen Finessen zu glänzen. Dieser Gestus findet sich auch in den Geprächen wieder.
Polanskis „kleine“ Biografie wurde im Frühjahr in Cannes zeitgleich mit der Filmbiografie Woody Allen: A Documentary“ der Öffentlichkeit präsentiert. Beide haben jeweils einen großen Regisseur als Thema und könnten doch nicht unterschiedlicher sein. Im direkten Vergleich ist mir das persönliche Gespräch deutlich lieber als die von Unmengen an Filmszenen untermalte Allen-Doku. Gerade weil es persönlicher und somit auch unverstellter rüberkommt.
Fazit: „Roman Polanski: A Film Memoir“ ist keine große Filmbiographie, ja eigentlich nicht einmal ein Dialog, sondern einfach die von ihm selbst erzählte Lebensgeschichte Roman Polanskis, die filmisch ebenso wohltuend schlicht gehalten wie inhaltlich ziemlich bescheiden, im Sinne von demütig aufbereitet ist. Sehenswert ist „A Film Memoir“ nicht nur für Filmfans, ob es dazu allerdings die große Leinwand braucht, muss jeder selbst entscheiden. Genauso wie sich jeder selbst seine Meinung zu Polanskis Gerichtsverfahren machen muss.
Film-Wertung: (7 / 10)
“Roman Polanski: A Film Memoir”
Genre: Biographie, Dokumentarfilm
Länge: 90 Minuten, CH, 2011
Regie: Laurent Bouzereau
Mitwirkende: Roman Polanski, Andrew Braunsberg
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Eclipse Film
Kinostart: 23.08.2012