Mit dem schlicht „Die Tat“ betitelten Krimi legte der Münchner Autor Friedrich Ani vor einigen Monaten den dritten Roman der „Seher“-Krimi-Reihe vor. Das ist intelligente und spannende Krimi-Kost, die vor allem von den realistischen Dialogen lebt und den Leser wieder in die Niederungen menschlicher Gleichgültigkeit und in eine kalte Gesellschaft schickt.
Nach einem Unfall ist der Münchner Kommissar Jonas Vogel erblindet und nicht mehr im Dienst. Sein Sohn Max arbeitet nun bei der Mordkommission und bei schwierigen Fällen wird Jonas Vogel als Berater herangezogen. So auch in diesem Fall.
Rekonstruktion eines Verbrechens
Die 38jährige Sonja Piers wird eines nachts kurz vor ihrer Haustür erdrosselt. Die Münchner Kripo ermittelt im Umfeld der Toten und sowohl der 17jährige Sohn als auch der Vater des Jungen verstricken sich schnell in Widersprüche. Doch die Polizei verfolgt noch eine andere Spur: Die Tat passt in das Muster eines Serientäters. Jonas Vogel versucht, sich durch eine Tatrekonstruktion einen Eindruck des Mordes zu verschaffen.
Es geht in Anis Krimis immer darum, hinter die Fassaden zu blicken. Im Grunde sind es kleine und große Milieustudien mitten aus dem Elend des Alltäglichen. Zerrissene Familien, ungünstige Verhältnisse, schlimme Kindheit und eine gehörige Portion menschliches Desinteresse führen bei Ani häufig zu Verbrechen, die zunächst willkürlich erscheinen. Und immer ist da diese Sprachlosigkeit.
Reden. Gerade, wenn es nichts zu sagen gibt
Friedrich Ani macht sich nicht einfach auf die Suche nach dem Täter, wesentlich wichtiger sind dem Autor die Umstände und Hintergründe des Verbrechens. Es geht um die Menschen, die Schicksale und Ani drängt darauf, dass der Leser sich damit auseinandersetzt. Dazu bedient er sich hoch meisterlich des Dialogs. Die Beschreibungen sind in ihrer Präzision immer knapp und spärlich gehalten. Das Szenische des Dialogs hingegen versteht Ani großartig zu nutzen. Sein Gespür für Redeweisen und Stimmungen ist grandios und durch die Dialoge wird eine Direktheit hervorgerufen, die zumindest im deutschen Kriminalroman einzigartig ist.
Die Reise nach Süden ist vorbei
Friedrich Ani hat sich vor allem mit den hochgelobten Krimis rund um den Kommissar Tabor Süden einen Namen gemacht. Seit 2005 ist Süden Geschichte, doch Anis Ansatz Kriminalgeschichten zu schreiben ist ähnlich geblieben. Zur Zeit schickt Ani in München zwei Protagonisten auf die Spuren des Verbrechens, jeweils in eigenen Krimireihen: Polonius Fischer war früher Mönch und ist nun Polizist. Auch Fischer hat 2009 wie nun Jonas Vogel seinen dritten Fall bearbeitet.
Die Krimis von Friedrich Ani sind immer niveauvoll, wohltuend anders und empfehlenswert. So auch „Die Tat“, in dem der Autor „eine Art Reisepass für die Länder meiner zukünftigen Bücher“ sieht. Und doch fehlt in den neueren Romanen dieser eine Moment, der für mich alle Süden-Romane ausgezeichnet hat. Der magische Moment, in dem die Distanz des Lesers zur Geschichte komplett verschwindet. Eine weitere Vermissung – ein Fall für Süden.
Buch-Wertung: (7 / 10)
Friedrich Ani: „Die Tat“
Taschenbuch, Originalausabe
DTV, München, 192 Seiten
VÖ: 01.03.2010
ISBN 978-3-423-21198-7
Weiterführende Links:
Friedrich Ani Homepage
DVD-Seite zu „Die Tat“
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