Mechanica Caelestium 2- Kwell: Digital Scheissegal

„Kwell“ beschert der geneigten Leserschaft ein unerwartetes Wiedersehen mit den Ball spielenden Underdogs aus Pan. auch der zweite Band der „Mechanica Caelestium“-Serie erscheint im November 2023 in großformatiger Halbleinen-Aufmachung bei Schreiber & Leser. Diese Mal wartet ein anderes gefährliches Abenteuer auf Aster und ihre Freunde.

Gerade einmal einige Tage sind vergangen, seit sich die Kraft von Pan beim großen Widersacher Fortuna die Unabhängigkeit erspielt hat. (Nachzulesen in „Mechanica Caelestium“) Aster, ihr Freund Walli, dessen Bruder Juba und deren Vater Eddy haben sich auf dem Rückweg verlaufen. nun irren die vier Angang März 2068 durch den Wald des ehemaligen Fontainbleau.

Eddy befürchtet, dass die Großmacht bereits Truppen an die Grenze zu Pan bringt, um dort trotz der Spielniederlage die Macht zu übernehmen. doch jetzt hat sich das Quartett verlaufen und wird von Nour aufgelesen. Nour lebt mit einigen anderen in der Kommune „Kwell“. In einem alten Gebäude haben sich einige Leute zusammengefunden, die sich auf einen mönchischen Kodex des Zusammenlebens geeinigt haben. Oberverwalter Ohm scheint Aster irgendwo her zu kennen.

Motherboard

Doch der Aufenthalt in Kwell bleibt nicht lange friedlich. Auf der Suche nach eine Gruppe von Cyber-Terroristen namens Fraktion Primus schickt das Reich Fortuna eine Digitalgeschwader nach Kwell. Dessen Anführer deutet nicht nur an, dass Kwell Terroisten beherbergt, sondern auch, dass die Schiedssprüche der Mechanica Caelestium umgedeutet werden könnten. Pan bleibt also weiter bedroht. Und die Freunde müssen hier schleunigst weg.

Mit „Kwell“ (im französischen Original „La Source“), das sowohl an den Ursprung eines Fließgewässers als auch eine grundlegende digitale Kodierung benennen kann, ist es ein wenig wie mit „The Matrix: Reloaded“. Im Grunde genommen las sich „Mechanica Caelestium“ auch wegen des Epilogs wie ein auserzähltes Abenteuer, so wie auch „Matrix“ eigentlich genug erzählt hat. Dennoch freut sich das Publikum auf eine Fortschreibung, weil der Aufenthalt in der dystopisch-fantastischen Welt so packend war.

Fatherboard

Künstlerisch und wirtschaftlich ist es Szenarist und Illustrator Merwan nicht zu verdenken, dass er die erfolgreiche Story einfach weitererzählt. die Welt von Pan wird größer, weiter, komplexer und damit werden auch die Charaktere forschender und zeigen weitere Aspekte ihres Daseins. Das ist erzählerisch nicht ohne Risiko, funktioniert in „Kwell“ allerdings weitgehend gut, so sich die Leserschaft denn einlassen mag auf eine weitere Erkundung dieser zukünftigen Welt und die Reisen der Gefährten. Da mag noch viel Interessantes kommen.

Zunächst aber wird es etwas konfus, weil die Welt in der Aster und Walli bisher herumstoberten, trotz aller postzivilisatorischen Aspekte doch ziemlich analog, ja nachgerade mechanistisch geprägt war. Es gab motorbetriebende Fahrzeuge, die Andeutung eines Fallouts in der Vergangenheit und Schusswaffen. Nun kommen alte Digitaltechnik, eine kontaminierte „Rote Zone“ und Strahlenwaffen hinzu und heben das Setting in eine andere Dimension postapokalyptischen Überlebens.

I am Bored

Die Geschichte in „Kwell“ wirkt etwas zu überfüllt. Zuviele neue Storyelemente, Settings, Charaktere und historische Infos sorgen für ein Gewusel, das den Einstieg in die Story nicht gerade flüssig macht. Dafür ist das Abenteuer in „Kwell“ aber eigenständig und auch abgeschlossen. Neuleser können also durchaus mit Band 2 der „Mechanica Caelestium“ starten. Ich habe eine Ahnung, dass sich das auch für kommende Fortsetzungen so darstellen mag.

Das Artwork ist erneut herausragend und ich kann den aquarellierten Stil Merwans nur über den Klee loben. Das grafische Erzählen mit den unterschiedlichen Perspektiven, dem dynamischen Seitenaufbau und den hinreißenden, temporeichen Actionsequenzen gehören zum Außergewöhnlichsten, was jenseits des Superhelden-Mainstreams so geboten wird. Die Charaktere haben in „Kwell“ zuweilen etwas stärker Cartoonartiges, vor allem die Gesichter erinnern stärker als bisher an typische frankobelgische Comic-Helden, haben aber dennoch genug Stilistische Eigenständigkeit.

Auch wenn „Kwell“, der zweite Band der „Mechanica Caelestium“, erzählerisch etwas abfällt, weil zuviel neue Elemente gleichzeitig auftauchen, so ist das Artwork nach wie vor episch und cool. Das allein wäre Grund genug sich an Merwans hinreißender Comickunst zu freuen. Da kommt noch was. Aster ist noch längst nicht am Ende ihrer Geschichte angelangt.

Comic-Wertung: 7.5 out of 10 stars (7,5 / 10)

Mechanica Caelestium
OT: Méchanique Céleste 2: La Source, Dargaud Verlag, 2023
Autor und Illustrator: Merwan
Übersetzung: Resl Rebiersch
Verlag: Schreiber Leser, Hardcover, Halbleinen, 168 Seiten
ISBN: 978-3-96582-146-0
VÖ: 07.11.2023

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Mechanica Caelestium 2 bei Schreiber & Leser

(Zwischentitel nach einem Graffitto aus „Kwell“)