Die Kamerafahrt von den Dächern eines nächtlichen Tokio, hinab in die Straßenschluchten der Stadt, scheint endlos während ein finsterer Soundtrack darauf vorbereitet, dass es gruselig wird. Und doch kommt „Kakurenbo: Hide and Seek“ ohne einen Tropfen Blut aus. 1, 2,3, Eckstein, alles muss versteckt sein…wenn die Dämonen erwachen.
In einer speziellen Form des japanischen Versteckspiels treffen sich sieben Mitspieler, die mit Fuchsmasken bekleidet sind, an einen geheimen Ort, um in einem Stadtteil, in dem Dämonen leben, des nachts verstecken zu spielen. Und wer nachts Verstecken spielt, kann von Teufeln entführt werden.
Die Mitspieler, die sich in „Kakurenbo: Hide and Seek“ zum nächtlichen Stelldichein versammeln, kommen aus unterschiedlichen Gründen. Für einige ist es Abenteuerlust, andere, wie Hikora, sind auf der Suche nach verschwundenen Kindern. Doch obwohl sich acht Fuchsmasken einfinden, öffnen sich die Tore des verwunschenen Viertels in einem zukünftigen Tokio und das Spiel beginnt.
Und dann erschrickt man selbst, wenn die Dämonen erwachen, obwohl von Beginn an klar ist, dass dies geschehen wird. Der finstere Soundtrack passt sich optimal an die Szenerie der verschachtelten Enge und der irreführenden Gänge an und gibt dem Anime den letzten Schliff. (Hier geht’s zum Trailer.)
„Kakurenbo“ ist in vieler Hinsicht ein außergewöhnliches Anime. Inhaltlich gelingt es dem Autor und Regisseur Shuhei Morita, in seinem Erstlingswerk faszinierend und spannend japanische Folklore stimmig in ein Science-Fiction-Setting zu übertragen. Die atmosphärische Dichte und die hohe Spannung entstehen durch den Verzicht auf jegliche Nebenhandlung oder erklärender Einschübe. Dennoch ist die Handlung stimmig und nachvollziehbar. „Kakurenbo“ hält perfekt die Waage zwischen märchenhafter Allegorie und konkreter Bedrohung.
Grafisch ist Morita zusammen mit seinem Artdirector Daisuke Sajaki ein absolut überzeugendes Werk gelungen. Die beiden haben „Kakurenbo“ quasi im Alleingang in Moritas Privatwohnung erschaffen. Mit erstaunlicher Liebe zum Detail und großartigem Charakter-Design bekommen die Figuren in „Kakurenbo“ trotz ihrer starren Masken gleichzeitig Individualität und etwas Stereotypes. Das gilt gleichermaßen für die Dämonen.
Dass „Kakurenbo“ nicht von einem etablierten Studio sondern quasi im Alleingang von zwei ambitionierten Künstlern produziert wurde, ist schon sensationell. Dass diese Independent-Produktion derart viel Qualität zu bieten hat, zeugt von außergewöhnlichem Talent. Die öffentliche Würdigung auf diversen weltweiten Festivals und die zahlreichen Preise für „Kakurenbo“ sind nur folgerichtig. Das macht Mut, sich wieder mit einem überquellenden Animemarkt zu beschäftigen, der in den letzten Jahren eher durch geklonte Serienproduktion als durch tolle Stories aufgefallen ist.
Fazit: Am Ende wünscht man sich, „Kakurenbo“ wäre länger ausgefallen, als die 25 Minuten, die eine übliche Anime-Serienfolge ausmacht: Das schaurig-schöne Versteckspiel war zu vielschichtig, zu kurzweilig und zu spannend.
Film-Wertung: (8,5 / 10)
„Kakurenbo: Hide and Seek“
OT: „Kakurenbo“
Genre: Anime, j, 2005
Länge: 25 Min.
Regie: Shuhei Morita
Bonus: Making of, Interviews, Booklet (ca. 45 Min.)
FSK: Ab 12 Jahren
Vertrieb: Rapid Eye Movies
DVD-VÖ: 20.05.2011