Eine (fiktive) Kuriosität aus den Tagen der DDR löst in der deutschen Komödie „Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße“ ein Missverständnis aus. Plötzlich „Held“ und in Mittelpunkt des öffentlichen Interesses findet ein Videothekenbesitzer auch die Chance auf spätes Liebesglück. Die Bestsellerverfilmung nach einem Roman von Maxim Leo ist der starbesetzte, letzte Film von Regisseur Wolfgang Becker, der kurz nach Ende der Dreharbeiten verstarb. Zu sehen ab dem 11. Dezember im Kino.
Da fällt dem Großmagnaten ein Zacken aus der Krone, besser: im Namenszug der Videothek „Der letzte Tycoon“ ist leuchtet ein O nicht mehr. Und dann bekommt Filmnerd und Videothekenbesitzer Micha Hartung (Charly Hübner) Besuch von dem ambitionierten Journalisten Landgang (Leon Ullrich). Der hat eine Story über eine Massenflucht in der DDR ausgegraben.
1984 führ des Nachts eine ostberliner S-Bahn einfach so in den Westen und mehr als hundert Leute konnten aus der Deutschen Demokratischen Republik flüchten. Micha war seinerzeit Stellwerksassistent und soll nun absichtsvoll den Menschen zur Flucht verholfen haben. „Ja, wenn se mein’. Wollen Se nun och noch ‚n Film?“ Doch so leicht lässt sich die Sache nicht abbügeln.
Der Chefredakteur einer großen Wochenzeitschrift ist begeistert über den Helden aus Ostberlin und zum 30. Jahrestag des Mauerfalls wird das eine Titelstory. Mittfünfziger Micha wird von seiner alleinerziehenden Tochter auf einmal anders wahrgenommen. Er soll ins Fernsehen und tatsächlich bedankt sich eines Tages auch noch die attraktive Paula Kurz (Christiane Paul) persönlich bei ihrem Helden. Sie saß in jener S-Bahn.
Weichenstellung für ein anderes Leben
Da ist schlecht offenbaren, das Micha die Lorbeeren nicht verdient hat. Als der Bundespräsident ihn dann auch noch als Redner für den Festakt im Bundestag haben will, wird es dem ehemaligen ostdeutschen Bürgerrechtler Harald Wischnewsky (Thorsten Mertens) zu bunt. Er beginnt nachzuforschen, wer das denn ist, dieser „Held von Bahnhof Friedrichstraße“.
Das Publikum könnte „Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße“ als launigen Ausflug in die Ostalgie abtun; wie übrigens auch „Goodbye, Lenin“, den Wolfgang Becker ebenfalls gedreht hat. Doch das wäre zu kurz gegriffen. Sicherlich ist Maxim Leos („Junge aus Westberlin“) Romanvorlage bereits pointiert und hat den ein oder anderen knackigen One-Liner zu bieten. „Das ist die Haptik der Diktatur.“ Das ist hier ja heller als im Todestreifen.“ Doch Wolfgang Becker macht aus dem ohnehin zugänglichen Roman eine sehr kurzweilige und unterhaltsame Befindlichkeitsstudie.
Hier beklommen nicht nur die eventmüden Funktionäre und die sensationsgierigen Journalisten ihr Fett weg. Auch die Ewiggestrigen, die Engagierten und die Vergessenen tauchen kurz auf und haben unnachahmliche Momente. Wie etwa Peter Kurth. Der steht als ehemaliger MfS-Funktionär in Badehose vor der winterlichen Datsche und erklärt, ein echter Tschekist friere nicht. Oder Daniel Brühl, der Micha auf Schritt und Tritt als Method Actor imitiert.
„Sie wissen schon, die Massenflucht.“
Vor allem ist „Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße“ sehr unterhaltsam ausgefallen. Das liegt an der starken Vorlage, der großartigen Besetzung und der flotten Erzählhaltung. Wolfgang Becker, der mit „Das Leben ist eine Baustelle“, Good Bye, Lenin“ und nun „Friedrichstraße“ so etwas wie eine Berlin-Trilogie geschaffen hat, trifft den Ton meisterhaft.
Kurz nach Ende der Dreharbeiten erlag Becker einem Krebsleiden. Sodass „Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße“ auch als sein letzter Film in Erinnerung bleibt. Achim von Borries, jahrzehntelanger Begleiter, Drehbuchautor und selbst Regisseur („Babylon Berlin“) hat das Filmprojekt zum Ende gebracht, das für viele der Beteiligten auch eine Herzensangelegenheit ist. Und er hat abschließend auch noch eine kleine Hommage untergebracht.
Menschen wie Micha werden ja gerne als sympathische Loser beschreiben und gesehen. Mit der 90er Jahre Slacker Hymne „Loser“ von Beck wird das in seiner gewollten Anti-Haltung womöglich ganz stimmig. Hauptdarsteller Charly Hübner hat so seine Schwierigkeiten mit dem Begriff. Er sieht Micha lieber als Mensch ohne Ambitionen. Das muss keineswegs etwas Negatives sein, solange die Lebensfreude stimmt.
„Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße“ ist eine sehenswerte Komödie um einen Helden wider Willen, dem sich plötzlich Möglichkeiten bieten. Dabei ist die Handlung clever und sehr lustig eingewoben in aktuelle und angestrebte Erinnerungskultur und die Zahnräder des Gesellschaftsbetriebs. Ein Schelm, wer die Film-Typen auch im echten Leben findet.

Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße
OT: Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße
Genre: Komödie.
Länge: 112 Minuten, D, 2025
Regie: Wolfgang Becker
Vorlage: Roman von Maxim Leo.
Schauspiel: Charly Hübner, Christiane Paul, Leon Ullrich
FSK: ab 6 Jahren
Verleih: X Verleih, Warner
Kinostart: 11.12.2025




