Thrillerzeit im #Sommerkino25 mit „Sicario“ von 2015. Die USA haben – zumindest in der eigenen Wahrnehmung – ein gravierendes Drogenproblem, das sogar immer wieder Krieg rechtfertigt. Das Schlagwort „War on Drugs“ war nicht nur in Film und Roman häufig genug wörtlich zu verstehen. Auch Denis Villeneuves Thriller „Sicario“ beackert dieses verminte Kriegsgebiet und schickt eine aufrechte Kämpferin in den zweifelhaften Sumpf einer schlagkräftigen Task Force. Das ist vor allem spannend und handwerklich brillant.
FBI-Agentin Kate Mercer (Emily Blunt) gilt als Expertin für das mexikanische Drogenkartell, das die USA derzeit mit Rauschgift überschwemmt. Bei einem Einsatz, der eigentlich dem Drahtzieher des Kartells auf US-Territorium galt, finden sich vollkommen überraschend in Wänden eingemauerte, bestialisch ermordete Leichen. Zu allem Überfluss detoniert auch noch eine Bombe und fordert unter den Einsatzkräften ihren Tribut.

Als Kate dann zu ihren Vorgesetzten zitiert wird, glaubt sie, sich für den Einsatz rechtfertigen zu müssen; stattdessen werden ihr von einem extrem flapsig auftretenden Zivilisten in Flip-Flops absurde Fragen gestellt. Matt (Josh Brolin) stellt eine Einsatztruppe zusammen, die dem Kartell empfindlichen Schaden zufügen soll – und gerade hat er Kate rekrutiert. Die fühlt sich zwar nur mangelhaft informiert, macht aber mit, um im Kampf gegen die Drogen einen Unterschied zu machen.
Matts Team bedient sich einer Guerilla-Taktik, die sich in den Grenzbereichen der Legalität oder weit jenseits davon bewegt, um das mexikanische Kartell zu einer Reaktion zu reizen. Dafür steht ihm ein eingeschworener Haufen ausgebuffter Kämpfer zur Verfügung und der ebenso schweigsame wie mysteriöse „Berater“ Alejandro (Benicio Del Toro). Wie Kate hält er sich abseits, hat aber in der Männertruppe einen ganz anderen Status.
Versteckte Operationen gegen den Drogenhandel
Schnell wird klar, dass Matt und Alejandro andere Ziele verfolgen, als Kate mitgeteilt wurde, und dass es hier nicht um Befugnisse und Rechtsgrundlagen geht, sondern um Effektivität. Der erste Einsatz soll eine wichtige Geisel aus der mexikanischen Grenzstadt Juarez nach El Paso holen und die mexikanische Polizei kooperiert dabei sogar. Kate findet sich damit konfrontiert, immer wieder gegen Recht und Ethik zu verstoßen, während ihr Leben in konstanter Gefahr ist.
Wie dem Zuschauer gleich im Vorspann mitgeteilt wird, bedeutete „Sicario“ ursprünglich einen hebräischen Gewalttäter, der sich als verlängerter Arm der Zeloten gegen die römischen Besatzer wandte. Im Slang der mexikanischen Drogenmafia bedeutet das Wort schlicht „Auftragskiller“. Und auch wenn Dennis Villeneuves Thriller sowieso schon hochspannend und intensiv inszeniert ist, bedeutet die Frage nach jenem Killer und seinem Auftauchen eine weitere spannungsgeladene Ebene.
Die wird im Verlauf des Films allerdings immer weniger relevant, wie auch der als Krieg inszenierte Kampf gegen die Drogenmafia vielmehr actiongeladenes Stilmittel sein soll, um hinter die Geschehnisse zu blicken, um auf die Psychologie und Ethik des Handels einzugehen.
Feuer mit Feuer bekämpfen
Doch in diesem Aspekt ist „Sicario“ deutlich schwächer als Villeneuves hochgelobtes Thrillerdrama „Prisoners“ oder auch das mit Preisen überhäufte Drama „Incendies – Die Frau, die singt“. Vielmehr ist Kate die einzige Figur, die sich überhaupt über die Rechtmäßigkeit des Handelns Gedanken macht und je effektiver das von Matt und Alejandro geleitete Undercover-Team agiert, desto mehr rückt die Ethik und mit ihr auch Kate an den Rand des Geschehens. Das mag so gewollt sein, wirkt aber auch ein wenig unglücklich.
Auch das Drogen- und Kampfeinsatzszenario, das sich irgendwo zwischen „Traffic“ und „Zero Dark Thirty“ positioniert, weiß nicht immer zu überzeugen. Drehbuchautor Taylor Sheridan, vielen vielleicht als Darsteller von Sheriff Hale aus der Erfolgsserie „Sons of Anarchy“ bekannt, baut zwar Spannungen und Konflikte auf, aber deren Auflösungen sind letztlich auch irgendwie redundant.
Ebenso sind die Darsteller ziemlich typgerecht (und somit berechenbarer) gecastet: Emily Blunt hat sich in „Edge of Tomorrow“ und „Looper“ als wehrhaft erwiesen, Josh Brolin agiert mit jener zwiespältigen und konsequenten Ruchlosigkeit, die viele seiner Rollen seit „Into The Blue“ auszeichnet und Benicio Del Toro mimt – erneut überzeugend – den dunklen Zwilling jenes aufrechten mexikanischen Cops Rodriguez, den er schon in „Traffic“ gab.
Messerscharfe Schnitte und furiose Kameraarbeit
„Sicario“ geht also als solider Thriller im Drogenmilieu durch, wie so vieles in der vergleichsweise aktuellen amerikanischer Literatur und dem amerikanischem Film, egal ob „Savages“ von Oliver Stone nach Roman von Don Winslow, Ridley Scotts „American Gangster“ oder Sam Hawkens „Die toten Frauen von Juarez“. Aber seine eigentlichen Qualitäten entwickelt „Sicario“ in anderen Bereichen und das ist auch zwei weiteren Schwergewichten zu verdanken, die ihr Metier verstehen: Kameramann Roger Deakins und Editor Joe Walker.
Der bereits zwölffach Oscar-nominierte Deakens („No Country for Old Men, „James Bond 007 -Skyfall“) schafft häufig Perspektiven, als wäre der Zuschauer selbst mit dabei. Und seine Kamerafahrt entlang des Grenzzaunes der die USA von Mexiko trennt ist ebenso großartig wie die Gesamtimpression, die die Bilder von dieser wüsten Gegend vermitteln. Und Editor Joe Walker „Hunger“, „Harry Brown“, 12 Years a Slave“) ist ebenfalls ein Meister seines Faches, dem immer wieder ungewöhnliche Details und Kontraste gelingen. Das macht „Sicario“ zu einem wirklich intensiven Filmerlebnis. Eine grandiose Filmmusik tut das ihre, um diese Bilder auch in ihrer Wirkung zu unterstützen.
Dennis Villeneuves starbesetzter Thriller „Sicario“ hat zwar inhaltlich einige laue Momente, ist aber immer noch mehr nur als spannende Actionunterhaltung. Ein intensiver Film ist „Sicario“ allemal.
Sicario
OT: Sicario
Genre: Thriller
Länge: 121 Minuten, USA, 2015
Regie: Denis Villeneuve
Schauspiel: Emily Blunt, Benicio del Toro, Josh Brolin,
FSK: ab 16 Jahren
Verleih: Studiocanal
Kinostart: 01.10.2015
DVD- & BD-VÖ: 04.02.2016
Ein Kommentar