
Die Zukunft der USA sieht düster aus. Die Zeit der Superhelden ist vorbei. Steve Rogers ist längst kein Captain America mehr und das Supersoldatenserum wirkt auch nicht mehr. Steve wird alt. Und doch fühlt er sich gezwungen einzugreifen, wenn das Böse die Nation übernimmt. Mit dem Avengers-Event „Twilight“, das bei Panini Comics unter dem Titel „Schattenkrieger“ erschienen ist, erzählen Autor Chip Zdarsky und Künstler Daniel Acuña von einer düsteren Zukunft für Marvels Helden.
Die Knochen knacken, das Aufwachen fällt ebenso schwer wie das Aufstehen und doch wuchtet sich Steve Rogers, der mal Captain America war und auch mal US-Senator, jeden Morgen pflichtbewusst aus dem Bett. Die Ärztin Rose, mit der er zusammenlebt, weiß das zu schätzen. Auch die alten Kumpel Luke Cage und ex-Daredevil Matt Murdock, die Steve fast täglich im Park trifft.
Aktuell regt sich nicht nur Steve über eine TV-Doku auf, die das Leben von Erzfeind Red Skull neu beleuchtet. Darin wird behauptet, Red Skull wäre Widerstandskämpfer gegen die Nazis gewesen und der Mann sein ein verkannter Held. Steve geht auf die Barrikaden und in eine TV-Talkshow, wo er von James Stark in eine rhetorische Falle gelockt wird.
„Für wen halten Sie sich? Ich bin der Präsident.“
Der Sohn von Tony Stark und Janet van Dyke (Iron Man und Wasp) leitet Stark Industries und ist ein enger Vertrauter des US-Präsidenten. James ist nach dem H-Day, an dem die Helden versagten und die Welt sich gegen sie gewendet hat, praktisch als Waise aufgewachsen. Aufgezogen und unterstützt von Kyle Jarvis, dem Bruder von Jarvis. Kyle ist auch der CEO von Stark Industries. In einer Welt ohne Superhelden läuft das Geschäft mit Waffen und selbst-kämpfenden Rüstungen ziemlich gut.
Luke Cage, der mal New Yorks Bürgermeister war, drängt Steve Rogers wieder das Captain America Kostüm zu tragen. Denn die unzufriedene Bevölkerung braucht ein Symbol im Kampf gegen den Überwachungsstaat, der mit Sperrstunden und fliegenden Augen alles kontrolliert. Steve ringt sich zu einer Entscheidung durch, die sein Privatleben pulverisiert.
Die Welt von „Avengers: Twilight – Schattenkrieger“ ist finster und dystopisch. Und dennoch muss die alte Heldenriege wieder ran, um Amerika vor dem Bösen zu retten. Und das hat sich Zutritt zu den Hallen der Macht erschlichen. Es geht also formal gegen das eigene Land, die eigene Regierung. Aber der heldische und zivile Widerstand speist sich aus der Moral, die unterscheiden kann zwischen richtig und falsch und zwischen Gefangenschaft und Freiheit.
Doch die Welt hat sich verändert und die Bürger:innen sind längst nicht mehr so freiheitsverliebt, solange alles läuft wie immer und es ihnen leidlich gut geht. Die alten Recken stoßen nicht gerade auf Begeisterung. Und auch Cap weiß die Leute kaum mitzureißen.
„Ich bin der CEO von Amerika. Und sie sind nur ein Maskottchen.“
Ein Schelm, wer in „Avengers: Twilight –Schattenkrieger“ aktuelle gesellschaftliche Tendenzen gespiegelt sieht. Immerhin ist der Konflikt zwischen den Generationen schon mal geringer gewesen als zwischen Gen Z und Baby Boomern. Auch sind Fake News, Überwachung und Beschneidung von Bürgerrechten beileibe keine ausschließlich aktuellen Probleme in einigen westlichen Ländern.
In den USA erschien „Twilight“ quasi parallel zum US-amerikanischen Wahlkampf im vergangenen Jahr, aber üblicher Weise werden Mainstream-Comics ja nicht als politisch gewertet. Aber das mag jed:r selbst lesen und hineindeuten. Die Story weiß mit ihren Wendungen und ihrer düsteren Stimmung jedenfalls zu gefallen.
In Sachen Artwork bleibt Acuña seinem textenden Kollegen Zdarsky nichts schuldig. „Schattenkrieger“ kommt nicht in klassischer konturierter Superhelden-Manier daher, sondern mit einem Stil, der für erstaunliche Tiefe sorgt. Das liegt zum Teil an den offenen oder bunten Konturen, großteils aber an den farbigen Schattierungen. Bisweilen fühlt sich die Leserschaft an Gemälde erinnert.
Dabei sind die Panels extrem detailreich. Was auch der animierte Trailer zeigt. Hinzu kommt eine sehr variable Seitenaufteilung und eine extrem dynamische Action-Inszenierung. Acuña ist sparsam mit Soundeffekten, bekommt aber mit seinen Farbeffekten und den Lichtwirkungen erstaunliche Lebendigkeit in die Aktion. Das macht mir zumindest sehr große Freunde. Allerddings sei auch angemerkt, dass Artwork immer auch Geschmackssache ist.
Die Fusion aus starker Story und knackiger Illustration sorgt für eine der besten Avengers-Serien seit langem. Nicht wenige reden bereits von einem Superhelden-Comicklassiker und Panini zieht Parallelen zu Frank Millers „Batman: Return oft he Dark Knight“. Soweit würde ich nicht gehen, aber „Avengers: Twilight – Schattenkrieger“ ist eine großartige Serie, die mit furiosem Artwork und eine wendungsreichen Story für extremes Lesevergnügen sorgt. Das würde sich auch auf der Leinwand gut machen.
Avengers: Twilight – Schattenkrieger
OT: Avwengers: Twilight 1-6, Marvel Comics, 2024
Genre: Comic, Superhelden
Autor: Chip Zdarsky
Artwork: Daniel Acuña
Übersetzung: Bernd Kronsbein
ISBN: 9783741638961
Verlag: Panini comics, Softcover, 200 Seiten
VÖ: 26.11.2024
Schattenkrieger bei Panini Comics