Zusammenstellungen haben immer etwas Zwiespältiges. Zum Teil liegt es daran, dass einzelne Ereignisse aus dem Zusammenhang gerissen werden und neu angeordnet, zum Teil liegt es daran, dass sich der Fokus verschiebt. Im Fall der vorliegenden Sammlung von Shang-Chis „größten Kämpfen“ wird im Zuge der Film-Veröffentlichung von Marvels „Shang-Chi“ vor allem versucht, einer breiten Leser- bzw. Zuschauerschaft den „neuen Helden“ näherzubringen. Hier sind Team-Ups von Shang-Chi mit beliebten Marvel-Helden aus den letzten 25 Jahren zusammengefasst.
Es geht chronologisch zu in der Zusammenstellung “Shang-Chi: Seine größten Kämpfe. Zunächst hilft der Kung-Fu-Meister den X-Men der 1990er über drei US-Ausgaben dabei eine Verschwörung in der Unterwelt aufzudecken. Anschließend ist Shang-Chi für zwei Hefte ein Teil der „Heroes for Hire“ (1997), bevor es eine längere Pause gibt und Shang-Chi erst wieder 2010 auf den Plan tritt. In den drei abschließenden US-Einzelheften hilft der Kung-Fu-Spezialist zunächst Spiderman im Rahmen des “Shadowland“-Events, um anschließend Teil der Secret Avengers und der „richtigen“ Avengers zu werden.
Um es gleich mal auf den Punkt zu bringen: Die Stories sind von ziemlich unterschiedlicher Qualität und von sehr unterschiedlicher zeichnerischer Ausprägung. Was normalerweise eine Qualität von Zusammenstellungen sein kann, dass sie einen Überblick bieten, ist im Fall von „Shang-Chi: Seine Größten Kämpfe“ nicht gegeben. Stattdessen wirkt der Band ein wenig zusammengeschustert und hat nicht immer den unbekannten Marvel-Helden tatsächlich im Brennpunkt.
Der dreiteilige „X-Men“-Storybogen ist wirklich stark und hat auch bezog zu Chang-Chi, dessen Vater ein Unterwelt-Imperium hinterlässt, dass in Auflösung begriffen ist. Spannend ist es, zu sehen, wie sich der Kämpfer mit den X-Men einlässt und versucht, deren Gruppendynamik zu analysieren. Dazu ist das Artwork überbordend, schillernd bunt und muskelbepackt, wie man das aus den besten 90er-Superheldencomics kennt. Das hat inzwischen wieder einen Retrocharme, der sehr sympathisch rüberkommt.
Das Artwork in der „Heroes for Hire“ strecke ist ganz anders und dennoch genauso typisch Neunziger, erinnert an Bill Sienkewitz und die „New Mutants“ flächiger, rudimentärer und dann doch wieder dynamisch und voller Action. Leider hält die Story nicht mit, die seinerzeit die „Heroes For Hire“-Serie beendete. Die Schiffsentführung und das Ende des Teams sind erzählerisch bereits von routinierter Müdigkeit geprägt. Die Serie hat ihr Zenit überschritten und auch Shang-Chi kann da nichts mehr retten, macht im Gegenteil auch keine herausragende Figur oder steht erzählerisch im Mittelpunkt.
Erst in den letzten drei Einzelheft langen Abenteuern kommen die großen Namen zum Zug, mit denen auf dem Einband geworben wird: Warren Ellis, Jonathan Hickman, Mike Deodato. Auch David Aja hat hier seinen Kunstspot aber erzählerisch kommt in den Stories nicht mehr viel rüber, auch aus dem Grund, weil auf den rund 25 Seiten nicht viel zu erzählen ist. Das artwork in allen drei Abenteuern weiß zu gefallen, aber die Spider-Man „Shadowland“-Episode ist derart aus dem Zusammenhang geholt, dass es einer komplexen Einleitung bedarf, um hier auf den Punkt zu kommen. Die beiden Avengers-Episoden von Shang-Chi sind ok, aber auch keine erzählerischen Highlights mehr.
Shang-Chi der Meister der Kampfkünste hält sich in den Marvel Team-Ups wacker. Ob es sich um seine größten Kämpfe handelt darf allerdings bezweifelt werden. Dem Martial Arts Master wäre vielleicht im Vorlauf der Leinwandpremiere eher mit mehr Eigenständigkeit gedient gewesen, um eine eigene Anhängerschaft hinter sich zu scharen. Für Komplettisten ist die nicht immer starke Zusammenstellung durchaus reizvoll, Einsteiger sollten eher zur Miniserie „Shang-Chi: Tödlicher Drache“ greifen.
Comic-Wertung: (6 / 10)
Shang-Chi – Meiser des Kung-Fu: Die größten Kämpfe
OT: Avengers (2012) 11, Heroes For Hire (1997) 18-19, Secret Avengers (2010) 18, Shadowland: Spider-Man (2010) 1, X-Men (1991) 62-64
Genre: Comic, Superhelden,
Autoren: Dan Slott, John Ostrander, Jonathan Hickman, Scott Lobdell, Warren Ellis
Zeichner: Carlos Pacheco, David Aja, Mike Deodato Jr., Pasqual Ferry, Paulo Siqueira
Farben: Raul Alolen, Fabio D’auria, Chris Lichtener, Liquid, Aron Lusen, Frank Martin Jr., Joe Rosas
Übersetzung: Bernd Kronsbein, Reinhard Schweizer, Michael Strittmatter
Verlag: Panini Comics, Softcover, 196 Seiten
VÖ: 17.08.2021