Gerade hat „Für immer hier“ einen Oscar als bester fremdsprachiger Film in seinen Reihen an internationalen Film-Trophäen aufgenommen. Nun kommt das brasilianische Drama nach wahren Begebenheiten auch hierzulande in die Kinos. Der Film erzählt das Schicksal der Familie Paiva unter der Militärdiktatur zu Beginn der 1970er Jahre.
Im Jahr 1970 herrscht in Brasilien zwar eine Militärdiktatur, aber die Familie des ehemaligen Ministers und Juristen Rubens Paiva führt ein unbeschwertes Leben. Die fünf Kinder vergnügen sich am sommerlichen Strand und das Haus steht den vielen Bekannten und Freunden der Familie immer offen. Doch es wird auch über Politik diskutiert. Rubens Frau Eunice hält sich da weitgehend heraus.
Eben noch prägt ungetrübte Lebensfreude den Tag der Familie Paiva in Rio de Janeiro. Dann streckt das Militär seine Greifer aus und nimmt Familienvater Rubens Paiva (Selton Mello) mit. Kurz darauf werden auch seine Ehefrau Eunice (Fernanda Torres) und die älteste Tochter Veroca (Maria Manoella) zu Verhören abtransportiert.
„Jemand kommt einfach in dein Haus…“
In dem Stadthaus nahe des Strands bleiben die vier jüngeren Kinder und die Hausangestellte zurück. Es dauert, bis sich Eunice nach orientierungslosen Tagen der Verhöre nach Hause begeben darf. Auch die Tochter kehrt zurück, nicht aber Vater Ruben. Eunice bekommt von den Behörden keine Information über den Verbleib ihres Gatten.
Eunice versucht über Bekannte an Informationen zu kommen, aber das ist riskant, denn die Militärregierung hat den Umgang mit der Opposition deutlich verschärft. Außerdem muss Eunice dafür sorgen, dass ihre Familie nicht unter die Räder kommt. Das Einkommen von Rubens fehlt, nach und nach muss die Familie Abstriche in ihrem Alltag machen, um in dem Haus zu bleiben. Immer in der Hoffnung, dass Rubens zurückkehrt.
„Für immer hier“ beruht auf den Erinnerungen des Familiensohnes Marcelo Rubens Paiva, der auch am Drehbuch mitwirkte. Regisseur Walter Salles erzählt auch eine persönliche Geschichte, denn er kannte die Familie und deren Haus in Rio als Kind. Auch wenn die Aufarbeitung der Militärdiktatur inzwischen seit Mitte der Neunziger Jahre bekannt ist, wird an dieser Stelle nicht weiter auf den Verlauf der Filmhandlung eingegangen. Das mag jede:r selbst sehen.
„…nimmt deinen Mann mit…“
Die Militärdiktatur in Brasilien dauerte von 1964 bis 1985. Nachzulesen für erste Informationen im Wikipedia-Eintrag zu Brasilien. Allerdings gab es auch unter der am längsten andauernden Militärdiktatur Lateinamerikas unterschiedliche Phasen. Gerade Ende der 1960er Jahre reagierte das Militär auf die Studentenunruhen mit dem Machtwechsel von Präsident Costa e Silva zu General Emílio Garrastazu Médici. Unterdessen Führung verschärfte sich der Umgang mit Regierungsgegnern drastisch und die Unterdrückung des Volkes nah deutlich zu.
In dieser Zeit ist „Für Immer hier“ angesiedelt und zeigt bedrückend die Hilflosigkeit und das Ausgeliefertsein gegenüber der Militärmacht. Gerade die Furcht vor dem meistens fatalen Schicksal der von der Regierung verschleppten Personen sorgte für emotionalen Stress. Die nagende Ungewissheit beherrscht das Leben der Zurückgebliebenen.
„…und behaupted dann, er ist weg.“ (Eunice)
Und gerade in dieser Situation setzt „Für immer hier“ ein Zeichen des Lebensmuts und der Hoffnung dagegen. Familienmutter Eunice versucht alle, um sich nicht unterkriegen zu lassen. Sie wehrt sich mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln und Beharrlichkeit gegen die Leugnung der Regierung ihren Mann abgeholt zu haben.
Dem brasilianischen Filmmacher Walter Salles („On The Road“, „Central Station“) gelingt es in „Für immer hier“ eine zu Herzen gehende und gleichzeitig beispielhafte Geschichte zu zeigen, die das Leid und die Ungerechtigkeit, die ein ganzes Landes erdulden musste, in einen Mikrokosmos zu verwandeln, im dem das Publikum die kleinen Alltagsfreuden und Leiden des Familienlebens neben der Unverzagtheit und dem Leid miterleben darf. Das ist schon großartig erzählt und von einem starken, hierzulande weitgehend unbekannten, Ensemble vorgetragen.
„Für immer hier“ ist engagiertes und leidenschaftliches Kino. Das Publikum ist nahe dran an der emotionalen Achterbahnfahrt der Familie und dem unbändigen Bemühen der Mutter ihre Familie zu beschützen und Informationen zu bekommen. Das ist von Fernanda Torres furios dargeboten und bereichert den detailfreudigen mit viel Zeitkolorit ausgestatteten, bewegenden Film ungemein.
Für immer hier
OT: Ainda estou aqui
Genre: Drama, Biografie
Länge137 Minuten, BR, 2024
Regie: Walter Salles
Vorlage: Biografischer Roman von Marcelo Rubens Paiva
Schauspiel: Fernanda Torres, Selton Mello, Guilherme Silveira, Maria Manoella,
FSK: ab 12 Jahren
Verleih: DCM Films
Kinostart: 13.03.2025