Anno 2012 war das „Charles Dickens“-Jahr, weshalb gleich zwei neue Verfilmungen der Geschichte „Great Expectations“ zu bestaunen waren. Aus dem Archiv „Große Erwartungen“ mit Gilian Anderson & Ray Winston. Der TV-Dreiteiler der BBC legt die Messlatte ziemlich hoch und begeistert nicht nur mit großartig gefilmten Kulissen.
Der Waisenjunge Phillip „Pip“ Pirrip (Doughlas Booth) wächst bei seiner Schwester und ihrem Mann, einem Schmied in den rauen Marschlanden an der Küste von Kent auf. Eines Tages fällt er dem entflohenen Sträfling Abel Magwich (Ray Winstone) in die Hände und muss diesem helfen zu fliehen. Doch der Sträfling wird gefasst. Kurz darauf wird Pip von seiner älteren Schwester zu der Lady Havisham (Gilian Anderson) geschickt, denn diese sucht einen Spielgefährten für ihre Adoptivtocher Estella (Vanessa Kirby).
In den langsam verfallenden Anwesen haust die Lady seit ihre Hochzeit geplatzt mit ihrem Mündel. Sie ist einsam und verbittert und sinnt auf Rache an der Männerwelt. Pip seinerseits lernt hier eine völlig fremde Welt kennen und verliebt sich in Estrella.
Jahre später, als er bei seinem Schwager eine Schmiedelehre macht, wird Pip von einen mysteriösen Gönner ein Vermögen in Aussicht gestellt. Er soll in London zum Gentleman erzogen werden. In dem Glauben, dass Lady Havisham ihn als Estrellas künftigen Gatten auserwählt hat, bricht Pip nach London auf.
Unbekannte Gönner und sozialer Aufstieg
„Große Erwartungen“ zählt nicht nur zu den Hauptwerken von Charles Dickens, der von genau 200 Jahren geboren wurde, sondern ist auch etliche Male verfilmt worden. Die BBC-Verfilmung des TV-erfahrenen Brian Kirk („Game of Thrones“, „Luther“, Brotherhood“) setzt auf Werktreue und den Figurenreichtum der literarischen Vorlage. Im Mittelpunkt der Geschichte stehen quasi gleichberechtigt das Erwachsenwerden von Pip und der Niedergang der Lady Havishham. Deren Besetzung mit „Akte X“-Star Gilian Anderson war ein Clou, der sich auch auszahlt. Mit ätherischer Blässe zieht die verbitterte, verblühte Schönheit ihre Rachepläne durch. Andererseits bleibt der Waisenjunge Pip auch als Gentleman ein wenig blass und geckenhaft.
Doch es ist vor allem die überspitzt dargestellte viktorianische Atmosphäre, die überzeugen kann. Nebelschwangere Bilder von Küstenlandschaften, ein zutiefst verwunschenes Schloss und ein turbulentes zeitgenössisches London machen es dem Zuschauer leicht in die großartige Geschichte einzutauchen. Dass mit Ray Winstone auch noch eine treffliche Besetzung für den Sträfling Magwich an Bord ist, macht „Große Erwartungen“ unterhaltsam und kurzweilig. In den 180 Minuten Spielzeit entfaltet sich das Dickens’sche Figurenballett mit zunehmender Intensität und Verzahnung der Geschichte. Dass dabei einige Aspekte der literarischen Vorlage ausgelassen werden ist verzeihlich.
Diese Verfilmung von „Große Erwartungen“ legt ihren Fokus grundsätzlich eher auf die Motive Klassenunterschiede, Verbrechen und Rache und weniger auf die romantische Beziehung zwischen Estrella und Pip. Trotz der etwas überspitzten Zeichnungen der Charaktere ist der BBC-Dreiteiler „Große Erwartungen“ ziemlich gelungen.
Serien-Wertung: (7 / 10)
Große Erwartungen – Great Expectations
OT: Great Expectations
Genre: TV-Serie, Literaturverfilmung, Drama
Länge. 180 Minuten, GB, 2012
Regie: Brian Kirk
Vorlage: Roman „Great Expectations“ von Charles Dickens
Schauspiel: Daniel Booth, Vanessa Kirby, Ray Winston, Gilian Anderson
FSAK: ab 16 Jahren
Vertrieb: Polyband
DVD- & BD-VO: 30.11.2012