Anno 2012 war das „Charles Dickens“-Jahr, weshalb gleich zwei neue Verfilmungen der Geschichte „Great Expectations“ zu bestaunen waren. Aus dem Archiv „Große Erwartungen“ mit Helena Bonham Carter und Ralph Fiennes. Die Dickens Verfilmung schwächelt vor allem daher etwas, weil sie sich im Wesentlichen auf die Liebesgeschichte zwischen Pip und Estrella fixiert. So ist aus dem großen, satten Gesellschaftsgemälde eine schlichte Romanze geworden.
Als Waisenjunge wächst Pip (Jeremy Irvine) bei seiner Schwester und deren Mann, einem Schmied, in den Marschlanden an der englischen Küste auf. Eines Tages gerät er in die Hände eines entflohenen Sträflings (Ralph Fiennes) und soll diesem bei der Flucht helfen. Doch der Mann wird wieder gefangen. Einige Zeit später sucht die zurückgezogen lebende Lady Havisham (Helena Bonham Carter) einen Spielgefährten für ihr Mündel Estrella (Holiday Granger) und Pip wird auserwählt.
Bald darauf wird er wieder verstoßen und beginnt eine Lehre als Schmied. Jahre später wird Pip (Robbie Coltrane) von einem unbekannten Gönner ein Vermögen vererbt, woraufhin er in London zum Gentleman erzogen werden soll. In der Annahme, Lady Havisham wolle ihn als Gatten für Estrella formen eilt der verliebte junge Mann nach London.
Vom Spielgefährten zum Gentleman
„Große Erwartungen“ ist eines der Hauptwerke des großen Literaten Charles Dickens und wurde etliche Male verfilmt. Nach wie vor gilt David Leans oscar-gekrönte Verfilmung (deutsch: „Geheimnisvolle Erbschaft“) von 1946 als die beste und werkgetreueste Verfilmung. Daran ändert auch Mike Newell („Harry Potter und der Feuerkelch“, „Prince of Persia“) Neuverfilmung nichts. Seine Umsetzung nach einem Drehbuch von David Nicholls ist zwar mit zeittypischem Londoner Großstadtdreck beschmiert bleibt aber inhaltlich eher harmlos. Die unglückliche Romanze des jungen Helden, der darüber seine Herkunft vergisst, hat nichts mehr vom gesellschaftskritischen, klassenbewussten Geist der literarischen Vorlage.
Außerdem ist „Große Erwartungen“ wie fast alle Dickens Geschichten derart bevölkert von eigenwilligen Figuren, was in den Adaptionen zumeist einige zu kurz kommen. Die Frage ist, wen man weglässt und damit auch, welche Nebenhandlung man ausschließt.
Newell hat sich entschlossen auf Einiges an Drama zu verzichten und die romantischen Momente zu unterstreichen. Das wirkt leider auch auf die großartig besetzten Charaktere der Lady Havisham und des Sträflings Magwitch zurück, die ihr Potential kaum entfalten können. Gerade bei Helena Bonham Carter fällt das ins Gewicht, ihre Lady ist keineswegs so verbittert wie man es sich und der großartigen Schauspielerin wünschen würde.
Am Ende bleibt „Große Erwartungen“ deutlich hinter selbigen zurück und eine erstaunlich harmlose Verfilmung eines der großen literarischen Klassikers. Solide Unterhaltung mit schönen Bildern ist trotzdem drin.
Film-Wertung: (5 / 10)
Great Expectations – Große Erwartungen
OT: Great Expectations
Genre: Drama, Literaturverfilmung, Romanze
Länge: 128 Minuten, GB, 2012
Regie: Mike Newell
Voiralge: Roman „Great Expectations“ von Charles Dickens
Schauspiel: Robbie Coltrane, Holliday Granger, Helena Bonham Carter, Ralph Fiennes,
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb:
Kinostart: 13.12.2012
DVD- & BD-VÖ: ? nicht bekannt