Der deutsche Kolonialismus scheint in den letzten Jahren etwas mehr in das öffentliche Interesse gerückt zu sein, aber das mag ebenso gut täuschen. Der Dokumentarfilmer Jürgen Ellinghaus beschäftigt sich schon einige Zeit mit den Filmen des „Afrikaforschers“ Hans Schomburgk, der 1913 in der Kolonie Togoland mit der Kamera unterwegs war. In Togo sind diese Aufnahmen kaum bekannt, und so sind Ellinghaus und Kollegen mit einem mobilen Kino unterwegs auf den Spuren der damaligen Expedition. Dropout Cinema zeigt den Film in der Reihe „Politisches Kino“ ab dem 28. November 2024.
Dokumentarfilmer Jürgen Ellinghaus sieht alte Aufnahmen aus der Kolonie Togoland und fragt sich, was die Menschen dort heute von diesen Aufnahmen halten würden. Der Filmmacher entschließt sich mit einem mobilen Kino die Reiseroute des damaligen Filmmachers Hans Schomburgk nachzureisen. An unterschiedlichen Stationen wird der Film dem einheimischen Publikum gezeigt.
Zumeist kommentiert von einem älteren Zuschauer,der noch Wissen über die deutsche Kolonialzeit hat. Die Reaktionen fallen recht unterschiedlich aus, gehen von Neugier über Bemerkungen über Arbeit, Nacktheit und Steuern bis zum Erkennen von Vorfahren. Erst der abschließende Stopp bei einem Filmclub in der Hauptstadt Lomé wirft die (akademische) Frage auf, ob diese Aufnahmen der Bevölkerung überhaupt gezeigt werden sollen.
Besuch auf den deutschen Friedhof
Der Dokumentarfilmer zieht sich derweil auf die Position des Beobachters zurück, beantwortet eine Verständnisfrage und kommentiert Wetter- und Reisebedingungen. Dabei zitiert Ellinghaus aus dem Off auch die Beobachtungen aus dem Reisetagebuch der späteren Schomburgk Gattin „Meg“, die als Darstellerin in seinen Filmen auftritt.
Hans Schomburg galt als „der Afrikaexperte seiner Zeit“ wie über den Hamburger Jung gerne mal gesagt wird. Abgesehen von der Schenkung eines Zwergflusspferdes an den Berliner Zoo, war Schomburgk seit Ende des 19. Jahrhunderts immer wieder in Afrika. Zunächst in Südafrika, wo er im Burenkrieg kämpfte, dann als Großwildjäger und als Tierfilmer. Im Nationalsozialismus war Schomburgk aufgrund seiner Abstammung weitgehend kaltgestellt, aber nach dem Krieg führt er seine Expeditionstätigkeit in Afrika fort.
Insofern ist häufig jene spätere Phase gemeint, wenn über Schomburgks Zeit parliert wird. Und selbstredend ist das Tun und Betrachten exotistisch und rassistisch und im Gedankengebäude seiner Zeit verortet. Dazu an dieser Stelle zwei weiterführende Verweise. Anno 2020 wurde auf Arte die Doku „Das Auge Afrikas“ über Hans Schomburgk ausgestrahlt. Außerdem wurde sein Leben anlässlich des Todestages 1967 im WDR Hörfunk präsentiert.
„Denn der Eingeborenen ist von Natur aus nicht in der Lage vorauszuschauen.“ (Tagebuch Meg)
Im Jahr 1913 besuchte Schomburgk mit einer größeren Filmexkursion die deutsche Kolonie Togoland, hauptsächlich um die Errichtung eines Funkturmes zu dokumentieren. Doch es schlossen sich auch weitere Filmaufnahmen an. Dabei vermischt Schomburgk in diesen Tagen dokumentarische Aufnahmen mit jenen, die er für seine Abenteuerfilme plant. Und wer deutsche Kolonialgeschichte im Spielfilm aufbereitet sehen will, kann es mit Lars Kraumes „Der vermessene Mensch“ versuchen.
Während der deutsche Dokumentarfilmer Jürgen Ellinghaus die wenigen noch erhaltenen Filme Schomburgks kennt, sind sie in Togo wenig bis gar nicht bekannt. Das liegt auch daran, dass die Kolonialzeit Togos bis 1960 andauerte. An die deutsche Kolonialherrschaft, die vom ersten Weltkrieg beendet wurde, schloss sich eine britische Besatzung an und dann eine langandauernde französische. Diese hat sich auch in der Sprache niedergeschlagen.
Wenn Ellinghaus den Togolesen die Stummfilme mit und über ihre Vorfahren zeigt, wird das vor allem mit einer gewissen Neugier gesehen. Es scheint bisweilen, als würde die deutsche Kolonialphase hier zum Teil noch nostalgisch verklärt, und erst die Filme zeigen die Zwangsarbeit und das repressive Kolonialsystem sowie die Strafexpeditionen.
Die Musterkolonie und die vergessene Zeit
Togoland als Kolonie beinhaltete neben dem heutigen Staat Togo auch Gebiete des Nachbarlandes Ghana (nachzulesen bei Wikipedia). In dieser Region ist auch die Doku „Dahomey“ angesiedelt, die gerade erst im Oktober in den Kinos zu sehen war. Außerdem spielt auch der fiktive historische Abenteuerfilm „The Woman King“ in diesem Teil Westafrikas, dem Golf von Guinea.
„Togoland Projektion“ ist ein ambitioniertes Filmprojekt, das seine Wurzeln wohl in einem ausgezeichneten Kurzfilm Ellinghaus‘ von 2017 hat. Und dennoch hatte sich der Rezensent etwas mehr Kontext gewünscht, der im Film aufbereitet würde und zur Verortung und Einordnung beigetragen hätte.
Grundsätzlich ist es durchaus legitim sich als Filmmacher auf den Beobachter-Standpunkt zu begeben. Doch das Dilemma der Anthropologie ist ja, dass allein die Anwesenheit eine Beeinflussung darstellt. Das weiß ich, aber dem Publikum (hier wie dort) mag das nicht immer klar sein. Tatsächlich ist es möglicherwies etwas unglücklich die Diskussion, ob das Bildmaterial der Bevölkerung überhaupt gezeigt werden sollte, ans Filmende zu platzieren.
Andererseits stellt sich nicht nur bei Schomburgks Bildern die Frage, was sie erzählen und was sie weglassen. Die Diskussionen um lokale Aufführung werden an einer Stelle kurz angerissen, als es um die Nutzung eines tatsächlichen Kinos geht. Ein solches Projekt kann und wird ja auch nicht ohne Wissen der Behörden stattgefunden haben.
Wohl wissend, dass „Togoland Projektionen“ über ein schmales Budget verfügte, wirken die Vorführsituationen bisweilen dennoch etwas banal und nicht alle Projektionen wirken gut besucht. Inwieweit das Interesse im Togo an dieser Phase der kolonialen Vergangenheit tatsächlich vorhanden ist, sei mal dahingestellt. Für die notwendige und langsam stattfindende Kolonialismus-Aufarbeitung hierzulande ist „Togoland Projektionen“ ein wertvoller Diskussionsbeitrag.
Film-Wertung: (6 / 10)
Togoland Projektionen
OT: Togoland Projektionen
Genre: Dokumentasrfilm, Historisches
Länge: 96 Minuten, D, 2023
Regie: Jürgen Ellinghaus
FSK: ?
Vertrieb: Dropout Cinema
Kinostart: 28.11.2024
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