City of Darkness: Existenzgrundlagen

Es gab eine Zeit als im britisch regierten Hongkong eine Stadt in der Stadt existierte. Die Kowloon Walled City war in den 1980er Jahren die an dichtesten besiedelte Stadt der Welt. Genug Anlass zur Legendenbildung und die Kulisse für einen der packendsten Action-Filme des Jahres. „City of Darkness“ nach der gleichnamigen Graphic Novel – oder besser Manhua Serie – von Yuji und Andy Seto erzählt ein Gaunerepos und erweckt zugleich die goldene Zeit der Hongkong Martial Arts-Filme wieder zum Leben. Plaion Pictures bringt den furiosen Actioner am 28.November 2024 in die Kinos.

Der illegale Einwanderer Chan Lok-Kwan (Raymond Lam) hält sich mit schlechtbezahlten Ausbeuterjobs über Wasser. Der kräftige junge Mann ist aus Vietnam in das Hongkong der späten 1980er Jahre gekommen und braucht dringend Papiere. Doch der Triadenboss Mr. Big (Sammo Hung) denkt überhaupt nicht daran, die billige Arbeitskraft ziehen zu lassen.

Spontan klaut der gedemütigte Lok einen Rucksack, den er voller Geld wähnt. Nach einer wilden Flucht landet Lok an der Grenze zur Ummauerten Stadt, der Walled City, jener elendig dicht besiedelten chinesischen Enklave. Hier herrscht der Gangsterboss Tornado (Louis Koo) und sorgt für Ordnung. Tornado hat die Walled City in den Sechziger Jahren in einem Handstreich übernommen. Nun müssen Mr. Bigs Leute unverrichteter Dinge abziehen.

Was den vertikalen Slum zusammenhält

Doch Lok hat keine Kohle geklaut, sondern Drogen. Und die wird er in der Walled City nicht los. Dafür bietet ihm Tornado einen Job und eine Unterkunft an. In der Zwischenzeit versucht Mr. Big sein Zeug wieder zubekommen und verhandelt auch mit dem ehemaligen Gauner und jetzigen Grundbesitzer Dic Chao (Ritchie Jen) über sinnvolle Geldanlagen. Lok lebt sich der weil immer besser in der Walled City ein.

Tatsächlich hatte sich in der Walled City unter der „Pacht“ des britischen Empires ab 1898 zunächst ein Militärischer Außenposten Chinas befunden, der immer mehr zu einer Enklave der chinesischen Bevölkerung wurde. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde der Stadtteil immer dichter bebaut und besiedelt. Was bedeutete, dass sich hier ein undurchsichtiges Geflecht von Gassen und Wohnraum ausbreitetet, in dem vor allem die ärmeren Chinesen lebten. Hier entstand auch ein quasi rechtsfreier Raum, in dem die Ordnungsmacht wenig zu sagen hatte. Wer mehr über die Walled City auf der Hongkonger Halbinsel Kowloon erfahren möchte, sollte bei wikipedia nachschlagen.

In diesem Setting siedelt die Comicverfilmung „City of Darkness“ einen der temporeichsten und dynamischsten Action-Filme des Jahres an. Das hat durchaus filmhistorische Anspielungen, denn in dem damaligen Hongkong war eine spezielle Martial Arts Filmschule entstanden, der es mit günstigen Produktions- und Studiobedingungen gelang fantastische, überbordende Kämpfe und Effekte in Szene zu setzen. wie etwas „Battle Wizzard“.

Wo die Polizei lieber draußen bleibt

„City of Darkness“ sprüht nur so von Geist der Achtziger Jahre und nicht nur die musikalische Untermalung mit Asia-Pop und die Seidenblousons und schlimmen Frisuren lassen den damaligen Zeitgeist auferstehen, sondern auch die Gangster-Geschichte. Die Rivalität und Gemeinsamkeit der großen Bosse wird auf die Probe gestellt, als eine junge Generation darauf drängt, ebenfalls mitzureden.

Doch es ist weniger der Generations-Machtkampf, den „City of Darkness“ erzählt, als vielmehr eine überhöhte genretypische Geschichte eines einsamen Wolfes, der sich behaupten muss. Das ist mit hinreißenden Stunts und Action-Szenen unterlegt und erzählt, die sowohl der Enge als auch der fernöstlichen Kampfkunst Rechnung tragen. Und es ist dermaßen überhöht und großer als das Leben selbst, dass die durchaus brutale Kampf-Choreografie auch ein wenig ad absurdum geführt wird.

Flugzeuge am Bauch streicheln

In seiner Hommage an das alte Gangsterepos ist „City of Darkness“ mit dem indischen Gauner-Epos „Gangs of Wasseypur“ vergleichbar, in dem Sinne, als dass es mit den jeweiligen speziellen Genremitteln von Gangster-Dynastien erzählt. Im Sinne der Action erinnert die Enge der Gassen und das enorme Tempo etwas an den indonesischen Überraschungserfolg „The Raid“, der quasi komplett in einem Hochhaus stattfindet. Das ist schon atemberaubend anzusehen und macht enormen Spaß, sofern das Publikum sich denn für diese Art der Kampfkunst begeistern kann.

Die Comicserie „City of Darkness“ ist etliche Kapitel lang und liefert möglicherweise noch Stoff für weitere hinreißende Verfilmungen. Nach dem enormen Erfolg der Verfilmung in China und dem positiven Echo aus der westlichen Welt kann da noch etwas kommen. Regisseur Soi Cheang hat bereits mit seiner Neuverfilmung des „Moneky King“ beweisen, dass er einen Riecher für erfolgreiche Filme hat.

Was für ein Laserstrahl von einem Martial Arts Spektakel, dass die „City of Darkness“ in rasend schnelle und temperamentvolle Kampfchoreografien zerlegt. Die historische Kulisse bietet Stoff zur Mythenbildung und so hinreißende zwielichtige und aufrechte Charaktere wie sie lange nicht mehr zu sehen waren. „City of Darkness“ rockt die Leinwand.

Film-Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

City of Darkness
OT: „Jiu Long cheng zhai · Wei chenga“ aka Twilight oft he Warrior: Walled in“
Genre: Action, Fantasy, Thriller,
Länge: 126 Minuten, HK/VRC, 2024
Regie: Soi Cheang
Vorlage: Comic-Serie „City of Darkness“ von Andy Seto & Yuji
Schauspiel: Raymond Lam, Sammo Hung, Louis Koo
FSK: ab 16 Jahren
Vertrieb: Plaion Pictures
Kinostart: 28.11.2024