Wird Zeit, sich mal wieder um die bewegten Bilder zu kümmern: Scheinbar aus dem Nichts kommt aus Indonesien der beste Action-Thriller seit Jahren: „The Raid“. Ehrlich gesagt, hatte ich vor diesem Genre-Highlight von Penak Silat noch nie etwas gehört – hätte genauso gut ein einheimisches Reisgericht wie eine architektonische Ruine sein können. Stimmt aber beides nicht: Penak Silat nennt sich eine indonesische Martial Arts Form, die Regisseur Gareth Evans irgendwie interessiert hat. Eigentlich wollte der Waliser 2007 eine Doku drehen. Aber davon später mehr: „The Raid“ ist zwar derbe gewalttätig und hat absolut berechtigter Weise keine Jugendfreigabe erhalten, dennoch mischt die internationale Koproduktion das Action-Genre nicht nur auf, sondern versohlt dem überteuerten, inzwischen großteils langweilig gewordenen, stargetragenen Actionkino gehörig den Hintern. Auf in die Slums von Jakarta.
Ein SWAT-Team bekommt morgens den überraschenden Einsatzbefehl einen Drogenbaron einzusacken. Für den Lieutenant der den Einsatz angeordnet hat, eine klare, schnelle, überraschende Sache. Doch so einfach wird das Ganze nicht: Der Drogenboss hat sein Hauptquartier in der obersten Etage eines Wohnblocks in einer miesen Gegend. Die Hütte ist mit Kameras ausgestattet und die meisten Mieter sind selbst mehr oder minder gewissenlose Kriminelle, die sich hier unter der Obhut von Drogenboss Tama (Ray Shepaty) verkrochen haben. Als das SWAT-Team in das Haus eindringt, ist ziemlich schnell der Teufel los.
Und es wird genauso schnell klar, dass der Lieutenant, der den Einsatz angeordnet hat, hier sein eigenes Süppchen kocht und Verstärkung einfach deshalb nicht kommt, weil keiner davon weiß. Die SWAT-Truppe ist auf sich gestellt und hat gegen die Übermacht keine Chance. Relativ fix lichten sich die Reihen der Gesetzeshüter, doch ausgerechnet Neuling Rama (Iko Uwais) zeigt sich als grandioser Kämpfer mit ausgeprägtem Überlebensinstinkt. Problematisch ist nur, dass er und seine Handvoll Kameraden nicht einfach zurück können, der Rückweg ist abgeschnitten. Einziger Ausweg scheint ausgerechnet zu sein, die Mission zu erfüllen, beziehungsweise Drogenboss Tama zu bekommen. Doch da sind noch einige Stockwerke und finstere Kämpfernaturen zu überwältigen.
„The Raid“ hält sich nicht lange mit Vorgeplänkel auf und kommt gleich zur Sache: Die Charaktere werden nicht mehr als nötig eingeführt und die Mission ist ebenso klar wie absurd. Dann geht es in allerbester Ego-Shooter-Manier durch die Stockwerke, die in feindlicher Hand sind. Es ist eben diese Spieleattitüde und die adrenalingetränkte Umsetzung, die „The Raid“ so atemlos spannend macht. Dass es dabei äußerst brutal zugeht und einige derbe Kampfszenen zu bestaunen sind, erscheint in sich konsequent, schließlich ist das kein Kindergeburtstag, sondern die Drogenbande ist äußerst gewissenlos und brutal. Dennoch muss man die gewalttätige Inszenierung nicht gutheißen. Das bleibt jedem Zuschauer selbst überlassen.
Es gelingt „The Raid“ auf jeden Fall mit einem vergleichsweise kleinen Budget im Action-Genre ein gehöriges Ausrufezeichen zu setzten. Das liegt an diversen Faktoren: Das kluge, wirkungsvoll inszenierte klaustrophobische Setting, der hart rockenden Soundtrack und die Dramaturgie alter amerikanischer Hard boiled Schule treffen auf eine Martial Art, die sehr dreckig und straßentauglich wirkt und in extrem dynamischer Weise choreografiert ist. Das alles verbindet sich zu einer mehr als spannenden, brisanten Action-Mischung, die Genre-Fans begeistern sollte.
Die Legende besagt, dass der walisische Regisseur Gareth Evans seinen Hauptdarsteller bei den Recherchen für den eingangs erwähnten Dokumentarfilm über indonesische Kampfkunst eher zufällig entdeckt hat. Der kommende Martial Arts Star Iko Uweis verdiente bis dahin sein täglich Brot als LKW-Fahrer. Aus der Doku wurde dann doch nichts und stattdessen hat Evans mit seiner Entdeckung einen Martial Arts Spielfilm gedreht: „Merantau“ (2009) erinnert storytechnisch ein wenig an „On Bak“ und setzt Penac Silat eher in einen traditionelles Kontext. „The Raid“ geht definitiv einen Schritt weiter und greift das internationale Actionkino an. Mit durchschlagendem Erfolg.
Fazit: Der Action-Thriller „The Raid“ überzeugt mit stimmiger, tougher Inszenierung und erfrischender, allerdings extrem gewalttätiger Kampfchoreografie. Dass daher keine Jugendfreigabe erteilt wurde ist nicht nur nachvollziehbar, sondern absolut berechtigt. Dennoch bleibt „The Raid“ ein aberwitziger Actioner, der das Genre mächtig aufwirbelt und dem erwachsenen Actionfan beeindruckendes Staunen abnötigt.
Film-Wertung: (9 / 10)
„The Raid“
OT: „Serbuan Maut“
Genre: Action, Thriller
Länge: 100 Minuten, USA, INDONESIEN,
Regisseur: Gareth Evans
Darsteller: Iko Uweis, Ray Sahetapy, Yayan Ruhian
FSK: Keine Jugendfreigabe, ab 18. Jahren
Vertrieb: Koch Media / Constantin
Kinostart: 12.07.2012
DVD- & BD-VÖ: 25.01.2013