Für die einen ist „der Untergang der Welt wie wir sie kennen“ nur ein Indiepop-Song, der zum Feiern anregt, für die anderen ist die Angst vor der Weltzerstörung eine reale Bedrohung, die Auswirkungen auf das tägliche Dasein hat. Der Journalist Ben Knight macht sich auf eine Reise zu jenen, die sich aktiv mit der Voerbreitung auf den Untergang beschäftigen. Drop –out Cinema bringt die Doku „Wir werden alle sterben im Rahmen des „PolitKinos“ ab dem 31. Oktober 2024 in die Kinos der Republik.
Für Ben Knight, der als englischer Journalist in Berlin lebt, war schon immer klar, dass alles den Bach runtergeht. „Seitdem ich mich erinnern kann, begleitet mich das Gefühl, dass alles immer schlimmer wird.“ Inzwischen erlebt Knight die Krise als Dauerzustand, eine düstere Verheißung, die dann doch nie eintrifft. Das kann Auswirkungen auf das Alltagsleben haben und bestärkt die Angst vor dem Tod.
Weil Ben sich damit allein fühlt, sucht er nach Wesensverwandten; nach Leuten, die ebenfalls von der Angst vor den Untergang umgetrieben werden. Im Internet gibt es einige davon und so macht sich Ben auf eine Reise quer durch die internationale „Collapse“-Community, die eigentlich gar keine Gemeinschaft ist.
„Ich will, dass der Tod mich beim Pflanzen meiner Kohlköpfe findet.“ Montaigne
In Deutschland nimmt der Journalist an einem Survival-Kurs teil, er trifft die Extinction Rebellion in London bei Demonstrationen, fragt eine Psychologin nach den Auswirkungen der Klimaangst, reist in die USA zu Bunkerbesitzern und Urban Farmern. Der Filmmacher interviewt den Wissenschaftler Amitav Ghosh, der die westliche totale Sicht auf den Weltuntergang kritisiert, indem er argumentiert, für viele indigene Völker wäre deren Welt bereits untergegangen und sie hätten sich anpassen müssen.
Der von Youtube bekannt Wissenschaftler Guy McPherson wiederum ist weniger pessimistisch als erwartet. Anders als ein Schauspieler, der sich als Tod verkleidet hinstellt und die Menschen auf das nahende Ende hinweist. In Bombay Beach in Kalifornien, läuft der Journalist durch die Überreste eine Umweltkatastrophe und in Mexiko durch einen Meteoritenkrater, der entstanden sein soll als die Dinos ausstarben.
„Wir werden alle sterben!“ ist durchaus launig zusammengestellt und hat auch seine humorvollen Momente, allerdings nimmt der Film die Untergangs-Kommune nicht auf die Schippe und so kann jede:r selbst sehen, was die Angst vor dem Ende so für Blüten treibt. Die Gretchenfrage „Warum überleben wollen, wenn die Welt untergeht?“ stellt sich dabei niemand.
Die Zivilisation ist immer vier Mahlzeiten vom Untergang entfernt
Filmisch wandelt Ben Knight in seinem „Selbstexperiment“ beziehungsweise als mitwirkender Beobachter auf den Spuren von Morgan Spurlock, der seinerzeit mit „Supersize Me“ im Selbstversuch ein dokumentarisches Subgenre erfand. Die Bildwelten sind zumeist recht alltäglich und nur gelegentlich gelingt es „Wir werden alle sterben“ Landschaften und Phänomenen mit einer gewissen Schönheit einzufangen. Das fiel mir deswegen auf, weil die Hybride Doku „Bombay Beach“ (2011) der amerikanischen Künstlerin Alma Har’el mit verwunschener Schönheit eine sterbende Kultur und einen sterbenden Ort porträtierte.
Formal ist „Wir werden alle sterben“ in sechs „Episoden“ oder Kapitel unterteilt, die aber etwas willkürlich wirken und mit ihren eigenwilligen Statements eher für launige Verschnaufpausen sorgen. Aber mal ehrlich: „Haben wir eine Apokalypse verdient? Darin sind sich nicht alle von Bens Begegnungen einig. Und gelegentlich fühle ich mich in die Verschwörungstheorien in Nils Bolbrinkers filmischem Essay „Die Wirklichkeit kommt“ erinnert.
„Wir werden alle sterben“ zelebriert ein bisschen die Lust an der Angst, legt aber auch einen Finger in die Wunde und nähert sich spielerisch einem eigenwilligen Phänomen, bei dem nicht ganz klar zu unterscheiden ist, ob es sich um Angst um den eigenen Tod handelt oder um die Furcht vor der Auslöschung des Planeten. Aber: Krise ist Dauermodus und dann kommt sie doch noch nicht.
Film-Wertung: (5 / 10)
Wir werden alle Sterben
OT: We‘re all going to die!
Genre: Doku,
Länge: 93 Minuten, D/ UK, 2023
Regie: Ben Knight
Mitwirkende: Jem Bendel, Guy McPherson, Amitav Ghosh
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: drop-out cinema
Kinostart: 31.10.2024