Riefenstahl – Die Anlage zur Größe

Leni Riefenstahl ist wohl eine der bekanntesten deutschen Regisseurinnen. Ihre Filme „Triumpf des Willens“ und Olympia“ fanden aufgrund der Ästhetik weltweit Anerkennung. Allerdings war die erfolgreiche Filmschaffende dem Machtapparat der Nazis im Dritten Reich auch ziemlich nahe und Riefenstahl hat auch für das Hitler-Regime gefilmt. Nach dem Krieg hat die Künstlerin immer bestritten von den Gräueltaten Kenntnis zu haben und trennte strikt zwischen Kunst und Politik. Nun hat die Journalistin und Produzentin Sandra Maischberger mit Filmmacher Adres Veiel und einem Team das Nachlass Archiv von Leni Riefenstahl ausgewertet und rückt das Bild der Regisseurin in einen anderen Fokus. Majestic veröffentlicht die sehenswerte Doku am 31. Oktober 2024 in die Kinos.

Es beginnt gleich mit Leni Riefenstahls Rückblick auf ihre Schauspiel-Rolle in „Die weiße Hölle vom Pitz Palü“, den Regisseur Arnold Fanck 1929 drehte. Darin spielt Riefenstahl eine Bergsteigerin und sie erinnert noch genau, wie ihr jemand prophezeite, mit dieser Rolle würde sie eine Ikone für die Nazis werden. 1932 war die Darstellerin auch als Regisseurin etabliert, als ihr Film „Das blaue Licht“ gefeiert wurde.

Daraus ergab sich später der Auftrag den Parteitag der Nazis 1934 in Nürnberg in „Triumpf des Willens“ filmisch festzuhalten und die olympischen Spiele in Berlin 1936 im Film zu dokumentieren. Helene Bertha Amalie „Leni“ Reifenstahl hat diese auch international viel beachteten Filme stets als reine Dokumentarfilme und als Filmkunst angesehen und sich vehement gegen die Behauptung gewehrt, sie hätte Propaganda für die Nationalsozialisten gemacht.

Der Magnetismus der Macht

Diese Haltung ließ sich so nicht mehr aufrecht halten, als sie und ihr Filmteam den Einmarsch in Polen und damit den Beginn des Zweiten Weltkrieges filmisch begleitet haben. Die Regisseurin argumentiert, sie hätte den Auftrag nicht ablehnen können. Und so verwischen auch danach die Grenzen zwischen künstlerischer Karriere und Unterstützung des Nazi-Regimes.

Wobei all diese Kontroversen erst nach dem zweiten Weltkrieg aufkamen. Im Dritten Reich war Leni Riefenstahl eine gefeierte und anerkannte Künstlerin, die noch in Kriegszeiten die Lieblingsoper Hitlers in „Tiefland“ verfilmen wollte (Der Film wurde ein Jahrzehnt später veröffentlicht). Die Entnazifizierungskommission attestiert ihr eine Sympathisantin und Mitläuferin gewesen zu sein. Die deutsche Medienöffentlichkeit war da weniger wohlwollend. Immer wieder wird Riefenstahl in TV-Interviews auf ihre Nähe zum Regime angesprochen und ihre Behauptung, sie hätte nichts von den Grausamkeiten gewusst, wird immer wieder zum Anlass streitbarer biografischer Deutung.

Die Journalistin Sandra Maischberger und das Filmteam von Filmmacher Andres Veiel haben das umfangreiche Nachlass-Archiv Leni Riefenstahls durchforstet und graben erhellende und private Momente aus, die auch in und um diverse Interviews herum entstanden, beziehungsweise wegeditiert wurden. Das mag auf den ersten Blick entlarvend wirken, zeugt aber immer auch davon, wie sich das jeweilige journalistische Gegenüber der berühmten Gesprächspartnerin nähert.

Aber dafür kann ich doch nichts.

Aus der historischen Nachbetrachtung ist die Analyse einer Gesellschaft und des kollektiven wie individuellen Verhaltens immer stringenter als inmitten des Geschehens. Sicherlich ist das Dritte Reich umfangreich aufgearbeitet worden und vieles ist ausreichend dokumentiert und nachhaltig bezeugt. Aber das individuelle Aburteilen des Mittuns oder Verweigerns geschieht leichthin, wenn keine Gefahr für eine:n selbst besteht. Darüber gibt es wohl auch wenig Debatte.

Wohl aber über die konstante Leugnung irgendwelcher inhaltlichen und politischen Kenntnis seitens der Künstlerin Leni Riefenstahl. Das mag möglicherweise nicht ganz abwegig sein, wahrscheinlicher ist es aber eine Lebenslüge die zum Narrativ geworden ist. Und letztlich ist es wohl gerade die fehlende Reue, die Leugnung individueller Schuld, die Leni Riefenstahl vorgeworfen werden kann. Und damit rückt sie in Verhaltensmuster etlicher Altnazis. Es mag der Künstlerin auch schwer gefallen zu sein, den eigenen Erfolg und Ruhm, der ja untrennbar mit der Epoche und dem deutschen Geschehen verbunden ist, mit dem Untergang der Nazis dreinzugeben. Ein gewisser Hang zur Eitelkeit ist der Riefenstahl in dem Filmmaterial durchaus anzumerken.

Fanpost aus der Vergangenheit

Für mich persönlich hat die Doku, die durchaus viele ungesehene Einblicke liefert, wenig Erkenntnisgewinn beinhaltet. Das mag daran liegen, dass ich ein ähnlicher Jahrgang bin wie Sandra Maischberger. Damit verbundenen ist bereits in der eigenen Schulzeit eine intensiven Aufarbeitung des Nationalsozialismus und der Vernichtungspolitik und eine entsprechende Sensibilisierung, ebenso wie eine recht frühe mehr oder minder professionelle Beschäftigung mit dem Medium Film und der Filmhistorie. Auch habe ich einige der Riefenstrahl Talkshows seinerzeit bereits gesehen.

Für ein jüngeres Publikum freilich stellt sich die Lage ganz anders dar, auch und gerade im Bereich politischer Bildung. Und „Riefenstahl“ stellt sicherlich eine wertvolle Diskussionsgrundlage über die Macht der Bilder und den Sprachgebrauch totalitärer Systeme und Menschen dar. Dafür kann mensch nie sensibel genug sein. Die Doku „Riefenstahl“ wird umfassen begleitet von Hintergründen, Interviews und Unterrichtsmaterialien zu Schulzwecken. Alles zu finden auf der Film-Homepage, die unter dem Text verlinkt ist.

„Riefenstahl“ liefert erstmalig Einblicke hinter das Selbstbild, das die Künstlerin in der Nachkriegszeit formte. Vieles daran bleibt kontrovers und die Fragen, inwieweit Leni Reifenstahl „Mitläuferin“ und „Sympatisantin“ des Nationalsozialismus war, wie ihr die Entnazifizierungskommission attestierte, laden nach wie vor zur Diskussion ein. Letztlich geht es um die Deutungshoheit einer Biografie und die Frage wie „unpolitisch“ Kunst sein kann. Ob und in welcher Weise Riefenstahls Kunst protofaschistisch ist und sogar eine totalitäre Ästhetik prägte, mag ebenso nachdenklich stimmen wie der eigenwillige Umgang der Künstlerin mit den Fakten. Möge „Riefenstahl“ Diskussionen anregen über Bildsprache und Symbole, über Medien, Glaubwürdigkeit und Manipulation.

Film-Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

Riefenstahl
OT: Riefenstahl
Genre: Doku, Biografie
Länge: 115 Minuten, D, 2024
Regie: Adres Veiel
Produktion: Sandra Maischberger
FSK: Ab 12 Jahren
Vertreib: Majestic
Kinostart: 31.10.2024

Film-Homepage mit Unterrichtsmaterial und Zusatzinfos

Wikipedia-Eintrag zu Leni Riefenstahl