Georg Wilhelm Pabst gehört zu den übergroßen Gestalten der frühen deutschen Filmkultur. Als „Erfinder“ des filmischen Realismus wurde der Regisseur gefeiert. „Pandoras Vermächtnis“ beschäftigt sich in essayistischer Weise mit dem Familienleben des großen Filmschaffenden und vor allem mit dem Blick der Angehörigen auf G.W. Pabst. Der Film von Angela Christlieb ist ab dem 3. April 2025 im Kino zu sehen.
Durch einen Sternehimmel werden Stimmen übertragen, die über G.W. Pabst und dessen Stellenwert im Medium Film reden. Schwarzweiße Filmfragmente ziehen vorbei und der Äther klärt sich und macht das Bild frei für die drei Enkel des Regisseurs und für die Tagebucheintragungen von Pabsts Ehefrau Trude sowie den Briefwechsel zwischen dem Regisseur und seiner Gattin.
Die drei Enkel werden szenisch vorgestellt und gehen ihren Professionen und ihren Erinnerungen nach, reden über die Großeltern, das Familienleben, die eigenen Väter und die Großmutter Trude, die den berühmten Gatten überlebte. Zwischendurch gibt es ausgedehnte atmosphärische Sequenzen, die an Pabstsche Stilmmittel angehnt sind und eine Filmmusik die beschwingt und bisweilen experimentell die vergangenen Zeiten wieder aufleben lässt.
Über G.W. Pabst als Familienmensch lässt sich scheinbar vor allem sagen, dass er durch Abwesenheit glänzte. Und durch rigorosen patriarchischen Entscheidungsanspruch. Mit Kindern scheint der Filmmacher kaum gut gekonnt zu haben und die Enkel berichten durchaus von unschönen oder bedrängenden Kindheitserfahrungen ihrer Väter.
„Die Dinosaurier werden immer trauriger
An dieser Stelle über das Werk G.W. Pabsts („Kameradschaft“, „Westfront 1018“, „Die Büchse der Pandora“)zu sprechen wäre seltsam deplatziert, denn es geht ja vornehmlich um jene im Schatten des Oevres. Wie eben Trude, die anfangs durchaus künstlerische Ambitionen hatte, in einem Film auftritt und an einigen Filmen mitarbeitete. Doch eine Karriere versagte ihr der vielbeschäftigte Gatte ebenso wie mehr als die beiden Kinder. Es wird von Abtreibungen geredet und davon wie sehr die Großmutter Trude darunter gelitten habe, dass die ungeborenen Seelen ihren Platz nicht finden und um die Erde kreisen.
Auch schreibt sie von einer Lachgasnarkose während einer Zahnextraktion in den USA, dass sie eine Jenseitserfahrung gemacht hätte. Mit Geistern, die in ihrem Haus ein Theaterstück aufgeführt hätten. Wer übersinnlich interessiert ist, mag Freude an dem Roman „Linoln im Bardo“ des us-amerikanischen Poeten George Saunders haben.
Denn die Saurier dürfen nicht an Bord.“ (Lonzo, 1980)
Und weil’s gerade um Literatur geht, sie auch Daniel Kehlmanns Roman „Lichtspiel“ über G.W.Pabst erwähnt, der mit seiner Näherung den Regisseur deutlich näher an das Nazi-Regime rückt, als die Familie das für stimmig erachtet. Aber das ist eine andere Diskussion. Kehlmanns Roman mag das aktuelle Interesse an Pabst ebenso wiedererweckt haben wie die Doku über Leni „Riefenstahl“, mit der er „Die weiße Hölle des Pitz Palü“ drehte.
Überhaupt ist es eine große Qualität von Angela Christliebs filmischem Essay assoziative Gedankengänge zu erlauben. Zusammenhänge oder Widersprüche aufzuzeigen zwischen Werk und Mensch, zwischen Arbeit und Familie, zwischen starken Filmheldinnen und klein gehaltener Gattin, die er zeit der ehe mit „mein liebes Mädchen“ anredete. Allein, es sollte dem Publikum bewusst sein, dass die Montage von Werk und Zeugnis nicht immer die einzig stimmige ist. Nicht alles was im Zusammenhang erscheint ist auch ursächlich füreinander oder umeinander.
In „Pandoras Vermächtnis“ finden Interessierte eine familiäre Annäherung an Georg Wilhelm Pabst, die zwischen Träumen und Träume die Fossilien der Vergangenheit bearbeitet bis ein neues Ökosystem entstehen kann. Das ist in seinem Reiz und Charme durchaus eher speziell.
Pandoras Vermächtnis- Das Privatleben von G.W. Pabst
OT: Pandoras Vermächtnis
Genre: Doku, Film-Essay
Länge: 89 Minuten, A, 2024
Regie: Angela Christlieb
FSK:
Verleih: Arsenal Film
Kinostart: 03.04.2025