Die Idee einer idealen Stadt treibt den Baumeister Caesar Catalina an, doch in der Dekadenz von Neu- Rom, der „Megalopolis“, wird er damit zum Widersacher des Bürgermeisters Cicero. Im schillernden, blattgoldenen Showdown der Visionen schenken sich die Mächtigen kaum etwas. Regie-Altmeister Francis Ford Coppola präsentiert mit „Megalopolis“ sein Überwerk, an dem er seit Jahrzehnten gearbeitet hat. Constantin Film bringt „Megalopolis“ am 26. September 2024 hierzulande in die Kinos.
Der Erzähler und Chauffeur Fundi Romaine (Laurence Fishburne) stellt relativ bald die Frage, ob der unstillbare Machthunger einiger Weniger die Geschicke der Menschheit lenken sollte. In Neu-Rom ist längst nicht alles Gold was glänzt und Bürgermeister Cicero (Giancarlo Esposito) steht nicht nur in der medialen Kritik, sondern hat auch einen mächtigen Gegenspieler, der Megalopolis für die Zukunft bereit machen will.
Caesar Catalina (Adam Driver) ist Chef des Bauministeriums, und der Nobelpreisträger hat einen geradezu fantastischen Baustoff entwickelt: Megalon. Nun lässt er abreißen und neubauen, kann die Zeit bisweilen anhalten und wird zu einem mächtigeren Entscheider. Protegiert von schwerreichen Hamilton Crassus III (Jon Voight), der den Bürgermeister noch nie riechen konnte. Crassus Neffe Clodio (Shea LaBeouf) hofft auf das Erbe, kann wiederum Caesar nicht riechen und stachelt beizeiten den Mob zu Demos an.
„But underneath – There’s another expression –
Des Bürgermeisters schöne Tochter Julia (Nathalia Emmanuel) ist fasziniert von Caesar Catalina und seiner Vision. Dessen derzeitige Gespielin Wow Platinum (Aubrey Plaza), ihres Zeichens Journalistin und Medienexpertin, ist mitten drin im Machtpoker um die Zukunft und Gegenwart von Megalopolis.
„Megalopolis“ ist eine sonnengoldene Wundertüte von einem Film, die auf das Publikum losgelassen wird wie ein Kampfhund. Mittenrein ins Gewimmel und immer alles schillernd und hochglänzend. Die Charaktere sind dergestalt überzeichnet wie in der antiken Tragödie. Das Szenario einer dekadenten Weltmacht und Metropole strotzt vor Pathos und die Dialoge schwitzen Versmaß, Drama und Kolportage in weit mehr als Shakespeare’schem Ausmaß.
That the make-up isn’t making – Life under the big top.
Was soll das Publikum, so den gewillt der Idee und Filmsprache des Schaffenden folgen zu wollen, mit dieser Chimäre (Mischwesen), die ihre Hybris (Anmaßung, Übermut) immer wieder bis zur Schmerzgrenze ausreizt, tun im Angesicht der Präsentation? Aufnehmen und Eintauchen in eine fiktive Welt und eine poetische Analyse nicht nur us-amerikanischer Gesellschafts-Zustände.
It’s about freedom – It’s about faking –
„Megalopolis“ ist voller Querverweise, Andeutungen und Anspielungen auf allen erdenklichen Ebenen, dass es unmöglich scheint all das während der Spielzeit von etwa 140 Minuten auch vollumfänglich zu erfassen. Allein, vielen Zuschauenden wird die Lust daran und darauf schnell vergehen. Dann freilich mag die Zeit vor der Leinwand zur Leidenszeit werden. Verständlich wäre es, angesichts der bisweilen schlichten Rom-Parallelen und der immer wieder behaupteten aber nicht gezeigten besseren Stadt.
There’s an art to the laughter – There’s a science –
Die Protagonisten verhalten sich nicht eben sympathieförderlich und bleiben in ihrer Überhöhung unnahbar. Projektionsflächen wie sie aus sozialen Medien und derzeitiger globaler Event-Kultur entlaufen scheinen und nicht wieder einzufangen sind von Zivilcourage und gesundem Menschenverstand. so entfaltet sich letztlich auch eine Art Glaubenskrieg entlang der Grenze persönlicher Integrität und des Lifestyles. Anstatt auf Institutionen und Strukturen zu wetten, wird populistisch in Szene gesetzt.
And there’s a lot of love and compliance.“ (Ani DiFranco „Freakshow“)
Das geschieht auch mittels Film- und Kulturzitaten. Und so finden sich nicht nur Shakespeare’sche Figurenkonstellationen und Konfliktlinien, sondern auch „Citizen Kane“-Referenzen, Split Screen Spielereien und CGI, das nicht so überzeugend wirkt wie der State of the Art es hergeben könnte. Und das Bild einer Stadt, die bisweilen wirkt als käme Frank Millers „The Spirit“ (Von Will Eisners Gnaden) um’s Eck. „New York, i love you, but you’re bringing me down“(LCD Soundsystem). Dann wieder futuristische Stadtentwürfe nach Frank Lloyd Wright und Wagenrennen wie es „Ben Hur“ das Arena-Event präsentieren würde.
Über all das und über die cineastischen Verdienste von Francis Ford Coppola („Der Pate“, „Apocalypse Now“) lässt sich trefflich streiten. Möglicherweise ist „Megalopolis“ so krachend gescheitert wie meines Erachtens Sion Sonos Musical-Manga-Adaption „Tokio Tribe“. Oder aber, jede:r mag sich mit offenen Augen und freiem Geist ins Lichtspielhaus des Vertrauens begeben um selbst die Wunder und die Wesen zu erleben, die Coppolas wohl letzter Film freilässt. Frei nach „Freakshow“ von Ani Difranco: merken was unter der Oberfläche abgeht.
„Megalopolis“ ist beileibe kein einfacher Film; und auch nicht unbedingt ein gelungenen. Das geneigte Publikum kann aber kaum anders als vor Coppolas Chuzpe den Hut zu ziehen. Diese manisch gigantische Filmidee über Jahrzehnte zu entwickeln und letztlich selbst zu produzieren nur der eigenen Kreativität und Vision verpflichtet ist enorm. Freilich ist der güldene Look überkandidelt, sind die klassischen Anleihen pathetisch und die Gaukler auf der Leinwand verkommen bisweilen Karikaturen. Allein das Impulsgeschehen auf der Leinwand befeuert die eigenen Neuronen ganz erheblich. Kino als Arbeit an der Zukunft. Unbedingt auf großer Leinwand zu genießen.
Megalopolis
OT: Megalopolis
Genre: Drama
Länge: 138 Minuten, USA, 2024
Regie: Francis Ford Coppola
Darsteller:innen: Adam Driver, Giancarlo Esposito, Jon Voight, Nathalie Emmanuel
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Constantin Film
Kinostart: 26.09.2024
Textübersetzung Zwischentitel:
„Aber unten drunter gibt es einen anderen Ausdruck, den das Make-up nicht macht. Leben unter dem großen Dach. Es geht um Freiheit. Es geht um Täuschung. Da gehört eine Kunst zum Lachen. Da ist eine Wissenschaft. Und da ist sehr viel Liebe und Folgsamkeit.“