Bei den Filmfestspielen in Cannes wurde „The Substance“ in diesem Jahr gefeiert und mit dem Preis für das beste Drehbuch ausgezeichnet. Viele sahen in der Darstellung Demi Moores, die eine alternde TV-Moderatorin spielt, eine ihrer besten Performances. Nun veröffentlicht der Streaming Dienst Mubi die Mediensatire mit Horror-Einschlag am 19. September 2024 für die Leinwand.
Elisabeth Sparkle (Demi Moore) ist mit ihrer Fitness-Sendung lange das Zugpferd eines TV-Senders gewesen. Doch nun schwächeln die Quoten und Programmdirektor Harvey (Dennis Quaid) will die Show durch ein anderes Format ersetzen und Elizabeth in Fernsehrente schicken.
Bei einem Check-up bekommt Elisabeth eine mysteriöse Telefonnummer zugesteckt. Eine anonyme Organisation bietet ihr an eine jüngere Version von sich selbst zu erschaffen. Zunächst hält die Moderatorin das Angebot für Schwachsinn, doch Neugier und Altersflecken siegen.
Elizabeth lässt sich auf die Droge beziehungsweise die experimentelle Behandlung ein. In anonymer Weise erhält sie Zugang zu der Substanz und genaue Anleitungen. Die Regeln sind recht einfach: Die Zeit zwischen dem neuen Ich und den alten muss jede Woche gewechselt werden, ohne Ausnahme. Die Balance muss gewahrt werden.
Aus Elizabeth entsteigt die junge Sue (Margaret Qualley „Drive Away Dolls“) als zweiter Körper. Mit dem Charme und der Attraktivität einer jungen Fitnesstrainerin kann Sue die TV-Bosse schnell überzeugen, dass sie die Nachfolge der alten Miss Sparkle antreten wird. Das Sendungsformat wird aufgemotzt und modernisiert und der Erfolg macht Sue selbstbewusst. Da kann es doch unmöglich schlimm sein, die eigene Zeit minimal zu überschreiten.
„Jemals von einer besseren Version von dir geträumt?“
„The Substance“ ist ein eigenwilliger Film. Immer wieder lässt sich die Satire Zeit um die Charaktere in steril abstrakten Kulissen zu zeigen. Dann wieder kommt es zu eruptiven Aktivitätsschüben, die in ihrer Hyperaktivität die Influencer-Realität neuer Sozialer Medien aufnimmt. Es muss knallen, damit es wahrgenommen wird.
So auch die Kameraführung, die sich oft genug in irrwitzigen Close-ups und Superzeitlupen gefällt. Ziemlich häufig sind dabei weibliche Hinterteile offensiv, pornös zur Schau gestellt. Das nimmt selbstredend die Sicht- und Denkweise männlicher Medienmacher auf, ist auf Dauer als filmisches Stilmittel allerdings ermüdend. Ermüdend auch, wie offensiv und oberflächlich die Mediensatire die Charaktere ausstellt. Das ist schon stark verkörpert, verfällt aber immer wieder in Clownerie.
Und dann kriecht der Horror aus Elizabeths Körper und übernimmt den Film mit der ohnehin schon ausgestellten Körperlichkeit. Die vermeintliche Makellosigkeit der Jugend hält sich nur auf Kosten des Auszehrens des Alters. Während Sue ihren Teil der Koexistenz mit der selbst immanenten Berechtigung des Erfolgs ausweitet, verkommt Elizabeth zusehends zu einem Schatten ihrer selbst, zu einer Monstrosität, einer Kreatur im Schatten.
Auch dieser Aspekt von „The Substance“ ist nicht eben subtil ausgeführt und gefällt sich mit Ekel- und Splatter-Motiven, die durchaus Klassiker des Horrorfilms zitieren. Von Mediensatire in dieser Phase kaum noch eine Spur. Stattdessen Existenzkampf jung gegen alt, der offensichtlich nur Verliererinnen kennen kann.
Ein Film über Frauenkörper
Die französische Filmmacherin Coralie Fargeat legt mit „The Substance“, wozu sie auch das Drehbuch schrieb, ihr internationales, oder besser Hollywood- Debüt hin und kann sich sicher sein, dass ihr Film einen bleibenden Eindruck hinterlässt. Sicherlich hat der Begeisterung in Cannes geholfen, dass die Filmmacherin eine Französin ist und „The Substance“ lässt sich als jung und frech und provokant verstehen.
Oder der Mensch vor der Leinwand hat bereits zuviele Filme gesehen um dem offensiven Film-Geschehen noch etwas abgewinnen zu können das über dargestellten und inszenierten Oberflächlichkeiten hinausgeht. Als Filmschaffende ist das legitim und sicher auch ein Statement mit modern ausgelegtem Feminismus (oder zumindest weiblicher Perspektive), aber etwas tiefgründiger hätte es ob der Länge von mehr als zwei Stunden durchaus sein dürfen.
So bietet „The Substance“ weder einen Sci-Fi-Einblick in die Idee chemisch induzierter ewiger Jugend, noch Auswege aus einem ausbeuterischen Medienschaffen oder innovative Creature Horror Momente, geschweigen denn ein dem Grauen innewohnendes psychologisches Drama. Dafür ist in den zuvielen Beats per Minute des modernen Fitnessformats einfach keine Zeit.
Es ist schon eine ganz schone Tour de Force wie „The Substance“ von überdrehter Mediensatire hin zu splatterigem Creature Horror abdreht. Das hat durchaus Momentum ist aber auch komplett unsubtil und offensiv brachial darauf angelegt es immer weiter auf die Spitze zu treiben. „The Substance“ fehlt Substanz.
Film-Wertung: (4 / 10)
The Substance
OT: The Substance
Genre: Satire, Horror,
Länge: 140 Minuten, GB /USA, 2024
Regie: Coralie Fargeat
Darsteller:innen: Demi Moore, Dennis Quaid, Margret Qualley,
FSK: ab 16 Jahren
Vertrieb: Mubi
Kinostart:19.09.2024