Warum genau nochmal sagt die Redewendung, dass man keine schlafenden Hunde wecken soll? Die Tiere könnte gefährlich werden? Nu je, der Kommissar im Ruhestand Roy Freeman kriegt ein schlechtes Gewissen eingeredet und macht eine alte Mordermittlung wieder auf. Dabei hat Freeman eigentlich genug mit dem Wiederfinden seiner Erinnerung zu tun. Russel Crowe gibt in der Verfilmung eines Thrillers von E.O. Chirovici einen müden und geplagten Ermittler, der auf eine erfolgreiche, vermeintlich manipulative Frau trifft. Willkommen im Psychoduell mit Karen Gillan. Im Kino ab dem 29. August 2024.
Roy Freeman (Russel Crowe) unterzieht sich einer experimentellen Behandlung seines Gedächtnisverlustes. Ihm wurden Elektroden implantiert, die für neuronale Neuvernetzung sogen sollen (oder so etwas in der Art). Da kommt der Anruf einer Anwältin schon überraschend, auch weil der Mordermittler schon lange nicht mehr im Dienst ist.
Nachdem Roy seine Post-its nach seinem Namen und seinen Basisinfos abgecheckt hat, trifft er sich mit einem zum Tode verurteilten Killer. Der soll demnächst hingerichtet werden, beschwört aber seine Unschuld und bittet ausgerechnet den, der ihn hinter Gitter brachte, die Sache hinzubiegen.
Die Unschuld im Angesicht des Urteils
Und weil der gute Roy nix mehr weiß, wird er bei seinem ehemaligen Partner Jimmy Remis (Tommy Flanagan) vorstellig, der ihm rät die Sache doch ruhen zu lassen. Die Fallinfos besorgt sich Roy dennoch. Seinerzeit wurde der Uni-Professor Dr. Joseph wieder (Marton Czokas „Into the Badlands“) mit eingeschlagenem Schädel aufgefunden.
Verdächtig war zunächst jeder im Umfeld des Professors. Vor allem aber die junge Studentin Laura Baines (Karen Gillan), die sich über ihren damaligen Freund und Mitstudenten Richard Finn (Harry Greenwood) an den Prof heranmacht. Finn behauptet später in einem unveröffentlichten Manuskript, Laura hätte dem Prof die wissenschaftliche Arbeit geklaut und überhaupt Etliches zu verbergen. Roy sucht die Frau, die spurlos verschwunden scheint. Und auch Jimmy guckt nun öfter vorbei.
Dass Gedächtnis ist eine seltsame Angelegenheit. Bereits, wenn der Körper und der Geist noch ordnungsgemäß funktionieren, filtert das Gedächtnis, was der Mensch später erinnert. Es ließe sich als Schutzmechanismus erklären, dass die erinnernde Person dabei meist schmeichelhafter wegkommt als es tatsächlich war.
Die Erkenntnis im Angesicht der Erinnerung
Kommt nun Gedächtnisverlust (auch als Krankheit) dazu, wird es schon vertrackt. Woher die Infos nehmen, die die Erinnerung nicht mehr hergibt? Roy verlässt sich auf das was ihm vermeintlich Vertrauenswürdige und Solche, die nichts zu verlieren haben, ihm mitteilen. Eine Ermittlung lässt sich darauf nur schwer aufbauen. Auch und gerade, wenn der Cop schon im Ruhestand ist und die Hauptinfo von einemzweifelhaften Typen stammen.
„Sleeping Dogs“ basiert auf dem Krimi „Das Buch der Spiegel“ des rumänischen Schriftstellers Eugen Ovidiu Chirovici, das 2017 den internationalen Durchbruch des Ökonomen und Journalisten als Autor markierte. Regisseur Adam Cooper gibt sein Debüt hinter der Kamera, bislang war er für Drehbücher zuständig, so wie „Assassin‘s Creed“, „The Transporter: Refueled“ oder auch „Exodus: Könige und Götter“. Kein Wunder also, dass Cooper das Script auch mitentwickelte.
Russel Crowe („Gladiator“, „Les Miserables“, „Noah“) ist beileibe nicht der erste Cop mit Gedächtnisproblemen und die Handlung bezieht einen Großteil der Spannung eben aus der Tatsache, dass Roy wenig weiß und das Publikum mit ihm. Und so schleppt sich Roy mit Mütze (wegen des Kopfverbandes) und immer ein bisschen abgerissen von Tag zu Tag, von Erkenntnis zu Erkenntnis. Schicht für Schicht befeuern neue Infos zum alten Fall die Erinnerung bis zum bitteren Ende.
Die fehlende Karte im Memory Spiel
Actiongetrieben ist der Krimi nicht, sondern setzt auf düstere Stimmung und psychologische Spannung. Das mag auch dem aktuellen Drive von Russel Crowe entgegenkommen, aber der Mann hat nach wie vor eine charismatische Leinwandpräsenz und Roy Freeman wird dadurch lebendig und zu einem geplagten Menschen, dem das Publikum auf seiner Reise relativ gebannt zuschaut.
Tommy Flanegan („Sons of Anarchy“) gibt einen für ihn und für das Genre typischen abgehalfterten Buddy ab und Karen Gillan („Guardians oft he Galaxy“, „Gunpowder Milkshake“, Doctor Who“) schlüpft wie so oft in die (fast schon klischeemäßige) Rolle einer hochintelligenten, aber berechnenden Frau. Darin liegt eine gewisse Tragik aber auch eine gewisse Genresetzung. So unterstellt sie Roy, er habe „vielleicht keine gute Erinnerung, aber auf jeden Fall eine lebhafte Fantasie“.
„Sleeping Dogs“ erfindet das Genre des Krimis nicht neu und gelegentlich fragt sich das miträtselnde Publikum schon, warum sich intelligente Gauner und Profis so verhalten wie filmisch vorgestellt. Wie auch immer, die Inszenierung ist solide, die Besetzung dynamisch und Russel Crowe trägt den Charakter und den Film auf seinen breiten altersmüden Gladiatorenschultern. Reicht für mich.
Film-Wertung: (6 / 10)
Sleeping Dogs – Manche Lügen sterben nie
OT: Sleeping Dogs
Genre: Krimi, Thriller, USA, 2024
Regie: Adam Cooper
Vorlage: Roman „The Book of Mirrors“ von E. O. Chirovici (deutsch: „Das Buch der Spiegel“ bei Goldmann)
Darsteller:innen: Russel Crowe, Tommy Flanegan, Marton Czokas, Karen Gillan,
FSK: ab 16 Jahren
Vertrieb: Paramount Pictures
Kinostart: 29.08.2024