Deadpool & Wolverine: Das Heilige und die Gewalt

Schon seit einiger Zeit scheint das weltweite Publikum superheldenmüde zu sein und jeder neue Comic-Verfilmung fährt quasi Negativrekorde ein. Der dritte „Deadpool“-Film, der am 24. Juli 2024 in die Kinos kommt, könnte das ändern. Aber Deadpool war ja schon immer der etwas andere Held. Immerhin ist es nicht gespoilert, wenn endlich Deadpool und Wolverine aufeinandertreffen. Sagt ja schon der Titel. Kurz vorweg, hier gibt’s wenig Metakritk, hier spricht der Fanboy. Der sich schon ziemlich auf das Treffen der beiden freut. Aber wie geht denn das, wenn James „Logan“ Hewlett aka Wolverine doch schon seit 2017 tot ist – zumindest auf der Leinwand?

Das Multiversum macht‘s möglich. Und das kommt so: Wade Wilson alias Deadpool (Ryan Reynolds) ist im Jahr 2018 auf der Suche nach Wolverines Grab (siehe „Logan“). Er will den Mutanten mit den Selbstheilungskräften wieder zum Leben erwecken, weil der Poolboy die Hilfe des Vielfraßes braucht. Das klappt überhaupt nicht und Deadpool wird auch noch von TVA-Agenten gestört. Darauf folgt ein hinreißend ruppig getanzter NSYNC-Move und der Prolog ist um.

Das Problem hat eigentlich angefangen als Wade Wilson auf Erde Wasweißich das Kostüm an den Nagel gehängt hat und trotzdem von der TVA, der „Time Variance Authority“ einbestellt wird. Deren Ortsgruppenleiter Mr. Paradox (Matthew Macfadyen) eröffnet Wade, dass dessen Welt quasi abstirbt, er – Deadpool – aber die Chance hat, ins Marvel Hauptuniversum („The Sacred Timeline“, also „die heilige Zeitlinie“) zu wechseln.

„Du warst immer der falsche Typ.“

Ausgesprochen verlockend, aber irgendwie hängt Wade an dieser Welt, und da deren Extinktion an dem Tod von Wolverine hängt, durchforstet Deadpool die parallelen und die möglichen Welten, bis er endlich einen Wolverine (Hugh Jackman) trifft, der als Fight-Buddy brauchbar scheint. Nur hat der Kollege ein extremes Alkoholproblem und schleppt so seinen psychologischen Ballast mit sich herum. Deadpool labert viel und trickst rum, bis die beiden unterwegs sind. Allerdings nicht in eine Richtung.

Der „Antiheld“ Deadpool hat schon immer die Konventionen gedehnt und bereits im Comic mit der Leserschaft geredet. So auch hier und so auch in den vorangegangenen Filmen. Selbstredend geht es auch und vor allem darum, dass der Disney Konzern, nachdem er Marvel gekauft hat, nach und nach die Filmrechte zurückgekauft hat, die über diverse Filmfirmen verteilt waren. Und nachdem auch 20th Century Fox von Disney aufgekauft wurde, waren die „X-Men“ und Ableger (wie „Deadpool“) wieder im Mutterkonzern.

Kaum jemand hatte, vor allem nach dem Flop von „New Mutants“, damit gerechnet, dass aus der Ecke noch was kommt. Bis der Dampfplauderer mit den Katanas und den Knarren den vernarbten Kopf gereckt und gewinkt hat. Da wären wir also. Bei einer brauchbaren und sehenswerten Reunion, die seit „X-Men Origin: Wolverine“ (2009) sowas von fällig und von Fans herbeigewünscht war. Jetzt haben wir den Salat.

„Bis du der richtige warst.“

Und selbstverständlich wird auf Disney aka Marvel rumgehackt und nostalgisch blasphemisch im „X-Men“-Franchise gewühlt und nach ganz woanders. Lustvoll fleddern die beiden quasi Unzerstörbaren die Leichen auf dem Weg und sind ganz egozentrisch dabei ihre eigenen Angelegenheiten zu regeln. Das sorgt schon für hinreißende Überraschungen, schrullige Metaebenen, diffuse Absurdität und knackige Jokes. Aber das mag jede:r selbst sehen.

„Deadpool & Wolverine“ keult in dieselbe Kerbe wie auch die Vorgänger-Filme des Super-Söldners, nur sind die popokulturellen und Superhelden-Referenzen dieses Mal irrwitzig und hinreißend nerdig. Wenn mensch sich denn – wie der Rezensent – durch Jahrzehnte von Superhelden-Comicverfilmungen geglotzt hat. Und Deadpool hat schon das Marvel-Universum gekillt,

Deadpool & Wolverine“ ist epischer Fanservice und Dank an alle, die durchgehalten und weitergelesen haben (oder die Hoffnung nicht aufgegeben haben). Der Rest des Publikums mag genauso viel brutale Unterhaltung finden wie etwa bei „John Wick“-Filmen, denen ehrlich gesagt auch kaum Handlung zu unterstellen ist. Danke dafür. Wer sich angesprochen fühlt, sollte vor der Leinwand auftauchen. Ein Film wie ein Gebet.

Film-Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

Deadpoopl & Wolverine
OT: Deadpool & Wolverine
Genre: Superhelden, Fantasy, Action
Länge: 127 Minuten, USA, 2024
Regie: Shaun Levy
Darsteller:innen: Ryan Reynoplds, Emma Corrin, Mathew Macfadyen, Hugh Jackman,
FSK: ab 16 Jahren
Vertrieb: Marvel, Walt Disney Pictures
Kinostart: 24.07.2024

offizielle Filmseite

PS: „Das Heilige und die Gewalt“ („La Violence et le sacré“ 1972) ist das Hauptwerk des französischen Religionsphilosophen und Kulturanthropologen Réne Girard über die Entwicklung religiösen Denkens.