Weil demnächst mit „Logan“ der abschließende Teil von Marvels „Wolverine“ –Trilogie in die Kinos kommt, habe ich noch mal im Archiv gekramt und die Vorstellung des ersten Wolverine-Soloabenteuers herausgekramt, die 2009 in die Kinos kam. Seinerzeit waren Superheldenfilme zwar schon erfolgreiche Blockbuster, aber ihre dauerpräsenz auf der Leinwand war noch nicht gegeben. Es war 2009 naheliegende nach der erfolgreichen ersten X-Men-Trilogy noch Filmmaterial aus dem gleichen Universum nachzuschieben: Eigentlich sollte das in loser Serie die Ursprünge der Mutanten zeigen. Und während Wolverine souverän den Auftakt machte, waren schon weitere Projekte im Gespräch: „Magneto“, „Storm“, „Wolverine 2“. Heute sieht das alles ganz anders aus. Also hinein in Wolverines Oringin-Story:
Im Schweinsgalopp saugt uns „X-Men Origins: Wolverine“ ins Geschehen: Noch bevor der Vorspann durchgelaufen ist, hat der Zuschauer alle wichtigen Stationen des mutierten Helden Logan mitgemacht und finden sich schließlich, leicht verwirrt vom Anreißen diverser Schlachtfelder, in Vietnam zu Zeiten des Krieges wieder.
Dabei ist es kaum einige Minuten her, dass Logan als Kind krank im Bett lang und den Tod seines Vaters und eine bittere Wahrheit verkraften muss. Das passiert wohlgemerkt Mitte des 19. Jahrhunderts. In der Folge sind die Halbbrüder Logan und Victor, ebenfalls unkaputtbar und krallenbewehrt, als Soldaten unterwegs: Bürgerkrieg, Erster Weltkrieg, Sturm auf die Normandie – you name it.
Durch die Schlachten der Weltgeschichte
Erst in Vietnam wird klar, dass zwischen den beiden Halbbrüdern nicht alles zum Besten steht: Während Logan von seinem Söldnerdasein immer stärker angewidert ist, geht Victor (Liev Schreiber, „Unbeugsam“, „Ray Donovan“) in seiner Kampfeslust auf. Immer brutaler und animalischer lebt er seine Triebe aus. Der Konflikt ist vorprogrammiert, auch wenn Logan seinem Bruder in drohender Gefahr natürlich beisteht.
Vollends zum Zerwürfnis kommt es auf einer Mission der von William Stryker (Danny Huston, „New York für Anfänger“) neu aufgebauten Sondereinheit aus Mutanten. Während der Suche nach einem Meteoritenrest soll die Truppe ein unschuldiges Dorf vernichten. Logan weigert sich und steigt aus. Er lässt alles hinter sich und beginnt ein Leben als Holzfäller in den Rocky Mountains.
Doch die Vergangenheit ist nicht so einfach abzuschütteln: Einige Jahre später tauchen Stryker und Victor wieder in Logans Leben auf, und bringen alles durcheinander. Getrieben von Wut und Rache wird Logan endlich zu Wolverine.
„X-Men Origins: Wolverine“ ist der erwartete Blockbuster geworden. Ziemlich fix hatte der Film trotz online kursierender Raubkopie weltweit 150 Millionen Dollar eingespielt. Der Nachfolger war schnell in Planung. Die Meinungen der Fans gingen ziemlich weit auseinander. Meiner Sichtweise nach, ist „Wolverine“ ein sehr sehenswerter Film geworden, der gekonnt und geschickt zwischen Überraschung und Erwartungshaltung der Fans pendelt und genügend Fragen klärt und dennoch ebenso viele offen lässt. Für Neulinge ist der Einstieg in dieses Universum kein Problem, braucht es doch keinerlei Comic-Vobildung um die Geschichte zu verstehen.
Unter Comic-Puristen gab es Gemaule, dass die Story von den Halbbrüdern hahnebüchener Unsinn sei, ebenso die Leinwand-Version von „Deadpool“ und überhaupt die ganze Waffe X-Kiste nicht comicgetreu sei. Ryan Reynolds hatte seinerzeit den ersten Auftritt als großmäuliger Söldner, allerdings ausgerechnet seiner Sprache beraubt). Aber all diese Einwände kann man eigentlich getrost über den Haufen schmeißen, denn schon der erste „X-Men“- Film wurstelt munter vor sich hin, mischt diverse Mutantengenerationen und hält sich nur an die Comicvorlage, wo es funktioniert. So ist das eben mit Verfilmungen! Das muss auf der Leinwand und auch immer für Neulinge funktionieren.
Brüder im Kampf
Und genau das tut „Wolverine“. Regisseur Gavin Hood („Tsotsi“, 2005) gelingt eine gute Mischung aus gelungener Action, die wir alle sehen wollen, und einer funktionierenden Handlung, die die Story tatsächlich trägt. Es gibt alles, was ein gutes Drama braucht: Liebe, Verrat, Mord, Rache und Überraschungen. Man hat sich alle Mühe gegeben und einen wirklich guten, eigenständigen Film produziert und sich nicht einfach darauf verlassen, dass Mister „sexy and alive“ Hugh Jackman als Type Wolverine schon durch die 107 Minuten reicht. Jackman ist einfach Wolverine, darin sind sich komischerweise alle einige. Etwas mehr „gesunde Härte“ hätte dem Comic-Haudegen allerdings schon damals gut getan, scheiterte aber an der angepeilten Jugendfreigabe, vor allem in den USA.Aberdie Story, die von Mister „Game of Thrones“ David Benioff stammt, ist solide austariert und hält das emotionale Spannungsnievau gut.
Ein Held ist nichts ohne kongenialen Gegenspieler. Und Liev Schreiber als Victor alias Sabertooth füllt diesen Part nicht nur in Sachen Physis ziemlich überzeugend aus: Wenn einer Hugh Jackman in der Rolle Paroli bieten kann, dann eben genau Liev Schreiber. Die Chemie zwischen den beiden stimmt einfach, sowohl im gemeinsamen Schicksal als auch im Konflikt. Der große böse Bruder ist der heimliche Star des Films. Dafür haben andere Mutanten nicht den Spot, den man ihnen gewünscht hätte, aber man kann nicht alles haben und die Fortsetzung ist ja schon in Arbeit.
„X-Men Origins: Wolverine“ wird der X-Men Saga zwar auch gerecht, präsentiert aber vor allem eine eigenständige Heldengeschichte, die meinen Erwartungen locker standhält. Das Rad wird hier nicht neu erfunden, aber es dreht sich erstaunlich rund. Zeit, die Krallen auszufahren.
Film-Wertung: (7,5 / 10)
X-Men Origins – Wolverine
OT: X-Men Origins: Wolverine
Genre: Action, Fantasy, Superhelden,
Länge: 107 Minuten, USA, 2009
Regie: Gavin Hood
Drehbuch: David Benioff, Skip Woods
Darsteller: Hugh Jackman, Liev Schreiber, Danny Huston, Lynn Collins,
FSK: ab 16 Jahren
Kinostart: 29.04.2009
DVD-& BD-VÖ: 14.10.2011