brutstatt.de ruft den Sommer 2024 zum #Partysommer24 aus. Mit der Fußball Euro und den Olympischen Spielen, mit Europawahl und Badevergnügen. Bei Parolengrölen auf Urlaubsinseln und Katerstimmung ist Platz für ein paar launige Filme aus dem Archiv. Den Auftakt macht „Der Schaum der Tage“ von 2013. Die Literaturverfilmung „Der Schaum der Tage“ von Boris Vian setzt auf reale und fantasievolle Kulissen. Die Kombination mit der surrealistisch fantastischen Geschichte ist eigentlich perfekt. Doch Michael Gondrys Adaption will nicht so recht Fahrt aufnehmen.
Das literarische Werk des französischen Tausendsassas Boris Vian, der unter anderem Ingenieur, Autor, Dichter und Musiker war inhaltlich lässt sich schwer umreißen. Sein 1946 erschienenes Erstlingswerk „Der Schaum der Tage“ („L’ecume de Jours“) ist zwar eine Liebesgeschichte, aber eine fantastische. Das surreale Setting und die abstrusen Nebenhandlungen bieten haufenweise Inhalte und Ansatzpunkte zur Interpretation. Doch in Michel Gondry Filmversion steht die Liebesgeschichte im Vordergrund.
Der reiche Erfinder und Lebemann Colin (Roman Duris) hat gerade ein Pianococktail erfunden, das Musik in Getränke umwandeln kann. Das freut auch seinen Koch Nicolas (Omar Sy), der nebenher als Anwalt und Frauenheld brilliert. Während Colin versucht seinem literaturbesessenen Freund Chick (Gad Elmaleh) unter die Haube zu bringen, verliebt sich Colin selbst in die bezaubernde Chloé (Audrey Tautou). Die Liebe ist glücklich und erfüllt bis Chloé von einer seltsamen Krankheit ereilt wird: In ihrer Lunge wächst eine Seerose. Und während Colin alles tut, um Chloé zu heilen, verspielt Chick sein Liebesglück, indem er sein gesamtes Geld für Devotionalien des Literaten Jean-Sol Partre ausgibt. Irgendwann gehen auch Colins Finanzmittel zur Neige.
Musik in Getränke verwandeln
In Frankreich war Boris Vians Romandebut schon kurz nach Erscheinen ein Kultbuch und gilt nach wie vor als eine der größten literarischen Liebesgeschichten. So hat das faszinierende Werk auch schon ein paar Adaptionen als Oper, Schauspiel und Film hinter sich. Nun hat sich Michael Gondry („Abgedreht“, „Green Hornet“) des Klassikers angenommen und folgt der Vorlage ziemlich detailliert. Vielleicht wirkt die Verfilmung gerade deshalb etwas hüftsteif. Gleich zu Beginn wird Colins Geschichte von einer Art Metaebene eingerahmt. Das Drehbuch von Luc Bossi („On the Run“ aka ‚“La Proie“) hält sich sehr getreu an den Roman, der ja schon mit absurden Bildern gespickt ist und quasi nur darauf wartet visuell umgesetzt zu werden. Auch die Besetzung weiß in der surrealen Liebesgeschichte aufzugehen.
Vor allem macht die liebevolle kulissenhafte Umsetzung der Szenerien den Charme der Verfilmung aus. So ist etwa die Maus, die im Haus von Colin lebt und regen Anteil an all dem menschlichen Treiben nimmt, nicht etwa ein richtige Maus, sondern ein Mensch in einem Mauskostüm – der allerdings nur in Mausgröße auftritt. Auch wenn die Verliebten auf Wolken durch Paris schweben bedient sich Michael Gondry keiner Computereffekte, sondern setzt seine Hauptdarsteller Tautou und Duris in eine Karussellgondel in Wolkenform, die von einem in die Szene einbezogenen Großkran über die Dächer der Stadt gehoben wird. Das alles ist sehr detailverliebt und mit großem Aufwand inszeniert.
Woran liegt es dann also, dass der Funke einfach nicht überspringen will? Ursprünglich startete „Der Schaum der Tage“ in einer gut zweistündigen Fassung in Frankreich (eine Home Entertainment-Edition enthält auch die Langfassung) , hatte an der Kinokasse allerdings nicht den erhofften Erfolg, weshalb der Regisseur seine Verfilmung für den internationalen Markt um etwa 30 Minuten kürzte und so den Fokus mehr auf die dramatisch schöne Liebesgeschichte zwischen Chloé und Colin wirft.
Vielleicht ist der fantastische Surrealismus des Boris Vian, der ja durchaus eine Bandbreite von Lesarten zulässt, nicht mehr zeitgemäß und dem Publikum fehlt der Zugang. Vielleicht aber haben die Leser schon ihre eigenen Bilder im Kopf und müssen so folglich von Gondrys Vision enttäuscht sein. Eventuell funktioniert dieser Surrealismus aber auch nur im Medium Roman und lässt sich filmisch einfach nicht umsetzen.
Trotz origineller Bilder, prominenter und guter Besetzung und angemessenem Erzähltempo lässt die Verfilmung von „Der Schaum der Tage“ den Zuschauer emotional eher kalt. Weder die glücklichen noch die tragischen Momente wissen einen bleibenden Nachhall auszulösen. Vor allem das Absurde sticht heraus und so wird aus diesem verehrten Stück Literatur etwas sehr Gefälliges und Durchschnittliches.
Film-Wertung: (6 / 10)
Der Schaum der Tage
OT: L’Ecume de Jour, (int: Mood Indigo)
Genre: Fantasy, Drama, Comedy
Länge: 94 Minuten, F, 2013
Regie: Michel Gondry
Vorlage: Gleichnamiger Roman von Boris Vian
Darsteller:innen: Audrey Tautou, Omar Sy, Roman Duris,
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Studiocanal
Kinostart: 30.09.2013
DVD- & BD-VÖ: 13.02.2014