Der Gott des Gemetzels: Lehrstunde in Deeskalationspraxis

Aus dem Archiv: Roman Polanskis „Der Gott des Gemetzels von 2011. Ein erfolgreiches Theaterstück zu verfilmen, muss nicht immer gelingen, schon gar nicht, wenn es sich um ein Kammerspiel mit fester Kulisse und wenigen Darstellern handelt. Regisseur Roman Polanski aber gelingt mit „Der Gott des Gemetzels“ eine kongeniale Adaption des gleichnamigen Dramas. Es macht einfach Spaß den beiden Pärchen zuzusehen, wie alle Stricke reißen. Jetzt auf DVD und Blu-ray.

Nachdem sich ihre Söhne gestritten haben und Sohnemann Cowan dem Sprößling der Longstreets dabei zwei Zähne ausgeschlagen hat, haben Penelope (Jody Foster) und Michael (John C. Reilly) sich entschlossen, ein klärendes, vernünftiges Gespräch unter Erwachsenen mit Nancy (Kate Winslet) und Alan (Christoph Waltz) Cowan zu führen. Als die Cowans dann vorbeikommen, hat Michael gerade dringende berufliche Telefonate zu erledigen und es wird schnell klar, dass die beiden Ehepaare nicht auf einer Wellenlänge schwimmen. Dennoch tauscht man sich zivilisiert über den Vorfall aus und einigt sich, dass Nancy mit ihrem Sohn später noch einmal vorbeischauen soll, damit der sich entschuldigen kann.

Doch obwohl sich alle beteiligten anfangs bemühen, die Contenance zu wahren und versöhnlich zu bleiben, kommt der Zeitpunkt, an dem das eine Wort zuviel gesagt wird und die Differenzen zu Tage treten. Als Penelope etwas von Teilschuld ihres Sohnes hört, weil der Petze gesagt haben soll, wird eine Versöhnung immer unwahrscheinlicher. Alan scheint das alles wenig zu interessieren, da er einen wichtigen Mandanten am Telefon hat und Nancy entlädt sich der Anspannung, indem sie quer über den Tisch kotzt. Das Drama nimmt seinen Lauf.

Eskalation eines Streits

Yasmin Rezas Theaterstück „Der Gott des Gemetzels (OT:„ Carnage“ ) seziert genüsslich die Fassade bürgerlicher Zivilisiertheit und zeigt eindrucksvoll auf, wie ein Streit, dermaßen eskalieren kann, dass er beinahe unwichtig wird. Stattdessen gehen sich alle vier Beteiligten in wechselnden Allianzen gegenseitig an die Gurgel und lassen alles raus, was sie schon immer gestört hat. Klugerweise hat Regisseur Roman Polanski bei seiner Filmadaption des Broadway-Stückes die Autorin gleich das Drehbuch verfassen lassen, was in diesem Fall eine Steilvorlage für die grandiose Schauspielkunst der vier Hollywood-Stars ist.

Die gegenseitige Missachtung und Anspannung in Wohnzimmer der Longstreets ist beinahe körperlich spürbar und schafft es so eine Spannungsbogen aufzubauen und auch durchzuhalten, der nicht auf Action beruht, sondern auf der Präsenz der Figuren. Das mitansehen zu dürfen ist schon ein seltenes Glück. Und weil man das Unglück kommen sieht, fragt sich der Zuschauer anfangs schon, warum die Cowans sich doch überreden lassen, den Pie noch zu probieren und ist froh, dass sie es tun. Zu Beginn seines Dramas zeigt Polanski den Auslöser dieses ausufernden Streits, die beiden Jungs im Park. Am Ende sieht man die beiden einträchtig miteinander spielen.

Roman Polanski gelingt – auch dank grandioser Darsteller – mit seiner Adaption von „Der Gott des Gemetzels“ eine so fesselndes, intensives Stück Film, dass man meinen möchte, man säße im Theater. Mehr Lob geht in diesem Fall eigentlich nicht.

Film-Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

Der Gott des Gemetzels
OT: Carnage
Genre: Drama
Länge: 80 Minuten, GB, 2011
Regie: Roman Polanski
Vorlage: gleichnamiges Theater-Stück von Yasmin Reza
Darsteller:innen: Jodie Foster, Christoph Waltz John C. Reilly, Kate Winslet
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Constantin
Kinostart: 24.11.2011
DVD-VÖ: 10.05.2012

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