Øyvind Holm – Paradox of Laughing: Album Review

Es ist schon paradox, dass die Menschen angesichts des ganzen Mist der so passiert immer noch lachen können. Meint zumindest der norwegische Sänger und Songwriter Øyvind Holm, der jüngst sein „drittes Solo“-Album „Paradox of Laughter“ beim stilsicheren Label Crispin Glover Records veröffentlicht hat. Und wer lachen darf, darf auch schöne Pop Songs aufnehmen.

Konsequenter Weise besteht der Titelsong „Paradox of Laughter“ aus zwei Teilen. Zunächst gibt es beinahe jazzigen Instrumentalpoprock mit hinreißend präsenter, bissiger Gitarrenführung, daran schließt sich ein getragener, gesungener Teil an, der mit melancholischer Melodie aufwartet. „Paradox of Laughter (Pt. 1 &2) ist zwar der „experimentellste“ Song auf dem Album, aber treffsicher komponiert. So wie der Rest der sehr gefälligen Platte.

Die geneigte Hörerschaft sollte sich von dem traditionellen Strickmuster von Øyvinds Pulli nicht ins musikalische Boxhorn jagen lassen. Auxh nicht davon, dass sich Herr Holm in Coverwelten zwischen das Gelächter und das Paradox platziert. Als wären es sein Paradox und sein Gelächter. Zuviel Gespinnst und Geschwurbel meinerseits. Pop-Ornament am Text.

Zwar wurde Holm vorangegangenen Album „the unreliable narrator“ angeblich in der bergigen Einöde aufgenommen, aber die Songs auf „Paradox of Laughter“ brauchten nach des Bardens Bekunden ein anderes Soundgerüst. Ich würde das als nostalgischen Pop beschreiben.

„Love reduced to muscle memory“

Nostalgisch im positiven Sinne; und im Gegensatz zu aktuellen elektronisch unterstützten und auto-getunten Hitparadensounds. Also mit richtigen Instrumenten, ohne Samples und den Vibes jener stilprägenden Jahre, in denen Musik noch ein Kulturgut war und kein Konsumgut. Was freilich auch nur die nostalgische Erinnerung ist, denn Geld verdienen wollten Musiker und Plattenfirmen schon immer.

Zurück zu Herrn Holm, der zum Albumauftakt zwischen zwei Stationen darüber sinniert wie die Liebe zum Muskelgedächtnis verkommen konnte. „Between Stations“ ist ein flotter Opener im melodischen Midtempo, der mich – zumindest in Melodieführung und Stimmung – an die zahmeren Arctic Monkey zu „Suck it and See“ Zeiten erinnert.

„August 1969“ schafft es tatsächlich in getragener Balladenstimmung eben jenen Sommer von ‚69 aufleben zu lassen, der wenig mit Brian Adams zu tun hat. Aber damit, an der kalifornischen Pazifikküste mit Bier in der Hand am Strand den Surfern zugucken. Das geht ja gut los. Und ich frage mich gerade, was ich an „the unreliable narrator“ nicht so mochte?

„Filling pages with my songs“

Die geneigte Hörer- bzw. Leserschaft kann das an entsprechender Stelle nachlesen. Ich fasse hier kurz nochmal das musikalische Schaffen von Øyvind Holm zusammen, da es außerhalb von Norwegen weniger bekannt ist. Als Sänger, Songwriter und Gitarrespieler kam Holm mit mehreren Bands (Dipsomaniacs, Sugarfoot) zu nationaler Berühmtheit und ist seit mehreren Dekaden fester Bestandteil der norwegischen Musikszene. Wenn man das Oevre in Phasen unterteilen will, dann ist „Paradox of Laughter“ das dritte Album in Øyvind Holm aktueller Solo-Phase, eingeläutet von „After the Bees“. Allerdings gab‘s da 2005 bereits ein Album namens „The Vanishing Act“.

Und um die ganze Chose jetzt noch unübersichtlicher zu gestalten, hat Øyvind Holm auf „Paradox of Laughter“ scheinbar eine ganze „Band“ am Start und etliche Gastmusiker. Das hört mensch auch heraus und es ist den Arrangements und der Produktion sehr, sehr zuträglich. Ob man da noch von „SoloAlbum“ reden kann oder von der „Øyvind Holm Band“ sprechen sollte, ist nicht meine Kiste. Zumal die Infos auch nicht direkt von Künstler oder Label stammen, sondern von den Journo-Kolleg.innen bei „i happen to like ny (norway?), die Holm zum norwegischen Release des Vinyls interviewt haben.

Aber zurück zum aktuellen Album, das deutlich zugänglicher, voluminöser und gefälliger ist als „the unreliable narrator“. Das liegt auch an der Stimmung, die Holm mit den Songs erzeugen wollte, aber auch daran, dass ein angemessener Produktions- und Orchestrierungsaufwand betrieben wurde. Und es ward schön.

Es ist nun nicht so, das „Paradox of Laughter“ den Pop neu erfindet, aber das funky groovende „CCTV“, das melancholisch gestrichene „Paper Tigers“ und das tanzbare „Distant lover“ zeigen Facetten von üppig instrumentierter Pop Musik, die einfach großartig komponiert und arrangiert sind. Bisweilen schwingt da mehr Donovan mit als Cat Stevens mit, dann schlackert Dylanesque Schnoddrigkeit durch und dann ist da wieder die gesangliche Ähnlichkeit zu Alex Turner (Arktic Monkeys), ohne jenes ober-schmalzige Croonertum, dass The Last Shadow Puppets auszeichnet.

„Having a Good Time Again“

Am Ende kommt dann mit „Big Plans (All over again“) nochmal schnuckeliger Songwriter-Pop durch, wie er das Debut von Townes Van Zandt auszeichnete. Wobei ich definitiv finde, dass „For the Sake of the Song“ als Studioalbum überproduziert ist und Townes Songs wesentlich stärker wirken, wenn sie spärlicher instrumentiert sind. Nicht so Øyvind Holm auf „Paradox of Laughter“. Hier ist die aufwändige und mit echten Instrumenten kreierte Vielschichtigkeit ein Gewinn an musikalischer Qualität.

Sei es der indische Touch in „Paper Tigers“ mit echter Sitar oder der tragende Keyboard-Teppich an anderer Stelle. Die sehr stimmigen Streicher Arrangements von Mari Persen, die bisweilen ein James Bond artiges Breitbildformat erreichen, oder die großartigen Gitarrensoli auf der ganzen Platte. Ich würde mal vermuten, dass dafür vor allem Alexander Petterson verantwortlich zeichnet. Die Details sind hinreißend und sehe sehr stimmig. Damit lässt sich auch außerhalb von Norwegen mächtig Eindruck machen.

Auf „Paradox of Laughter“ sitzt einfach alles. Auf Øyvind Holm aktuellem Album wird annähernd perfekter, handgemachter Pop mit nostalgischer Note geboten. Die Songs sind eingängig und stark, es gibt keine Durchhänger. Die Musiker spielen beschwingt auf und die Arrangements sind stilsicher, variabel und packend. Das macht schon sehr viel Spaß.

Album-Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

Øyvind Holm – Paradox of Laughing
Genre: Pop
Länge: 48 Minuten (10 Songs), N, 2023
Interpret: Øyvind Holm
Label: Crispin Glover Records
Vertrieb: Stickman Records
Format: Vinyl, Digital
VÖ (international): 26.01.2024

Øyvind Holm bei Facebook
Paradox of Laughter bei Crispin Glover Records
Øyvind Holm Seite

Album Credits zitiert nach ihappentolikeny.com

„Paradox of Laughing’
All words and music by Øyvind Holm, except:
‘Paper Tigers‘ words by Øyvind Holm / music by Øyvind Holm and Alexander Pettersen
‘Must Be A Way‘ words by Øyvind Holm / music by Øyvind Holm and Thomas Henriksen
All songs © Surf The Clouds Music 2023

Engineered, produced and mixed by Pål Brekkås at Brygga Studio
Mastered by Magnus Kofoed at Øra Mastering
Cover art by Marco Wagner
Cover design by Håvard Gjelseth
String arrangements by Mari Persen
Released with financial support from Trondheim Kommune and Fond for utøvende kunstnere

The Band:
Øyvind Holm – lead & backing vocals, el & ac guitars, keyboards, tibetan singing bowl, musical saw
Pål Brekkås – bass, mellotron, piano, synths, percussion, tibetan singing bowl, backing vocals
Arve Gulbrandsen – drums, percussion
Thomas Henriksen – moog one, piano, wurlitzer, hammond b3, synths
Alexander Pettersen – el & ac guitars, e-bow guitar, tenor guitar, mellotron, keyboards, mandolin, autoharp, lap steel, drums, percussion

Additional Musicians:
Vegard Lien Bjerkan – hammond b3 on ‘CCTV‘ and ‘Flies On The Window Sill‘
Hans Hadders – sitar, tambura and tabla on ‘Paper Tigers‘
Kirsti Huke – backing vocals on ‘August 1969‘, ‘Paper Tigers‘ and ‘Big Plans (All Over Again)‘
Bjørn Klakegg – lead guitar on ‘Paradox Of Laughing (pt.1 & 2)‘
Mari Persen – strings on ‘Beyond Stations‘, ‘Paper Tigers‘, ‘Flies On The Window Sill‘ and ‘Paradox Of Laughing (pt. 1 & 2)‘
Roar Øien – pedal steel on ‘August 1969‘