Øyvind Holm – the unreliable narrator

Zwölf kleine musikalische Geschichten bringt der norwegische Barde Øyvind Holm auf seinem neuen Album „the unreliable narrator“ vom Fjäll mit herunter. Die Sage geht, Holm habe sich hier mit Instrument und Aufnahmegerät in eine einsame Hütte verzogen um Pop-Musik zu erschaffen. Nun lässt sich das Ergebnis bestaunen.

Der Sänger und Songwriter Øyvind Holm ist schon seit Jahrzehnten in der norwegischen Musikszene unterwegs. Vor allem mit dem Dipsomaniacs und als Sänger von Sugarfoot erlangte Øyvind Holm größere Bekanntheit. Als Solokünstler gab es 2020 das Album „After the Bees“ nun legt der Songwriter mit „the unreliable narrator“ nach.

Während die frühen Holm-Sachen noch von experimentellen Indie-Poppern wie Pavement und Guided by Voices beeinflusst sein sollen, ist auf dem aktuellen Album vor allem eine große Verbundenheit zu den Beatles zu hören. Statt Indie bricht sich die Einbindung diverser Country- und Americana-Einflüsse Bahn. Dann sind da immer wieder ungewöhnliche Elemente und Instrumente, die den gelegentlich allzu süßlich geratenen Pop-Appeal der Songs ein wenig ins Experimentelle verformen.

Norwegischer Pop zwischen Country und Songwriter

„the unreliable narrator“ ist auch eine typische Liedermacher-Scheibe, will sagen, es lohnt sich, die Texte und Themen zu studieren, die ungewöhnlicherweise sogar dem Promo-Material beigefügt sind. Als Liedermacher hat ein Künstler einen etwas anderen Ansatz und es geht auch darum, für die Themen ein stimmiges musikalisches Vehikel zu finden. In anderen Genres steht oft genug eine musikalische Idee im Mittelpunkt um die herum „komponiert“ wird.

Nun aber ans Eingemachte. „the unreliable narrator“ erscheint beim norwegischen Label Crispin Glover Records, der Vorgänger war und ist über Stickman Records zu beziehen. In 48 Minuten Spielzeit werden 12 Songs dargeboten, die sich allesamt in poppigen sehr melodiösen Gefilden bewegen. Das ist an sich nichts Verwerfliches, zündet in Øyvinds Fall bei mir allerdings nur bedingt.

Duette und Geistertänze

„Ghost Dance“ ist ein schöner Opener. Getragenes Midtempo, Groove und ein abseitiger Vibe mit einem überraschenden Saxofon. Das lässt sich alternativ poppig eingrooven. Dann folgt mit „The Stranger“ eine Ballade, die als Duett vorgetragen wird. Das erinnert in der Stimmung an die Kooperation von Nick Cave und Kylie Minougue, die mir auch schon zu dramatisch war. „You Plot the Crime“ ist dann ein solider Popsong, der leicht ins Ohr geht, aber auch nicht lange hängen bleibt. „iLove“ ist textlich schon dringlicher (kann die Hörerschaft sich eventuell denken) und der Song hat einen starken Groove und auch das gewisse Etwas, um hervorzustechen.

„Water“ ist wieder sehr poppig, beinahe schmalzig ausgefallen, und definitiv nicht „up my alley“… obgleich: der Keyboardteppich schlägt dann in gehöriges Gegnidel aus. Den zweiten Songteil mag ich zwar, aber die Gesamtkomposition erschließt sich mir in der Kombi nicht. „Travelling Through Time“ markiert dann das Ende von LP-Seite 1 und ist ein weiteres Duett. Ich sag mal Country-Ballade kurz vor Schlager. Da verlasse ich dann definitiv meine klangliche Wohlfühlzone.

Treibholz

Weiter geht’s mit „Driftwood“, gerade kurz vor Album-Release noch als Vorab-Auskoppelung veröffentlicht. Die Keyboard-Melodie geht in wavigere Gefilde und der schmachtende Gesang fügt sich nahtlos ein. Das hat sicher Hit-Potential, oder hatte es in den frühen Neunzigern. Mir sind dann spätestens die Backing-Vocals zu viel, aber der Song hat sein Potential. „Ship“ macht dann mit melodiösem Geflöte weiter, das ein wenig plätschert, bis dann die Fuzz-Gitarre dazukommt. Erneut eine eigenwillige Kombi, die mich etwas ratlos lässt.

„Indigo“ beginnt mit atmosphärischem Klangteppich, geht dann auf ein Rhythmusgleis, das stetig aber behutsam Tempo aufnimmt. Hier entsteht fast ein Jam-Charakter, vor allem wenn das Tenor-Saxofon dann den Song nach Hause bläst. „Upheaval“ markiert dann die Endphase des Albums. Die feine Keyboard-Melodie kommt sehr entspannt und etwas melancholisch daher und kommt ohne Gesang aus. Absurderweise eine der schönsten Nummern auf „the unreliable narrator“.

Cinemascope & Klangteppich

„Cinema“ ist dann das Äquvalent zu einer richtig breiten Leinwand, einem Cinemascope-Format. Das ist mit vielen Chören und Soundebenen schon sehr dicht und episch, aber eben auch entsprechend pathetisch. Das geht häufig miteinander einher. Dem Saxofon zum Trotz. „Early November“ ist dann zum Abschluss eine melancholisch resignierte Songwriter-Ballade über die Härten des Lebens und die Rückschläge. Tatsächlich ist „Early November“ eines meiner Lieblingslieder auf „the unreliable narrator“ auch deshalb, weil sich der Song so vertraut anfühlt und -hört, als wäre das hier das Kerngeschäft des Barden. Hier scheint Øyvind endlich im Ommm. Einfach schön.

Unterm Strich ist Øyvind Holms zweites Soloalbum eine solide Angelegenheit für alle, die auf Pop mit Mehrwert stehen. Wer gute Texte zu würdigen weiß und seine Musik gerne getragener als hektisch mag, sollte hier fündig werden. Der Rezensent braucht auch gerne mal was auf die Zwölf und lässt sich bei zu bekannt klingenden poppigen Songstrukturen auch schnell ablenken. Dennoch es gibt einige tolle Songs auf der Scheibe. Øyvind Holm ist ohne Frage ein beschlagener Musiker und versierter Künstler, der weiß, was er tut. Handwerklich ist „The unreliable Narrator“ große Kunst, musikalisch fällt es mir weitgehend zu seicht aus.

Album-Wertung: 6 out of 10 stars (6 / 10)

Øyvind Holm – the unreliable narrator
Genre: Pop,
Länge: 48 Minuten, N, 2022
Interpret: Øyvind Holm
Label: Crispin Glover Records
Album-VÖ:08.04.2022

Øyvind Holm Website
Crispin glover Records
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