Laut Fragen – Age of Angst: Album Review

Im Anfang war das Wort. So zumindest denken all jene, die sich mit Sprache beschäftigen. So scheint auch das Wiener Duo „Laut Fragen“ zu musizieren. Da geht es häufig um Vertonung von Befindlichkeit und Gesellschaft. Musikalisch wird zumeist im Elektropunk oder auch Post Punk nach Klängen und Rhythmen gesucht. Zu hören aktuell auf dem im Oktober 2023 bei Numavi Records erschienenen dritten Album „Age of Angst“.

Es passt eigentlich ganz gut, dass sich der Titelsong von Laut Fragens drittem Albums „Age of Angst“ mit Protesten und Demos beschäftigt. Demos, die als gesellschaftliche Unmutsäußerung derer ohne Teilhabe für gesellschaftliche Unruhe sorgen, während jene schweigende, gleichgültige Mehrheit dadurch immer furchtsamer wird. Aktuell geht es hierzulande auf Demos gegen Faschismus und Rassismus. Da kann dann jeder mittun und sich beim Hören des Albums selbst so seine Gedanken über das „Zeitalter der Angst“ machen.

Laut Fragen bestehen als musikalisches Duo seit 2016. Das gemeinsame Engagement von Maren Rahmann (Gesang) und Didi Disco (Elektro, Gitarre, Gesang) gegen das Vergessen führte zur Vertonung von Widerstandsgedichten und anderen „Fremdtexten“. Immer stärker wurde dabei der Impuls auch eigene Ideen in Worte und Musik zu packen. So sind auf „Age of Angst“ 11 Songs mit eigenen Texten vertreten. Soweit ich das überblicken kann.

Die Bäume sind grau. Der Himmel ist grau.

Musikalisch läuft so etwas wohl unter Elektro-Punk und kommt sehr zeitgemäß rüber, hat dabei aber auch eine Verwandtschaft zur Neuen Deutschen Welle, in ihren abstrakteren Ausdrucksformen. Und durchaus eine feuilletonistische Ader, die ins Chanson fließt. Möglicherweise auch ins Vagabundenlied und die Wiener Liedermacherei, wie ich sie gerade so formvollendet bohéme in „Rickerl“ auf der Kino-Leinwand erleben durfte.

Ich wiederhole mich, aber der Text sucht sich ein Vehikel. Dabei grooven und rocken und zappeln „Laut Fragen“ ganz erheblich ab und bieten in den 42 Minuten von „Age of Angst“ stilistisch eine ziemliche Bandbreite. Dass nicht alles gleichermaßen gefällt, vieles Geschmackssache ist und eine Frage, wie sehrt einen die Texte anrühren, versteht sich von selbst.

Es geht auf jeden Fall groovy und tanzbar los: „Beton“ ist eine Hymne auf den Werkstoff einer besseren kapitalistischen Zukunft, die sich selbst längst eingeholt hat. Dabei sexualisiert der weibliche Gesang die Penetranz des Betons auf bisweilen recht anzügliche aber auch plakative Weise. Dagegen kommt der Werbeslogan der Branche: „Beton – es kommt darauf an, was man daraus macht.“ kaum an.

Später auf dem Album nehmen Laut Fragen das Thema in anderer Form wieder auf und schaffen so einen Urbanisierungskritischen Zirkelschluss. „Grau“ zelebriert im Dreiviertel-Takt die Vorzüge des Betons mit den Mitteln des Chansons. Auch charmant.

Einen weiteren Arm streckt der betonierte Sexus des Patriarchats aus, wenn es in „Arsch“ um weibliche Körperlichkeit, weibliches Selbstverständnis und männlichen (herablassenden) Blick geht. Musikalisch wird das mit überlagernden Samples und einer nervösen, elektronisch hibbeligen aber technoid monotonen Rhythmik unterlegt.

Die Worte sind grau. Die Herzen sind grau.

Zwischenzeitlich finden sich auf „Age of Angst“ klangliche Experimente, die mal gefallen wie der zackige Abzählreim „A Be Bu“ und das als Video-Single ausgekoppelte „Goldene Inseln“, und mal eher etwas überstrapaziert wirken. So das kurze instrumentale Zwischenspiel „Sorry kaputt“ und die doch arg zäh tropfende „Zeit“.

„Supermenschensonderangebot“ überfordert mich mit seiner kapitalismuskritischen Aussage und der musikalischen Umsetzung. Da wird ein elektronischer Soundteppich gewebt, der immer wieder sphärische Elemente tragen soll und dabei doch nicht fliegt. So auch die Botschaft, die mit „Pina Colada auf den Kanaren“ doch recht schlicht, aber catchy ausgefallen ist.

Während der Album-Beginn mit dem schon erwähnten „Beton“ und dem Uptempo-Gitarren-Kracher „Auf der Jagd“ gefällt und „Abschied“ ein stimmiger, leicht wehmüter Ausklang für das Album ist, enthält der Mittelteil einige Aufs und Abs. „Toter Winkel“ überzeugt mit schmissiger Rhythmik und dystopischen Lyrics „Wir sind der Müll, der macht was er will“. Das lässt sich trefflich antikapitalistisch interpretieren; oder aber es besingt ein vagabundierendes Austeigertum. Guter Song, der im Ohr bleibt. Mir zumindest.

Der Punk ist bei Laut Fragen aus Wien eher Einstellung als musikalisches 1, 2, 3,4. Das erinnert an Zeiten, in denen Musik „alles durfte, außer langweilig und berechenbar zu sein“. Und macht Lust auf mehr. Mit vergleichsweise minimalistischen Mitteln zeigen Laut Fragen, dass sie etwas zu sagen haben. Das ist durchaus so tanzbar wie engagiert.

Album-Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

Laut Fragen: Age of Angst
Genre: Elektro-Punk, Post-Punk,
Länge: 42 Minuten, A, 2023
Interpret: Laut Fragen
Label: Numavi Records
Format: Vinyl, Digital, CD
VÖ: 13.10.2023

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