How I Ended This Summer: Klimabeobachtungen

Aus dem Archiv ins #Winterwunderland: das russische Drama „How i Ended this Summer“ von 2010. Auf der Berlinale 2010 war das russische Drama um die beiden Meteorologen in einer arktischen Wetterstation die große Überraschung: Nominiert für den Goldenen Bären und Auszeichnungen für die beiden Hauptdarsteller und die Kamera. „How I Ended This Summer“ ist ein intensiver Film mit atemberaubend majestätischer Landschaft.

Und die verlassene subpolare Einöde zwischen eisigen Hochebenen und Geröllwüsten spielt eine Hauptrolle in Aleksej Popogrebskiys drittem Spielfilm. Der Mensch bleibt ein Eindringling in diesem ungastlichen Lebensraum und der monotone Alltag auf der entlegenen Wetterstation wirft die beiden Klimatologen Pavel (Grigori Dobrygin) und Sergej (Sergey Puskepalis) auf sich selbst zurück. Über weite Strecken des Tages sind die beiden zur Untätigkeit verdammt und vertreiben sich die Zeit bis zur nächsten Wettermessung.

Der Rhythmus der Klimabeobachtungen gibt den Puls dieses einsamen Lebens vor und bestimmt den Tagesablauf mit einem stabilen Gerüst von Pflichten. Das beinhaltet allerdings immer wieder viele Leerlaufzeiten. Während Sergej, der ältere, sich seiner Arbeit routinemäßig und gründlich widmet und täglich mehrmals von Hand die Werte abliest, hält es Pavel, der nur für eine Saison in der Klimastation ist, nicht so genau. Stattdessen setzt er auf die elektronische Wetterüberwachung, die irgendwann die mechanischen Geräte ersetzen soll.

Unterschiedliche Arbeitsauffassungen

Viel zu sagen haben die beiden unterschiedlichen Männer sich auch nicht und der junge urbane Pavel hat gehörigen Respekt vor dem Naturburschen Sergej. Als der für einige Tage zum Fischen aufbricht, übernimmt Pavel die Wetterüberwachung. Ausgerechnet jetzt kommt der Funkspruch durch, dass Sergejs Frau einen schweren Unfall hatte und man ein Schiff schickt, um die beiden Meteorologen abzuholen.

Doch als Sergej zurückkehrt, verschweigt Pavel ihm den Funkspruch. In den kommenden Tagen verstrickt sich der junge Mann immer weiter in ein Gespinnst aus Notlügen und Verwirrungen. Und dann droht die Situation zu eskalieren, als Pavel auch noch einen Lagerkoller bekommt. In einem paranoiden Schub, glaubt er, Sergej wolle ihn töten.

Im Grunde ist „How I Ended This Summer“ ein Kammerspiel für zwei Personen, das in der eindrucksvoll kargen Landschaft im rauen Norden angesiedelt ist. Doch Popogrebskiy konzipiert sein Drehbuch derart geschickt, dass aus dem Drama zeitweilig ein Thriller wird. Es gelingt ihm erstaunlich vielschichtig und hintergründig seine beiden Hauptfiguren so anzulegen, dass sie in vielerlei Beziehung stellvertretend für etliche grundlegende gesellschaftliche Konflikte stehen. Der Generationskonflikt kommt dabei ebenso durch wie die unterschiedliche Einstellung gegenüber Pflichterfüllung und dem technischen Fortschritt.

Schlechte Nachrichten und Lagerkoller

Während Sergej seinen Lebensrhythmus in und mit der Natur sucht, die ihn umgibt, kann es für Pavel nicht genug virtuelle Ablenkung von der Ödnis geben. Es geht dabei nicht so sehr um die Lösung dieser grundsätzlichen Fragen, sondern um das Aufzeigen von Unterschieden, Konflikten und Reaktionen. Einer Wertung entzieht sich der Film geschickt und überlässt es ganz dem Zuschauer eine eigene Position zu finden und zu hinterfragen.

Allerdings hat „How I Ended This Summer“ auch einen Knackpunkt: Eben Pavels Entscheidung Sergej nichts vom Unfall seiner Frau zu sagen. Es bleibt vage, was den jungen Mann zu diesem absurden, irrationalen Schritt bewegt. Wer jedoch akzeptiert, dass es zur Grunddisposition des Dramas gehört, das sich nun entwickelt, findet in der Folge ganz intensive aber komplett unintellektuelle Studien menschlicher Befindlichkeit. Genau das macht „How I Ended This Summer“ so wunderbar – und die großartige, perfekt gefilmte Landschaft.

Das russische Drama „How I Ended This Summer“ zeigt grundsätzliche gesellschaftliche Konflikte reduziert auf die Intensität eines Psychodramas in einer atemberaub kargen Landschaft. Da es wenig Dialoge gibt, sollte einen die Originalversion mit deutschen Untertiteln nicht von diesem intensiven Leinwanderlebnis abschrecken.

Film-Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

How i ended this summer
OT: Как я провёл этим летом, alternativer Deutscher Fernsehtitel: Mein Sommer mit Sergej
Genre: Drama
Länge: 120 Minuten, RUS, 2010
Regie: Alexei Popogrebski
Darsteller: Grigori Dobrygin, Sergey Puskepalis
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Fugu Filmverleih
Kinostart: 1.09.2011
DVD-VÖ: nicht für das Home-Entertainment veröffentlicht